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Kämpferin fürs Kopftuch

Der „Kopftuchstreit“ ist für Fereshta Ludin noch nicht beendet

Vor 20 Jahren wurde die Referendarin Fereshta Ludin nicht in den baden-württembergischen Schuldienst übernommen, weil sie ein Kopftuch trug. Sie zog vor Gericht. Damit begann eine Debatte, die bis heute andauert. Von Judith Kubitscheck

Von Judith Kubitscheck Donnerstag, 12.07.2018, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.07.2018, 17:49 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Nur selten huscht ein Lächeln über das Gesicht von Fereshta Ludin. Ernst blickt die Frau in die Runde, die zum Symbol des sogenannten Kopftuchstreites wurde. Sie trägt ein cremefarbenes Tuch, das individuell gebunden ist und den Kopf, aber nicht den Hals bedeckt. Mit leiser Stimme erzählt sie, wie alles begann: dass sie ihr Referendariat sehr erfolgreich abschloss und ihre Schule sie als Lehrerin übernehmen wollte. Doch dann entschied das Stuttgarter Oberschulamt am 13. Juli 1998, sie wegen ihres Kopftuches nicht in den Schuldienst zu übernehmen.

Die Deutsche afghanischer Herkunft ging vor Gericht und klagte sich durch alle Instanzen. Diese Jahre seien für sie eine schwierige Zeit gewesen, über die sie ungern rede, erklärt Ludin. „Weil mein Wohnort bekannt war, gab es Telefonterror, fremde Menschen klingelten an meiner Wohnungstür.“ Sie stockt, Tränen schießen ihr in die Augen. Der Zentralrat der Muslime unterstützte Ludin in dem Rechtsstreit, was sie in Augen von Kritikern zu deren Gesinnungstäterin machte. Ludin sagte dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ 2015, dass sie damals den Zentralrat um Hilfe bat, weil sie die Finanzierung der Anwaltshonorare überfordert hätten. Sie sei bis heute kein Mitglied dieses islamischen Verbandes.

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Stigmatisierung

Info: Autobiografie: Fereshta Ludin, Sandra Abed, Enthüllung der Ferestha Ludin: Die mit dem Kopftuch, Deutscher Levante Verlag 2015, 376 Seiten

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Stimmen wie die der damaligen baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU), das Kopftuch sei ein Symbol für politischen Islamismus, kulturelle Abgrenzung und stehe für eine Geschichte der Unterdrückung der Frau, empfand Ludin als stigmatisierend. „Der Staat übernahm den Deutungsanspruch, was das Kopftuch bedeutet“, kritisiert sie. Wie sie selbst dagegen das Kopftuchtragen begründet, lässt sie offen und vage: „Wir können nicht festlegen, wofür es steht, jede von uns würde damit etwas anderes verbinden.“ Sie selbst trage das Kopftuch aus einem religiösen Grund, außerdem gebe es ihr Ruhe, Gelassenheit und Glück.

Im Jahr 2003 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Tragen eines Kopftuchs ohne gesetzliche Grundlage nicht verboten werden kann. Damit gewann Ludin den Prozess, aber das Urteil sorgte genau für das Gegenteil von dem, was sie erreichen wollte: In der Folge führten insgesamt acht Bundesländer Verbotsregelungen für Kopftücher bei Lehrerinnen an staatlichen Schulen ein, allen voran Baden-Württemberg. Dass durch ihr Prozessieren anderen muslimischen Glaubensschwestern die Berufsperspektive Lehrerin verbaut wurde, belastete Ludin damals sehr, wie sie in ihrer Autobiografie schreibt.

Kein pauschales Kopftuchverbot

Ihren eigentlichen Sieg trug Ludin davon, als zwölf Jahre später das höchste Gericht in Karlsruhe entschied, dass Kopftuchverbote unter anderem wegen des Rechts auf Religionsfreiheit nicht pauschal gelten dürfen. Seitdem gibt es in vielen Bundesländern einzelne Lehrerinnen, die mit Kopftuch unterrichten. Doch dieses Urteil ist für die Grund- und Hauptschullehrerin noch kein Grund zum Feiern: Noch immer würden viele Menschen Musliminnen als Fremde wahrnehmen, als „die mit dem Kopftuch“, beklagt sie. „Wenn Politiker im Bundestag von ‚Kopftuchmädchen‘ sprechen, fühle ich mich elend“.

Bis heute sorgt das Kopftuch für juristischen Konfliktstoff: Im Grundgesetz ist zwar die Religionsfreiheit verankert, zu der das Recht gehört, sich auch religiös kleiden zu können. Zugleich sind der Staat und seine Beamten aber zur religiösen Neutralität verpflichtet. Diese Rechtsgüter müssen Landesregierungen und Gerichte abwägen. Für den Justizbereich haben einige Bundesländer bereits das Tragen von religiösen Symbolen im Gericht untersagt, das Land Nordrhein-Westfalen plant, ähnliche Vorschriften einzuführen.

Lehrerin an einer islamischen Grundschule

Seit 20 Jahren lebt Ludin in Berlin, dem einzigen Bundesland, in dem für Frauen mit islamischen Kopftuch aufgrund des Neutralitätsgesetzes ein generelles Unterrichtsverbot an staatlichen Schulen gilt. „Frauen sollten weder unter familiären, gesellschaftlichen oder staatlichen Druck stehen, sich für oder gegen ein Tuch zu entscheiden“, ist Ludin überzeugt.

In Berlin-Kreuzberg unterrichtet sie als Grundschullehrerin an einer staatlich anerkannten islamischen Grundschule, dem Islam Kolleg, das zur Islamischen Föderation Berlin gehört. In der Schule werden Schülerinnen und Schüler im Sexualkunde- und Schwimmunterricht sowie ab der fünften Klasse im Sportunterricht getrennt unterrichtet, wie die Schule auf ihrer Webseite mitteilt. Immer wieder überlegt die 1972 geborene Pädagogin Ludin wie es wäre, wenn sie damals in den Schuldienst übernommen worden wäre, erzählt sie. „Mein ganzes Leben wäre völlig anders verlaufen.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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