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Kinder im griechischen Flüchtlingslager Moria in Lesbos (Archiv) © Tim Lüddemann @ flickr.com (CC 2.0), Tim Lüddemann

Häme im Netz

Laschet bricht Besuch in Flüchtlingslager Moria ab

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat Flüchtlinge in Griechenland besucht. Ein Besuch im inoffiziellen Teil des Lagers Moria wurde kurzfristig gestrichen - auf Anraten der Polizei. Laschet spricht von einem "Aufschrei der Verzweifelten" und erntet Kritik im Netz.

Mittwoch, 05.08.2020, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 04.08.2020, 17:40 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat am Dienstag einen Besuch im überfüllten Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Nach dem Besuch des Container-Bereichs war auch ein Gang der Delegation durch den sogenannten wilden Teil außerhalb des Camps geplant. Auf Anraten des örtlichen Sicherheitschefs wurde der Besuch dort jedoch kurzfristig abgesagt.

Ein Aufgebot von Sicherheitskräften schirmte Laschet nach Medienberichten vor Flüchtlingsgruppen ab, die in Sprechchören „Free Moria“ skandierten. Nach Angaben der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei besuchte Laschet später gemeinsam mit Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) das Lager Moria ein zweites Mal.

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Laschet: „Aufschrei der Verzweifelten“

Was er erlebt habe, sei ein „Aufschrei der Verzweifelten“ gewesen, sagte Laschet in einem Video-Statement, das die Staatskanzlei auf Twitter verbreitete. Er verwies darauf, dass sich die Lage unter den Pandemie-Auflagen für die Menschen deutlich verschärft habe, denn sie dürften den Ort selbst nicht mehr verlassen. Laschet würdigte es als eine große Leistung, dass es bisher gelungen sei, „dass so gut wie kein Fall von Covid-19 hier festgestellt worden ist“. Aber der Preis dafür sei für die Menschen in den Lagern sehr hoch.

„Es ist und bleibt eine Aufgabe für Europa: Wir dürfen die griechische Regierung mit dieser Situation nicht alleine lassen, auch nicht die Bewohner auf Lesbos, auch nicht die örtlichen Zuständigkeiten“, betonte Laschet. Die Europäische Union müsse jetzt wach werden.

Häme im Netz

Im Kurznachrichtendienst „Twitter“ stieß der Abbruch des Besuchs auf Kritik. Mehrere  Nutzer sprechen von einem „Missbrauch“ der Flüchtlinge für PR-Zwecke. Auch Politiker meldeten sich zu Wort. Erik Marquardt, Grünen-EU-Abgeordneter etwa schrieb: „Seit März Ausgangssperre, keine Schulbildung für die Kinder, zu wenig Wasser, Leben in überhitzten selbstgebauten Hütten. Es ist wirklich nicht verwunderlich, dass die Menschen in #Moria die #Laschet-Delegation nicht mit selbstgepflückten Blumen begrüßen, sondern demonstrieren.“ Kritik erntete Laschet auch von Matthias Lehnert, Rechtsanwalt für Migrationsrecht: „Wird jetzt auch der Aufenthalt von #Geflüchteten im Flüchtlingscamp #Moria #Lesbos aus ‚Sicherheitsgründen‘ beendet oder gilt das nur für den Ministerpräsidenten ⁦@ArminLaschet?“

Das 2015 auf einer früheren Militäranlage errichtete Aufnahmezentrum Moria ist mit mehr als 14.000 Flüchtlingen das größte Flüchtlingslager Europas und restlos überfüllt. Um das eigentliche Camp herum haben Migranten Zelte und provisorische Behausungen errichtet. Im und um das Lager kommt es immer wieder zu Gewalt unter den Bewohnern. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Gerrit sagt:

    Nun kann man darüber streiten, ob eine Reise von Herrn Laschet nach Griechenland nötig ist, um sich von eigentlich unhaltbaren Zuständen innerhalb der EU (Friedensnobelpreisträgerin) zu überzeugen. Denn dazu gibt es eigentlich genug Berichte in den Medien von UNHCR u. NGO’s, Bilder zur Dokumentation usw. usw. – ein offenes Geheimnis quasi. Somit kann man die Kritiker dieser Reise lt. Artikel gut verstehen.

    Aber -und das ist die große Hoffnung- vielleicht bewirkt ja der persönliche Eindruck des Leids vor Ort, daß ein Umdenkprozess beginnt. Vielleicht schließt sich ja NRW parteiübergreifend Initiativen von Berlin oder Thüringen an, um so Druck auf „Herrn“ Seehofer auszuüben.
    Vielleicht … und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!

    Heute morgen war in unserer örtlichen Tageszeitung ein großer Artikel über diesen Besuch und dort u.a.: „Hinzu kommt die Befürchtung mancher Politiker in Griechenland: Würden die Lager (Moria etc.) geräumt und die Bewohner verteilt, könnte es wieder zu einem verstärkten Zustrom aus der Türkei kommen. Dann würde der „abschreckend Effekt“ entfallen ?!?“.

    Das erinnert so ein wenig an finsterste Zeiten im Mittelalter, als man Kriminelle und/oder Deliquenten mit Todesstrafe öffentlich zur Schau gestellt hat, um andere Menschen abzuschrecken.

    Die Flüchtlinge in Griechenland und anderswo sind aber KEINE Verbrecher, sondern einfach nur Menschen, denen geholfen werden muss!!!

    Natürlich sind Ureinwohner auf Lesbos (und anderswo) genervt und werden so taktisch im Sinne der Politik evtl. zu Gegnern von Flüchtlingen. Aber das doch nur, weil die „große“ Politik sie im Stich lässt. Politisch ist das doch gewollt … Antistimmung produzieren!!!
    Bei Militär nennt man das psychologische Kriegsführung.

    Wir müssen einen europäischen Verteilungsschlüssel haben. Dieses Geschachere um Menschen ist unwürdig. Und wer als EU-Mitglied sich nicht daran beteiligen will, soll und muss dafür zahlen und deutlich weniger Förderungen bekommen. Noch besser wäre es, sie verlassen die EU, denn das soll (???) ja eine Wertegemeinschaft sein. Lieber eine kleinere Gemeinschaft, wo sich einer auf den anderen verlassen kann, als eine große, die teilweise nur aus nationalen Egoisten besteht und zum „Stamme NIMM“ gehören, wenn es um Förderungsmittel geht.