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Archiv-Foto © Deutscher Bundestag / Achim Melde

Regelwerk verzögert sich weiter

Merkel: Ich bin für das Lieferkettengesetz, aber…

Der Streit in der Bundesregierung über ein Lieferkettengesetz dauert an. Kanzlerin Merkel betonte, dass sie dafür sei - lehnte aber entscheidende Druckmittel ab.

Donnerstag, 17.12.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 16.12.2020, 17:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das geplante Lieferkettengesetz gegen Ausbeutung in armen Ländern durch deutsche Firmen verzögert sich weiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Mittwoch bei einer Befragung der Regierung im Parlament, die zuständigen Ministerien „sitzen viele Stunden zusammen“ und bemühten sich um eine Einigung. Sie stellte zugleich klar, dass sie für ein solches Regelwerk sei – allerdings in einer entschärften Form. Beim Lieferkettengesetz geht es darum, dass deutsche Unternehmen künftig in die Verantwortung genommen werden sollen, wenn ihre ausländischen Partner gegen Menschenrechte verstoßen. Dafür sollen sie ihre Lieferketten offenlegen. Das Gesetz soll auch Beitrag zum Kampf gegen Kinderarbeit weltweit sein.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte gehofft, dass die Eckpunkte noch vor Weihnachten im Kabinett beschlossen werden. Am Mittwoch war das aber nicht der Fall. Ob die Ministerrunde vor Weihnachten noch einmal tagt oder auf einem anderen Weg darüber entscheidet, war zunächst unklar. Seit Monaten gibt es über die Details Streit zwischen Entwicklungs-, Arbeits- und Wirtschaftsministerium.

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Streitpunkt: Haftung

Strittig sind vor allem die Punkte, inwiefern deutsche Firmen für ausbeuterische Praktiken ihrer ausländischen Geschäftspartner haftbar werden und ab welcher Größe Unternehmen unter das Gesetz fallen. Müller und der federführende Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) streben hier scharfe Regularien für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten an, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ablehnt. Altmaier will zudem, dass das Gesetz erst für Unternehmen gilt, die deutlich mehr Beschäftigte haben.

Merkel betonte: „Ich bin für das Lieferkettengesetz.“ Sie erkundige sich täglich nach dem Stand der Gespräche zwischen den Ministerien. Allerdings äußerte sie sich skeptisch zu einer zusätzlichen zivilrechtlichen Haftung, wonach also deutsche Unternehmen auch nach deutschem Recht haftbar gemacht werden könnten. Davon sei im Koalitionsvertrag von Union und SPD nicht die Rede, sagte sie. Auch über die Größe der betroffenen Unternehmen sei nichts vereinbart worden. Die Kanzlerin sagte, die Union und auch sie persönlich seien bereit, alles umzusetzen, was im Koalitionsvertrag verabredet sei.

Merkel: Ideal ist schwer

SPD-Politiker Frank Schwabe hatte die Frage an die Kanzlerin gestellt. Er sagte, es gehe um ein Klagerecht für Menschen, die in ihren eigenen Ländern diese Möglichkeit nicht hätten. Ob die Kanzlerin der Meinung sei, dass beispielsweise die Näherin in Bangladesch die Möglichkeit bekommen solle, in Deutschland zu klagen, wenn ihre Menschenrechte durch deutsche Unternehmen verletzt würden, wollte er wissen.

Merkel hielt dagegen, bei der Frage, inwieweit man ein Unternehmen in Haftung nehme für Dinge, „die irgendwo auf der Welt“ vorgingen, müsse aufgepasst werden, dass nicht zu weitgehende Verpflichtungen eingegangen würden. Wenn zum Beispiel jemand irgendwo Kupfer verarbeite, könne er nicht bis sozusagen in die dritte Reihe verantwortlich gemacht werden. Sie hoffe, dass die Regierung ein Lieferkettengesetz noch zustande bringe. Wenn man aber mit einem Schritt alles wolle, was man „als Ideal hat“, dann werde es schwieriger, fügte sie hinzu, ohne Namen zu nennen. Auch wenn gesagt werde, „Bußgelder scheiden aus“, dann sei das keine gute Sache. Müller und Heil hatten es stets abgelehnt, anstelle einer Haftbarkeit mit Bußgeldern vorliebzunehmen.

Unternehmen weit vom Ziel entfernt

Das Lieferkettengesetz geht auf den „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) aus dem Jahr 2016 zurück, der auch im Koalitionsvertrag bekräftigt wird. Dieser sieht vor: Wenn sich bis 2020 herausstellt, dass weniger als die Hälfte der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, sollen „weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen“ geprüft werden.

Ab Sommer 2019 liefen daher unter Federführung des Auswärtigen Amtes Umfragen zur Selbsteinschätzung deutscher Unternehmen. Nach den Ergebnissen aus zwei Befragungsrunden erfüllten noch nicht einmal ein Fünftel der Unternehmen die menschenrechtlichen Anforderungen. (epd/mig) Aktuell Politik

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