Schulden oder Gesundheit
Corona treibt Afrika in die Finanzkrise
Die Corona-Pandemie bringt viele afrikanische Staaten in Finanznot. Die Gesundheitsausgaben steigen, während die Wirtschaft einbricht, die Schulden wachsen. Sambia ist bereits teilweise zahlungsunfähig.
Von Benjamin Dürr Dienstag, 17.11.2020, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 16.11.2020, 12:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Corona-Pandemie trifft Afrikas Wirtschaft besonders hart. Die Bekämpfung des Virus belastet die Staatskassen enorm, während die Erlöse für Rohstoff-Exporte einbrechen. Die Folgen sind wachsende Schuldenberge. Sambia im südlichen Afrika ist bereits teilweise zahlungsunfähig.
Laut der Weltbank erreichte Sambia, einer der größten Kupferproduzenten der Welt, jahrelang Wirtschaftswachstumsraten von sieben Prozent jährlich. Doch im Zuge des weltweiten Lockdowns ging die Nachfrage zurück, der Kupferpreis sank seit dem Ausbruch der Pandemie um 14 Prozent. Die sambische Währung Kwacha verlor ein Drittel an Wert, die Wirtschaftsleistung schrumpft voraussichtlich um fast fünf Prozent in diesem Jahr.
Zahlungsunfähigkeit
Gleichzeitig steigen die Gesundheitsausgaben wegen Covid-19, auch wenn das Virus in Sambia noch vergleichsweise wenig verbreitet scheint. Das Land mit 17 Millionen Einwohnern hat bis Dienstag etwa 17.000 Infizierte und 349 Tote gemeldet.
Die Schuldenlast stieg. Schon im Oktober warnte Finanzminister Bwalya Ng’andu, seinem Land drohe die Zahlungsunfähigkeit. Sambia hätte Mitte Oktober eine Zahlung von 42,5 Millionen US-Dollar (36,2 Millionen Euro) erbringen müssen, bat jedoch um ein halbes Jahr Aufschub bis zum 14. April 2021. Das Land hat bereits einen Aufschub von staatlichen Gebern bekommen. Private Gläubiger hatten am Freitag eine Verlängerung der Frist für die Schuldenrückzahlung verweigert.
IWF: Verschuldung nicht dramatisch
Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht den Fall Sambia nicht unbedingt als typisch für Afrika an. „Mit seinen Schulden befand sich das Land schon vor der Pandemie und der Wirtschaftskrise, die sie ausgelöst hat, auf einem nicht aufrecht zu erhaltenden Kurs“, sagte der IWF-Afrikadirektor, Abebe Aemro Selassie, Ende Oktober. Er hoffe, dass die Finanzmärkte nicht von Sambia auf andere Länder schließen.
Die öffentliche Verschuldung der meisten afrikanischen Länder wird als nicht sehr dramatisch eingeschätzt. Der Sudan und Eritrea haben laut IWF mit Schulden in Höhe von 212 und 174 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zwar höhere Schuldenlasten als Griechenland mit 194 und Italien mit 131 Prozent. Im Durchschnitt sind afrikanische Staaten relativ jedoch geringer verschuldet als Länder in Europa, aber wirtschaftlich schwächer.
Schulden oder Gesundheit
Finanzexperten zufolge ist für viele Länder deshalb nicht so sehr die Schuldenhöhe ein Problem, sondern die Liquidität für Zins- und Tilgungsraten. Die Regierungen müssen entscheiden, ob sie Geld für den Schuldendienst oder für die Gesundheit ausgeben. Laut IWF haben rund 36 der 70 einkommensschwachen Länder weltweit seit der Corona-Krise Schwierigkeiten, Mittel für die Begleichung ihrer Schulden aufzubringen. Ein Aufschub bei der Abzahlung der Schulden sei für viele Länder deshalb dringend notwendig, weil er ihnen eine Atempause verschaffe, sagte IWF-Afrikadirektor Selassie.
Die Mitgliedsstaaten von IWF und Weltbank sowie die großen Wirtschaftsmächte (G20) hatten im Rahmen der Entschuldungsinitiative DSSI im Frühjahr ein Moratorium für sechs Monate beschlossen, das im Oktober um ein weiteres halbes Jahr bis April 2021 verlängert wurde. Zudem bekommen die 43 derzeit teilnehmenden Entwicklungsländer sechs statt vier Jahre Zeit, um ihre Schulden zurückzuzahlen.
Ökonomin fordert langfristige Maßnahmen
Bisher nahmen jedoch nur wenige Regierungen in Anspruch, den Schuldendienst auszusetzen. Viele Länder fürchteten die negativen Folgen eines Aufschubs, schreibt der Wirtschaftswissenschaftler Misheck Mutize in Kapstadt. Denn langfristig könnte der Eindruck entstehen, die Länder seien unzuverlässige Schuldner. Zudem drohe ihnen die Herabstufung durch Ratingagenturen und damit höhere Kreditzinsen. Äthiopien wurde beispielsweise im Mai von Moody’s herabgestuft, nachdem es das Schuldenmoratorium der G20 in Anspruch genommen hatte.
Die Ökonomin Kathrin Berensmann vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn fordert langfristige Maßnahmen. Ein Aussetzen des Schuldendienstes schaffe zwar kurzfristig Erleichterung, aber löse die Ursachen nicht. „Es besteht die Gefahr, dass die Verschuldungskrise nur aufgeschoben wird“, warnt sie. Notwendig seien angemessene Kreditlaufzeiten und Zinssätze, um die Schulden für die Länder auf ein tragbares Niveau zu bringen. Die internationale Gemeinschaft trage eine Verantwortung, dass aus einer humanitären Krise nicht auch noch eine finanzielle Katastrophe wird, betont Berensmann. (epd/mig) Aktuell Ausland
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