Ausstellung

Gequält, gefoltert und zu schwerster Arbeit gezwungen

Der Ortsname "Ohrbeck" verbreitete 1944/45 unter den Zwangsarbeitenden in der Region Osnabrück Angst und Schrecken. Dort betrieb die Gestapo eines von 300 Arbeitserziehungslagern in Europa - ein Terror-Instrument, wie zwei neue Ausstellungen zeigen. Sie beleuchten erstmals die Rolle der Gestapo für das Zwangsarbeitersystem in der NS-Zeit.

Von Freitag, 03.07.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 02.07.2020, 16:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Sie mussten in dünner Häftlingskleidung bei Regen und Kälte stundenlang draußen stehen. „Dann müssen wir Liegestütze machen und in der Kniebeuge hüpfen. Wenn einer umfällt, bekommt er es mit dem Gummiknüppel.“ So erinnerte sich 1995 der ehemalige Zwangsarbeiter B.W. aus Almelo in den Niederlanden über seine Zeit im Arbeitserziehungslager Ohrbeck im Sommer 1944. Unter den Zwangsarbeitern im Nordwesten Niedersachsens galt das von der Gestapo betriebene Lager in Hasbergen bei Osnabrück als Ort des Schreckens. Zwei neue Ausstellungen in dem ehemaligen Lager und der früheren Gestapo-Zentrale in Osnabrück beleuchten erstmals in Deutschland, wie die Gestapo im Dritten Reich ausländische Zwangsarbeiter verfolgte, inhaftierte, drangsalierte und auch tötete.

Die Ausstellungen werden in der „Gedenkstätte Augustaschacht“ auf dem Gelände des ehemaligen Lagers Ohrbeck und in der „Gedenkstätte Gestapokeller“ in Osnabrück am 3. Juli offiziell eröffnet. Für die Öffentlichkeit ist ein Besuch ab dem 7. Juli möglich. Der Start hat sich coronabedingt um drei Monate verzögert. Ursprünglich war er für den 1. April vorgesehen, den Jahrestag der Auflösung des Lagers. „Die Ausstellungen sollen das Prinzip der Arbeitserziehungslager als dritter Säule des NS-Terrorsystems verdeutlichen“, erläutert Gedenkstättenleiter Michael Gander. Die Erziehungslager seien neben den Konzentrationslagern und der Justiz ein wichtiges Machtinstrument der Nazis gewesen. Beide Schauen sind aufeinander bezogen und tragen den Titel „Polizeigewalt und Zwangsarbeit“.

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Die Gestapo betrieb während des Zweiten Weltkrieges rund 300 Arbeitserziehungslager in Deutschland und Europa. Dort wurden ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die die geforderten Leistungen nicht erbrachten oder versucht hatten, zu fliehen, für einige Wochen interniert. Sie wurden gequält, gefoltert, litten unter der mangelhaften Versorgung und mussten unter Lebensgefahr besonders schwere Arbeiten verrichten. Viele starben.

„Pass auf, dass du nicht nach Ohrbeck kommst.“

Die übrigen sollten als gebrochene Menschen zu ihren ursprünglichen Arbeitsstätten zurückkehren, sagt Gander. „Diese Lager dienten vor allem der Abschreckung und machten die Zwangsarbeit erst möglich.“ Unter den Zwangsarbeitenden in der Region Osnabrück soll der Satz die Runde gemacht haben: „Pass auf, dass du nicht nach Ohrbeck kommst.“

Öffnungszeiten Gedenkstätte Augustaschacht (Zur Hüggelschlucht 4, 49205 Hasbergen) ab dem 7. Juli : Februar – Oktober: Montag–Freitag 14–17 Uhr, Sonntag 11–17 Uhr, November – Januar: Montag–Freitag 14–17 Uhr, Sonntag 13–16 Uhr. Öffnungszeiten Gedenkstätte Gestapokeller (Schloss Osnabrück, Westflügel, Neuer Graben 29, 49074 Osnabrück) ab dem 7. Juli: Sonntag 14–17 Uhr Der Eintritt in die Gedenkstätten ist frei.

Neueste Forschungsergebnisse für die Schau liefert der Historiker Christoph Rass von der Universität Osnabrück. Er hat mit einem Team erstmals eine von bundesweit nur sechs erhaltenen Gestapo-Karteien mit neuester digitaler Technik ausgewertet. In Osnabrück lasse sich damit „wie an keiner anderen Stelle ein differenziertes Bild über die Repressalien der Gestapo erstellen“, sagt Rass.

Schuld: Kind mit einer deutschen Frau

So wurde etwa der „Holländer“ Siepbrand Hopmann ins Arbeitserziehungslager „auf die Dauer von 6 Wochen überstellt“. Er hatte „seine Arbeitsstelle unberechtigt verlassen und versuchte, illegal nach Holland auszureisen“, heißt es auf der Karte Nr. 16422. Die „Sonderbehandlung“ des polnischen Landarbeiters Joseph Grzeskowiak ist auf Karte Nr. 13089 dokumentiert. Er hatte mit einer deutschen Frau ein Kind. „Die Exekution hat am 28.4.42 stattgefunden“, lautet lapidar der letzte Vermerk.

Das Arbeitserziehungslager Ohrbeck hatte die Osnabrücker Gestapo 1944/45 in einem ehemaligen Schachtgebäude betrieben. Sowohl das ehemalige Lager als auch der frühere Gestapokeller im Osnabrücker Schloss sind bereits seit Jahren Gedenkstätten. Die jeweiligen Gebäude sind trotz verschiedener Nachnutzungen im Wesentlichen erhalten geblieben.

Reale Räumlichkeiten

Besucher sollen sich in den realen Räumlichkeiten, etwa Gefängniszellen, Schlafsälen oder Zimmern für die Wachmannschaften, ein Bild von den damaligen Verhältnissen machen, sagt Michael Gander. „Wir wollen vor allem die Orte für sich sprechen lassen und die Besucher nicht mit zu vielen geschichtlichen Details abschrecken, die sich jederzeit im Internet nachlesen lassen.“

Besucher werden selbst in der Gestapo-Datenbank mit Informationen über 48.000 Personen recherchieren können. Zeitzeugenberichte von Häftlingen und Biographien von Gestapo-Beamten sollen die Menschen hinter den Schicksalen und Taten erkennbar machen. „Wir wollen Schwarz-Weiß-Malerei verhindern. Die Täter waren nicht alle Sadisten und Idioten.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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