Muslimische Rohingya

Ohne Perspektive in Bangladesch

Vor einem Jahr flohen Hunderttausende muslimische Rohingya vor einer blutigen Militäroffensive aus Myanmar nach Bangladesch. In den Flüchtlingscamps dort kommen sie bis heute nicht zur Ruhe. Von Nicola Glass

Von Nicola Glass Freitag, 31.08.2018, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 03.09.2018, 18:19 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Hals über Kopf mussten wir unsere Heimat verlassen“, sagt Alinesa, die der Hölle in Myanmar mit ihren zwei Kindern entkam. Soldaten mordeten, vergewaltigten, folterten und machten ihr Dorf dem Erdboden gleich. Nach Monaten habe sie immer noch die brennenden Häuser vor Augen und das Dröhnen der Schüsse in den Ohren, schildert die Rohingya-Frau ihre anhaltenden Qualen. Ihren vollen Namen möchte sie nicht genannt wissen.

Mehr als 700.000 Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit flüchteten wie Alinesa seit Ende August vergangenen Jahres vor der brutalen Militäroffensive in ihrer Heimat ins Nachbarland Bangladesch. Etwa 70 Prozent von ihnen sind Frauen und Kinder. In den Camps von Cox’s Bazar, in denen nach mehreren Wellen gewaltsamer Vertreibung aus Myanmar nun eine Million Rohingya ausharren, versuchen sie, wieder Hoffnung zu schöpfen.

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Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe

Dabei helfen ihnen Sozialarbeiter wie Rohima Begum. Die junge Frau mit der schwarzen Kleidung und dem pinkfarbenem Kopftuch ist für das katholische Hilfswerk Caritas tätig. Wichtig ist zunächst eine Atmosphäre des Vertrauens – schwer für die traumatisierten Flüchtlinge. In Gesprächen versichert Rohima Begum den Menschen immer wieder: „Wir sind für euch da, habt keine Angst.“

In Krisen und Konflikten sind Frauen und Kinder oft besonders gefährdet. Vor allem dann, wenn Täter wie myanmarische Soldaten und Milizen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe einsetzen. Mitte Mai verwiesen Hilfsorganisationen darauf, dass Zehntausende Frauen in den Flüchtlingslagern von Bangladesch bald ein Kind zur Welt bringen werden. Viele von ihnen seien Vergewaltigungsopfer. Andere Frauen machten sich schon als Schwangere auf die Flucht. Bis Mai seien in den Camps bereits mehr als 16.000 Babys zur Welt gekommen, meldeten die Helfer. Aber der Platz ist begrenzt.

Noch immer keine Sicherheit

In Sicherheit sind die Rohingya, und vor allem die Frauen und Kinder, trotz aller Bemühungen beileibe nicht. Auch in den Lagern drohen ihnen große Gefahren: Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung. Die Internationale Organisation für Migration erklärte Ende Juli, sie habe bislang 78 Opfer von Menschenhandel identifiziert. Sie geht aber von einer beträchtlichen Dunkelziffer aus.

Wege aus dem Lager gibt es kaum. Das buddhistisch dominierte Myanmar verweigert den Rohingya die Bürgerrechte, und das muslimische Bangladesch, das zu Recht für seine offenen Grenzen gelobt wird, registriert sie nicht offiziell als Flüchtlinge. So könnten Erwachsene sich kein Leben außerhalb der Camps aufbauen und Kinder keine reguläre Schule besuchen, kritisiert Bill Frelick, Flüchtlingsexperte der Organisation Human Rights Watch.

Sorge bereitet das Wetter

Zwar gebe es sogenannte Lernzentren, die hielten aber nur zwei Stunden Unterricht täglich. Auch besuche bloß ein Viertel der schulpflichtigen Kinder diese Zentren. Somit erhielten etwa 400.000 Kinder und Jugendliche keine richtige Ausbildung. Gerne würde er arbeiten oder sich weiterbilden, sagt der junge Mohammed Akram wehmütig. Helfer vor Ort sprechen von einer verlorenen Generation.

Sorge bereitet den Hilfsorganisationen auch das Wetter. Schon vor der Monsunzeit wurde versucht, die Flüchtlinge vor Erdrutschen und Tropenstürmen zu schützen und die zumeist notdürftigen Behausungen zu befestigen. Das aber erlaubt das arme Bangladesch nur bis zu einem gewissen Grad. Keinesfalls will die Regierung den Eindruck erwecken, dass hier dauerhafte Unterkünfte entstehen. Nach außen beharrt Dhaka darauf, dass die Aufnahme Hunderttausender Rohingya nur vorübergehend ist, um den Druck auf Myanmar aufrecht zu erhalten.

Myanmars Völkermord

Indes hat Myanmar wohl entgegen aller öffentlichen Beteuerungen keine Absicht, die Menschen wieder aufzunehmen. So war die Militäroffensive, die viele Kritiker mittlerweile als Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnen, nach Recherchen von Menschenrechtlern von langer Hand vorbereitet.

Die Organisation „Fortify Rights“ dokumentierte kürzlich Massenmorde, Vergewaltigungen und Brandanschläge durch Soldaten bereits 2016. Dies widerspreche der Darstellung Myanmars, wonach die Offensive „spontan“ initiiert worden sei, nachdem die militante Rohingya-Organisation Arsa vor einem Jahr Polizeiposten angegriffen hatte. Wie alle anderen Flüchtlinge betont auch Mohammed Akram: „Wir gehen nur zurück, wenn Myanmar uns die Staatsbürgerschaft garantiert.“ (epd/mig) Aktuell Ausland

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  1. serval sagt:

    Das zeigt wieder einmal, was für eine im Grunde nutzlose Organisation die Vereinten Nationen sind, deren Pflicht es wäre, dafür zu sorgen, daß die Rohingya wieder in ihre Heimat zurückkehren und dort in Sicherheit leben können.