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Deutsch lernen für einen guten Job

Integrationskurse zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Sprachkenntnisse sind fundamental wichtig für Einwanderer. Nur etwa die Hälfte der Absolventen von Integrationskursen erreicht das höchste Kursziel. Experten sehen Mängel im System: Inhalte hätten mit der Lebenswirklichkeit der Menschen nichts zu tun .

Von Martina Schwager Dienstag, 15.10.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.10.2019, 17:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Georgios Antonellis (21) sorgt in seiner Klasse gern für Lacher. „Wodka und Wein“, antwortet der Grieche mit einem Augenzwinkern auf die Frage seiner Sitznachbarin, welche Getränke sie für die gemeinsame Tour einkaufen sollten. Das Motto ihres Dialogs lautet „Ein Ausflug mit dem Rad“. Die Teilnehmer des Integrationskurses für Zugewanderte der Volkshochschule Osnabrücker Land sollen das freie Sprechen üben. Ende November steht die Prüfung an. Antonellis und die Rumänin Timona Ursu (23) meistern die Aufgabe ohne Probleme. „Das ist ein starker Kurs“, lobt Lehrerin Marta Szmuk (62).

Dennoch werden wahrscheinlich nicht alle zwölf Teilnehmer die Prüfung bestehen. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), haben 2018 bundesweit nur etwas mehr als die Hälfte der Absolventen das höchste Kursziel B1 erreicht, ein Drittel das niedrigere Level A2.

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Inhalte und Lebenswirklichkeit klaffen auseinander

Das Integrationskurssystem in Deutschland wird vom Bamf koordiniert. Es vermittelt EU-Bürger ebenso wie Flüchtlinge oder andere Einwanderer. Der Anteil der B1-Absolventen ist seit 2015 kontinuierlich gesunken. Dafür macht das Amt vor allem die gestiegene Zahl der Analphabeten verantwortlich, die spezielle Kurse besuchen und kaum das B1-Niveau erreichen.

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Experten sehen aber auch Mängel im System. Andrea Daase, Sprachwissenschaftlerin an den Universitäten Bielefeld und Bremen, kritisiert, die Niveaustufen seien zu starr und die Tests zu standardisiert. Sie stammten aus der Fremdsprachenpädagogik und würden den individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Einwanderer nicht gerecht. Viele Inhalte hätten mit der Lebenswirklichkeit der Menschen nichts zu tun und seien für sie unverständlich.

Viele Einwanderer täten sich schwer mit dem Unterrichts- und Prüfungssystem, berichtet auch Abteilungsleiterin Tanja Pöhler von der VHS Osnabrücker Land. Zahlreiche Flüchtlinge müssten sich überhaupt erst an selbstständiges Lernen mit Büchern gewöhnen. Der Prüfungsdruck führe mitunter zu bizarren Ergebnissen: „Teilnehmer lernen Beispieltests aus dem Internet auswendig und geben sie eins zu eins wieder.“

Wer nicht gut Deutsch spricht, landet bei einer Zeitarbeitsfirma

Das Bamf erklärt auf seiner Homepage, dass die Kursangebote kontinuierlich an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Teilnehmer angepasst würden, unter anderem mit Kursen für unterschiedliche Zielgruppen, Qualifizierung der Lehrenden für den Umgang mit Traumata und der Förderung von Lern- und Sozialbegleitung.

Kursleiterin Szmuk übt in diesen Wochen im Unterricht mit ihren Schülern für die Prüfung. Der Test sei auch Lernmotivation, sagt sie. Immerhin ist das B1-Zertifikat Voraussetzung für die Teilnahme an weiteren Sprachkursen für Beruf oder Studium. So möchte Albashayer Alkhuder (21) aus Syrien ihr Pharmazie-Studium fortführen, das sie mit der Flucht vor dem Krieg abbrechen musste. Niramon Niemeyer (33) aus Thailand hofft auf eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Liliana Kurea (50) aus Rumänien bringt ihre Motivation so auf den Punkt: „Wer nicht gut Deutsch spricht, landet bei einer Zeitarbeitsfirma.“

Tanja Pöhler von der VHS hält die Kursdauer von 600 Stunden für zu kurz. Ursprünglich seien die 2005 erstmals angebotenen Integrationskurse mit 1.000 Stunden gestartet, sagt sie.

Vermittlung mangelhaft

Katja Bielefeld, Leiterin des Migrationszentrums im Landkreis Osnabrück, sieht bei der Vermittlung in die Kurse durch das Bamf mit Hilfe von Einstuftungstests Mängel. „Die Behördenmitarbeiter kennen weder die Personen noch die Gegebenheit vor Ort.“ Erreichbarkeit mit dem Bus, Kinderbetreuung in Randstunden, Schichtarbeit, chronische Erkrankungen, psychische Probleme – all das bleibe unberücksichtigt. Die Folge: Kursteilnehmer springen ab.

Der Landkreis steuere mit einem eigenen Projekt gegen, das auch von anderen Kommunen schon angefragt worden sei, sagt Bielefeld: Im „Kooperativen Integrationsmanagement für Migranten“ achten Experten vor Ort darauf, dass die Bedürfnisse der Einwanderer bei der Kurszuweisung berücksichtigt werden.

Im Kurs von Marta Szmuk haben bislang alle durchgehalten – auch Merwan Kanjo (37), der schon vor 19 Jahren aus Syrien kam und sich ein Deutsch mit vielen Fehlern angeeignet hat. Oder Sergio Karakas (34) aus Moldawien, der nach dem Unterricht jede Nacht als Lkw-Fahrer arbeitet. Die Kursleiterin ist zuversichtlich: „Sehr viele werden die B1-Prüfung schaffen.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama

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  1. Oli sagt:

    Vielen Dank für derartige Artikel, die so ganz anders klingen als die sehr optmistischen BAMF-Berichte, die teilweise die Probleme nennen, sie dann aber relativieren. „Nur die Hälfte der Integrationskursteilnehmer schafft das angestrebte Niveau B1“ verstellt den Blick darauf, dass die Prüfungsergebnisse oft nicht standhalten. Rund 65% der Teilnehmern in Allgemeinen Integrationskursen (also nicht Alpha- sprich Super-Problem-Kraut-und-Rüben-Kurs) „schaffen“ in der Prüfung B1 den Teil „Sprechen“, dessen bewertung sehr weitgehend im Ermessen der Prüferinnen. – Ein Forscherteam des Leibniz-Instituts hat eigene Berwertungen von Integrationskursteilnehmern nach „erstem Durchgang“ im IK, 600 Unterrichtstunden gemacht: 2% konnte das B1-Niveau (B1 ist Anfang Mitelstufe) bescheinigt werden!
    Wenn es um Schreiben und Leseverstehen ginge, wären die Ergebnisse noch niederschmetternder. Das BAMF zog bisher die Konsequenz daraus, noch immer mehr unsinnigere Kurse dieser Art (DeuFö – Berufsbezogene Deutschförderung) zu veranstalten, zu denen die JobCenter dann die Leute verpflichten.