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Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten (Symbolfoto)

Anker-Zentren in der Kritik

Diskussion um Pläne für Asylzentren geht weiter

Aus CDU-geführten Bundesländern kommt Unterstützung für die geplanten Anker-Zentren für Asylbewerber. Kritiker solcher Massenunterkünfte befürchten aber, dass es dort zu mehr Frust und Gewaltbereitschaft kommen könnte.

Montag, 07.05.2018, 6:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 13.05.2018, 18:56 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat die SPD-Führung aufgerufen, Bundesländer mit sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung zur Einführung sogenannter Anker-Zentren zu bewegen, um die Abschiebung von Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive zu beschleunigen. „Für die SPD stellt sich hier eine Führungsfrage“, sagte Kramp-Karrenbauer dem Berliner „Tagesspiegel“. Den Sozialdemokraten müsse klar sein, dass es um eine nationale Aufgabe gehe. Die CDU-geführten Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt signalisierten unterdessen Unterstützung für die Pläne von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

„Man kann nicht von schnellen Verfahren reden und dann zulassen, dass das Vereinbarte von eigenen Länder-Verantwortlichen nicht umgesetzt wird“, sagte Kramp-Karrenbauer. Zweck der Anker-Zentren sei es, schnell festzustellen, wer eine Bleibeperspektive habe und wer nicht. Ein Großteil der Asylbewerber habe keine Chance auf Anerkennung und müsse deshalb zurückkehren.

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Ministerium weist Kritik zurück

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), sagte der „Welt am Sonntag“, er unterstütze Seehofer ausdrücklich dabei, mit den Bundesländern solche Zentren für ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber zu entwickeln. „Auch um sicherzustellen, dass sich solche Szenen wie in Ellwangen nicht wiederholen“, sagte er mit Blick auf den Polizei-Großeinsatz in der Flüchtlingsunterkunft in Baden-Württemberg. Wenn der Eindruck entstehe, „dass die Polizei die Sicherheitslage nicht im Griff hat oder vor einem Mob zurückschreckt, hat das fatale Folgen“, warnte der Ministerpräsident.

Das Bundesinnenministerium wies unterdessen Befürchtungen zurück, die Anker-Zentren könnten weitere Fälle wie in Ellwangen provozieren. „Das sehen wir nicht so“, sagte eine Sprecherin am Freitag in Berlin. Um die Sicherheit in den geplanten Anker-Zentren zu gewährleisten, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Ländern Unterstützung durch die Bundespolizei angeboten.

Am Donnerstag hatte Seehofer erste Pläne für die Einrichtungen, in denen Asylverfahren bis zur möglichen Abschiebung abgewickelt werden sollen, präsentiert. Im Herbst sollen seinen Plänen zufolge bis zu sechs Test-Einrichtungen an den Start gehen.

Polizeigewerkschaft: Anker-Zentren begünstigen Gewalt

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, lehnte indes eine Bewachung von Anker-Zentren durch die Bundespolizei ab. „Wir wollen solche Zentren nicht bewachen. Wir sind ausgebildete Polizeibeamte und kein Wachpersonal“, sagte er am Freitag im Bayerischen Rundfunk. „Wir wissen gar nicht, warum wir Menschen, die hier Asylanträge gestellt haben, bewachen müssen, ihnen also die Freiheit nehmen müssen“, fügte Malchow hinzu. „Die Leute müssen beschäftigt werden. Sie dürfen da nicht rumlungern und nur verwahrt werden, das führt zu Aggressivität“, warnte der GdP-Chef.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der „Passauer Neuen Presse: „Weder die Bundes- noch die Landespolizei verfügen über die personellen Kapazitäten, um solche Anker-Zentren mit zu sichern.“ Der stellvertretende GdP-Vorsitzende, Jörg Radek, sagte „Focus Online“: „Anker-Zentren machen es erst möglich, dass solche Strukturen und Dynamiken entstehen, wie wir sie jetzt in Ellwangen erlebt haben.“ Nötig seien hingegen mehr Polizisten, die sich um Rückführungen kümmern können.

In der Nacht zu Montag hatten rund 150 Bewohner der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen die Abschiebung eines 23-jährigen abgelehnten Asylbewerbers aus Togo zunächst gewaltsam verhindert. Am Donnerstagmorgen stürmte die Polizei die Flüchtlingsunterkunft mit einem Großaufgebot und nahm den Afrikaner fest. Der Einsatz sorgte für eine Diskussion über die Sicherheit in den geplanten Anker-Zentren.

Innenministerium: 40-50 Anker-Zentren

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte der „Sächsischen Zeitung“, der Freistaat werde bereits in der Pilotphase ein Anker-Zentrum einrichten. In den von der Bundesregierung geplanten Anker-Zentren soll das komplette Asylverfahren von Flüchtlingen abgewickelt werden. Zunächst sollen im Rahmen einer Pilotphase bundesweit im Herbst bis zu sechs Zentren an den Start gehen. „Anker“ ist die Kurzform für Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtung.

Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium Helmut Teichmann sagte der „Bild am Sonntag“: „Wir rechnen mit einem Bedarf von bundesweit 40 bis 50 Anker-Zentren. Die Anzahl richtet sich nach den Zuwanderungszahlen und der Anzahl der Asylanträge.“ Geplant sind demnach Zentren mit jeweils bis zu 1.500 Flüchtlingen.

Auf Kritik stoßen die Pläne bei den Grünen. „Masseneinrichtungen sorgen für mehr Stress, der dann zu Überreaktionen führen kann“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der „Bild am Sonntag“. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte dem Blatt: „Ich halte die Kapazität von 1.000 bis 1.500 Flüchtlingen für zu hoch, da es bei dieser Größe viel Konfliktpotenzial geben könnte.“ Auch FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte dem SWR, solche großen Zentren seien nur zu verantworten, wenn „die Verfahren ähnlich schnell sind wie in anderen Ländern“.

NRW unentschlossen

Die nordrhein-westfälische Landesregierung befürwortet zentrale Aufnahmeeinrichtungen grundsätzlich. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte am Freitag allerdings erklärt, dass über eine Beteiligung an den Anker-Zentren noch nicht entschieden sei. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) sagte der „Welt“, es komme darauf an, ob es sich um reine Abschiebezentren handele oder ob die Einrichtungen zu einer deutlichen Verfahrensbeschleunigung beitrügen. „Wenn Letzteres der Fall ist, können wir uns vorstellen, uns entsprechend zu beteiligen.“

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies Kritik an den Anker-Zentren zurück. „Deutschland ist doch heute das einzige Land, in das man leichter reinkommt als wieder raus“, sagte er der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“. Einer solchen „Politik des Reinwinkens“ habe der Koalitionsvertrag eine klare Absage erteilt.

Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der „Welt“ befürworten mehr als drei Viertel der Deutschen (77 Prozent) die Anker-Zentren. 18 Prozent sprachen sich dagegen aus, fünf Prozent zeigten sich unentschlossen. (epd/mig) Leitartikel Politik

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