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Visum © Ken Mayer auf flickr, CC2.0, bearb. MiGAZIN

Menschlich schwierige Regelungen

Wenn Familienbesuche der Visumpflicht unterliegen

Wer sich in Deutschland einbürgern lassen will, muss seinen alten Pass abgeben. Familienbesuche in der alten Heimat sind dann nicht selten nur noch mit Visum möglich. Die Bundesregierung spricht von „menschlich schwierigen“ Fällen, will aber nichts ändern.

Mittwoch, 14.06.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 20.06.2017, 17:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Dimitri K. (Name geändert) (46) ist deutscher Staatsbürger. Bei seiner Einbürgerung vor zwei Jahren musste seinen russischen Pass abgeben. Das stellt ihn heute vor ein Problem: Seine im russischen Jaroslawl lebende Mutter liegt schwererkrankt im Bett und möchte seinen Sohn noch ein letztes Mal sehen. Dimitri K. würde sich am liebsten in den nächsten Flieger setzen, doch er braucht ein Visum, das er so schnell nicht bekommt.

Das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz verlangt von Einbürgerungsbewerbern die Aufgabe ihrer bisherigen Staatsbürgerschaft. Den Pass behalten dürfen Bürger aus einem der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Personen, bei denen der Verzicht auf die frühere Staatsangehörigkeit unmöglich oder unzumutbar ist. Wer zufällig nicht unter diese Ausnahmen fällt, dem bleibt die doppelte Staatsbürgerschaft verwehrt.

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Bei plötzlichen Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit oder bei Todesfällen stehen viele eingebürgerte Deutsche vor Problemen wie Dimitri K. Wer als Deutscher ein Visum für die Einreise in das Heimatland seiner Eltern braucht, kann in Notfällen nicht schnell reagieren. Hinzu kommt, dass Visa in der Regel zeitlich befristet ausgestellt werden, was bei längerfristiger Pflegebedürftigkeit zu einem Problem wird.

Grüne: Verbot der Mehrstaatigkeit fallenlassen

Wollte Dimitri K. seine Mutter nach Deutschland holen, um sie zu pflegen, stünde er vor einem noch größeren Problem. Denn auch der Weg nach Deutschland unterliegt der Visumpflicht. Die Gesetze machen bei ausländischen Eltern von deutschen Staatsbürgern keine Ausnahme. Auch ihnen werden Visa für die Einreise nach Deutschland nur unter ganz strengen Voraussetzungen erteilt.

Volker Beck, migrationspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sieht die Bundesregierung in der Pflicht, das Verbot der Mehrstaatigkeit endlich fallenzulassen. „Es bringt transnationale Familien in teils unerträgliche Situationen, in denen die Sorge für pflegebedürftige Menschen vereitelt und das Grundrecht auf familiäres Zusammenleben mit Füßen getreten wird“, erklärt Beck dem MiGAZIN. Es sei nicht zumutbar, die deutsche Staatsbürgerschaft an den Verlust des ausländischen Passes zu knüpfen, wenn dadurch Familienbesuche der Visumpflicht unterliegen.

Bundesregierung: ausländische Staaten in der Pflicht

Die Bundesregierung sieht ausländische Staaten, die von Deutschen ein Visum verlangen, in der Pflicht, um „menschlich schwierige“ Fälle zu vermeiden. Auf eine parlamentarische Anfrage Becks antwortete Staatssekretär Günter Krings (liegt dem MiGAZIN vor), zentrale Aufgabe der Bundesregierung sei es, auf diese Staaten einzuwirken, damit sie ihre Visa-Praxis ändern. Eine Änderung der deutschen Regelungen hingegen sei nicht geplant.

Beck wirft der Bundesregierung vor, andere Staaten nach höheren Maßstäben zu messen als sich selbst. „Wenn sie Deutschen die Einreise nicht reibungslos gestatten, dann nennt sie das eine menschlich schwierige Regelung, auf die diese Staaten lieber verzichten sollten. Auf die eigene Visumspflicht für diejenigen Angehörigen deutscher Staatsangehöriger, die wegen ihrer Staatsangehörigkeit der Visumspflicht unterliegen, will sie dennoch nicht verzichten, menschliche Schwierigkeit hin oder her“, erklärt Beck. Schwierig sei dabei vor allem, wie den Betroffenen vermittelt werden soll, dass dies eine sinnvolle Haltung ist. (es) Leitartikel Politik

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  1. President Obama sagt:

    Die doppelte Staatsbürgerschaft mit dem Argument der vereinfachten Reisen in das Ursprungsland zu begründen entspricht nicht dem deutschen Verständnis der Bedeutung einer Staatsbürgerschaft. Nur in Ausnahmefällen wird die alte Staatsangehörigkeit beibehalten. Auch wenn es dem Zeitgeist mancher Minderheitspolitiker entspricht, gibt es kein Weltbürgertum und die Nationalstaaten sind in Ihrer Rechtsprechung immer noch souverän. Wer als Deutscher eine Drittstaatsangehörigkeit annimmt verliert automatisch die Deutsche und auch andersherum.

    Sicherlich ist es so, dass man die russische nicht nur aufgibt bei Einbürgerung, sondern kraft Gesetzes russische Bürgerrechte verliert, zB. das Recht auf Besitz eines russischen Reisepasses, der die Einreise erlaubt.

    Selbst wenn man die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht hätte im vorliegenden Fall, dann hätte der Antragssteller von russischer Seite nicht seine „Papiere und Rechte“ behalten. Das wäre nicht die Lösung des Problems.

    Der Antragssteller hätte hier einen dringenden Fall bei der russischen Botschaft geltend machen können. Innerhalb von drei Tagen wäre das Visum ausgestellt worden, gegen eine Gebühr von knapp unter 170,- €.

    Die Angabe, dass die Einreise von Eltern deutscher Staatsangehörigen nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich ist, stimmt auch nicht vollumfänglich. Eltern deutscher Minderjähriger unterliegen zwar die Visumpflicht, müssen aber kaum Voraussetzungen erfüllen, um ein Visum zu erhalten.

    Pflegebedürftige Eltern deutscher unterliegen strengeren Voraussetzungen. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass i.d.R. ein sehr kostspieliger Zuzug stattfindet und die deutschen Pflege- und Krankenkassen über Gebühr belastet werden. Warum jemandem, der nicht in das Sozialversicherungssystem der BRD eingezahlt hat und auch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt der Bezug deutscher Sozialleistungen gestattet werden soll, wird von Herrn Beck nicht begründet.

    Dass die medizinische Versorgung in der BRD in vielen Fällen besser ist, reicht als Begründung dafür nicht. Einem anderen Staat die Kompetenz abzusprechen, er sei nicht in der Lage seine Pflegebedürftigen angemessen zu versorgen ist außerordentlich anmaßend.