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Besucher im Konzentrationslager Auschwitz © Jeff Noble @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Antisemitismus

Immer mehr rechtsradikale Vorfälle in KZ-Gedenkstätten

Die Zahl der Besucher in KZ-Gedenkstätten steigt, damit auch rechtsradikale Vorfälle. Die Gedenkstätten-Leiter beobachten zunehmend geschichtsrevisionistische Auffassungen und Antisemitismus unter den Besuchern.

Montag, 27.01.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.01.2020, 15:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die großen KZ-Gedenkstätten in Deutschland haben im Jahr 2019 erneut mehr Besucher gehabt. Das ergab eine Umfrage des „Evangelischen Pressedienstes“ bei den Gedenkstättenbetreibern kurz vor dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar. So meldete die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Dachau knapp 900.000 Besucher. Das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen bei Potsdam besuchten mehr als 700.000 Menschen, wie die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten mitteilte. Die Tendenz sei sogar weiter steigend, die Belastungsgrenze für Personal und Infrastruktur bereits erreicht.

In Berlin stieg die Besucherzahl bei der Stiftung Topographie des Terrors, auf deren Gelände sich die ehemalige Gestapo-Zentrale befindet, zum siebten Mal in Folge über eine Million: 1,3 Millionen Menschen kamen 2019. Auch die Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand verzeichnete ein Besucherplus von 13.500 auf 255.111. Grund sei der 75. Jahrestag des Hitlerattentats am 20. Juli 1944.

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In der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bei Hamburg steigen die Besucherzahlen seit 1990 kontinuierlich. 123.000 Personen kamen 2019. Zum Vergleich: 1990 kamen 32.687 Menschen, im Jahr 2000 46.577. Das ehemalige Konzentrationslager Bergen-Belsen in Niedersachsen verzeichnet konstante Besucherzahlen, 2019 kamen rund eine Viertelmillion Menschen.

Rechtsextreme Vorfälle in Gedenkstätten

Nennenswerte antisemitische Zwischenfälle gab es 2019 nicht zu vermelden. Mehrere Gedenkstättenleiter beobachten seit einigen Jahren jedoch eine zunehmende Tendenz einzelner Besucher zu geschichtsrevisionistischen Auffassungen und sekundärem Antisemitismus.

„In den Besucherbüchern finden sich zunehmend Eintragungen, die Nationalsozialismus und auch die Konzentrationslager als sinnvoll und gut für die Deutschen bewerten.“

So auch der Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Volkhard Knigge. Nicht die Zahl der rechtsextremen Vorfälle nehme zu, dafür aber die Radikalität, sagte Knigge der „Neuen Westfälischen“. „In den Besucherbüchern finden sich zunehmend Eintragungen, die Nationalsozialismus und auch die Konzentrationslager als sinnvoll und gut für die Deutschen bewerten.“ Äußerungen wie „wären die Lager noch in Betrieb, hätten wir kein Ausländer-Problem“ ließen sich dort lesen.

Rechte schmuggeln sich unter Besuchergruppen

„Das ist ernstzunehmendes Indiz, dass etwas wegbricht an Geschichtsbewusstsein, an mitmenschlicher Sensibilität und an politisch-demokratischer Orientierung“, mahnte der Historiker. Zudem komme es in der Gedenkstätte immer wieder zu „gezielten, vorbereiteten Störungen von Besucherführungen“. Rechte schmuggelten sich unter Besuchergruppen und warteten einen günstigen Moment ab, um Opferzahlen infrage zu stellen oder den Holocaust zu leugnen. Häufig werde das gefilmt.

So profilierten sich die Täter im eigenen Umfeld, erklärte Knigge. Gleichzeitig sollten die anderen Besucher eingeschüchtert und lächerlich gemacht werden. „Das darf man sich natürlich nicht gefallen lassen.“ Als Reaktion auf derartige Vorfälle wurde die Besucherordnung in Buchenwald verschärft.

Revisionisten suchen Belege

Der Leiter der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Jens-Christian Wagner, berichtet über ein Beispiel aus Bergen-Belsen: Auf dem 1946 errichteten jüdischen Mahnmal in der Gedenkstätte heißt es, dort seien 30.000 Juden ermordet worden. In Publikationen der Gedenkstätte ist von 52.000 toten KZ-Häftlingen die Rede, von denen etwa die Hälfte Juden waren. Die Diskrepanz lasse sich darauf zurückführen, dass 1946 noch keine genauen Zahlen vorlagen. Für Revisionisten sei dies ein Beleg dafür, dass in der Gedenkstätte wie überhaupt in der Erinnerungskultur Lügen verbreitet würden.

Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz in Polen befreit. Seit 1996 wird zu diesem Datum der Holocaust-Gedenktag begangen. In Deutschland gibt es Dutzende KZ-Gedenkstätten, hinzu kommen viele weitere Erinnerungsstätten für die Verbrechen der Nationalsozialisten. Rund sechs Millionen europäische Juden wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Verfolgt und in großer Zahl getötet wurden auch Regimegegner, überzeugte Christen, Sinti und Roma und Homosexuelle. (epd/mig) Aktuell Panorama

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