900 Tote diese Jahr

Bündnis finanziert weiteres Rettungsschiff

Das Sterben auf dem Mittelmeer nimmt kein Ende - und die EU-Staaten sehen zu. 900 Tote hat die IOM bereits gezählt. Zivile Seenotretter wollen jetzt ein weiteres Schiff schicken.

Montag, 16.11.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 15.11.2020, 18:18 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das Bündnis „United4Rescue“ wird den Kauf und maßgeblich auch den Umbau des neuen Rettungsschiffs „Sea-Eye 4“ finanzieren. Wie der Betreiber, die Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea Eye, am Sonntag mitteilte, liegt das ehemalige Offshore-Versorgungsschiff aus dem Jahr 1972 im Hafen von Rostock und soll für seine Rettungseinsätze im Mittelmeer ausgerüstet werden. „United4Rescue“ unterstützt bereits das Rettungsschiff „Sea-Watch 4“, das derzeit in Italien festgesetzt ist. Dem Bündnis gehören mehr als 660 zivilgesellschaftliche Gruppen an, darunter die Evangelische Kirche in Deutschland.

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm begrüßte die Finanzierung des neuen Bündnisschiffes: „Ich bin dankbar dafür, dass Sea Eye nun ein weiteres Schiff in den Einsatz im Mittelmeer bringen kann.“ Gerade die letzten Tage hätten gezeigt, wie dringend notwendig das ist. „Das konkrete Handeln der zivilen Seenotretter überwindet die Ohnmacht, die wir empfinden, wenn wir die Bilder von ertrinkenden Menschen im Mittelmeer sehen. Nur durch unsere Unterstützung können sie gerettet werden.“

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„Ohne die Unterstützung durch das Bündnis wäre der Kauf eines so großen Schiffes für uns unvorstellbar geblieben“, sagte Sea-Eye-Vorsitzender Gorden Isler laut Mitteilung. Mit seinen 55 Metern Länge und elf Metern Breite sei es größer als das derzeitige Rettungsschiff „Alan Kurdi“ der Organisation. Die „Sea-Eye 4“ werde in der Lage sein, mehr Menschen aufzunehmen und zu versorgen als die bisherigen Sea-Eye-Schiffe. Sea-Eye rettet nach eigenen Angaben seit 2016 mehr als 15.000 Menschen im Mittelmeer das Leben.

„Wir schicken noch ein Schiff“

Bei der „Sea-Watch 4“ habe das Bündnis so viel Unterstützung erfahren, dass man beschlossen habe: „Wir schicken noch ein Schiff“, so Sandra Bils, Gründungsmitglied von „United4Rescue“. Bedford-Strohm betonte, dass die evangelische Kirche auch in Zukunft die zivile Seenotrettung nach Kräften unterstützen werde, „solange Menschen weiter zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken und niemand sonst sie rettet.“

Das Bündnis wird sich insgesamt mit 434.000 Euro am Projekt beteiligen. Um die „Sea-Eye 4“ möglichst schnell in den Einsatz schicken zu können, hat „United4Rescue“ eine Spendenkampagne auf der Website www.wirschickennocheinschiff.de gestartet.

Gefährliche Überfahrt mangels legalen Fluchtrouten

Laut Sea-Eye-Informationen ist die spanische „Open Arms“ derzeit das einzige zivile Rettungsschiff auf dem Mittelmeer. Die anderen sechs zivilen Hochseeschiffe seien wegen angeblich technischer Mängel festgesetzt. Weil es kaum sichere, legale Fluchtwege gibt, wagten Menschen weiterhin die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer. Ein weiteres ziviles Rettungsschiff sei daher notwendig. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ignorierten ihre Pflicht zur Seenotrettung, sagte Isler. Sie weigerten sich ihrer staatlichen, humanitären Aufgabe im Mittelmeer nachzukommen.

Zugleich erinnert das Bündnis mit einem Unterwasser-Requiem an die Menschen, die weiterhin auf ihrer Flucht nach Europa ertrinken. Dabei spiele die dänische Künstlergruppe „Between Music“ die Europahymne mit Spezialinstrumenten auf dem Grund des Mittelmeers. Das Video werde am 15. November europaweit veröffentlicht. Auch appelliere „United4Rescue“ mit einer Petition an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden und sich für staatliche Seenotrettung einzusetzen.

UN: 900 Flüchtlinge starben 2020

Zuletzt sind bei zwei Bootsunglücken vor der Küste Libyens laut den Vereinten Nationen am Donnerstag fast 100 Flüchtlinge und Migranten gestorben. Damit seien in diesem Jahr auf dem Mittelmeer bereits rund 900 Menschen ums Leben gekommen, teilte eine Sprecherin der Internationalen Organisation für Migration (IOM) am Freitag in Genf mit.

Die beiden am Donnerstag verunglückten Boote hätten 140 Menschen an Bord gehabt, darunter viele Kinder und Frauen, erklärte die IOM-Sprecherin Safa Msehli. Die Boote seien gekentert. Fischer und die Küstenwache hätten 47 Menschen retten können. Den Angaben zufolge seien auch mehr als 30 Tote geborgen worden, darunter ein Kleinkind. Weitere Angaben machte die Sprecherin nicht.

Die IOM verlangt sichere Routen für Migranten und Flüchtlinge nach Europa, um weitere Bootsunglücke mit Toten zu verhindern. Das Mittelmeer sei weltweit die gefährlichste Route für Migranten und Flüchtlinge. Die Menschen stammen aus Afrika und Asien und wollen Armut und Gewalt in ihren Ländern entkommen. Die IOM mit Sitz in Genf gehört zu den UN. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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