Spionageverdacht
Bundesanwaltschaft Wohnungen von Ditib-Imamen durchsuchen
Die Spionage-Vorwürfe gegen türkische Imame haben Konsequenzen: Am Mittwoch ließ der Bundesanwalt Wohnungen von vier Geistlichen durchsuchen. Das Durchgreifen komme viel zu spät, kritisieren Ditib-Kritiker aus dem Bundestag. Auf Kritik stoßen die Razzien in der Türkei.
Donnerstag, 16.02.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.02.2017, 17:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Nach wochenlangen Diskussionen um mutmaßliche Spitzeldienste von Imamen des türkischen Islam-Verbandes Ditib hat die Bundesanwaltschaft Wohnungen von Verdächtigen durchsuchen lassen. Wie der Generalbundesanwalt am Mittwoch in Karlsruhe mitteilte, wurde bei vier Imamen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Beweismaterial sichergestellt, darunter Kommunikationsmittel, Datenträger und schriftliche Unterlagen. Die Geistlichen stehen im Verdacht, im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert zu haben. Der Verband hatte die Spitzeleien bereits vor einem Monat eingeräumt. Auch die Bundesanwaltschaft ermittelt bereits seit Mitte Januar.
Festnahmen gab es nach Angaben von Bundesanwaltschaft-Sprecherin Frauke Köhler nicht. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs habe bereits vor den Durchsuchungen entschieden, dass die Voraussetzungen für einen Haftbefehl nicht vorliegen, sagte sie.
Ditib versichert Generalbundesanwalt Unterstützung
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit Sitz in Köln ist mit rund 900 Moscheegemeinden der größte Islamverband in Deutschland und kooperiert mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara. Diese entsendet und bezahlt die Imame für die deutschen Gemeinden.
Ditib selbst erklärte nach den Durchsuchungen, man werde den Generalbundesanwalt bei der Aufklärung der Vorwürfe unterstützten. Zugleich war in einer Stellungnahme des Bundesverbandes von „Irritationen“ die Rede: „Die Durchsuchungen von Privatwohnungen von muslimischen Geistlichen haben in der muslimischen Gemeinschaft zu Irritationen geführt, zumal Ditib seit Bekanntwerden der Vorwürfe intensiv um Aufklärung bemüht ist.“ Generalsekretär Bekir Alboğa hatte kürzlich Konsequenzen aus den Vorwürfen angekündigt.
Maas fordert Türkei-Kappung
Spätestens seit dem Putschversuch, für den die Türkei den Prediger Fethullah Gülen und dessen Bewegung verantwortlich macht, wird die enge Verquickung der Ditib mit der türkischen Regierung kritisch gesehen. Niedersachsen legte nach den Spitzel-Vorwürfen die Verhandlungen um einen Staatsvertrag mit den islamischen Verbänden auf Eis.
Ditib: Zur Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) gehören mehr als 900 Ortsgemeinden. Die größte islamische Organisation in Deutschland vertritt nach eigenen Angaben über 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime. Gegründet wurde der Dachverband mit Sitz in Köln im Jahr 1984 als eingetragener Verein.
Die Ditib tritt laut Selbstdarstellung für einen weltoffenen und liberalen Islam ein und verfolgt gemeinnützige religiöse, wohltätige, kulturelle und sportliche Zwecke. In ihren Grundsätzen ist verankert, dass sie als überparteiliche Organisation „jede Art von parteipolitischer Aktivität in den Vereinsräumen“ verbietet.
Organisatorisch ist die Ditib eng mit der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet verbunden. Die meisten der rund 900 Imame, die in Ditib-Moscheen in Deutschland arbeiten, sind türkische Beamte, die von der türkischen Behörde ausgewählt und bezahlt werden. Daran wurde wiederholt Kritik laut – insbesondere in der aktuellen Spitzelaffäre um Ditib-Imame.
Die Imame der Ditib werden in der Regel für fünf Jahre nach Deutschland geschickt und müssen ein Studium und Berufserfahrung vorweisen. Etwa 60 Ditib-Imame sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Um die Zahl der in Deutschland ausgebildeten Vorbeter zu erhöhen, fördert der Verein nach eigener Aussage muslimische Studenten an deutschen Universitäten.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte den Verband vor dem Hintergrund der Ermittlungen zu größerer Unabhängigkeit auf. Der Einfluss des türkischen Staates auf Ditib sei zu groß, sagte Maas. Er appellierte an den Verband, seine Satzung zu ändern, die die enge Verbindung zur türkischen Religionsbehörde Diyanet festschreibt. Ditib müsse sich glaubhaft von Ankara lösen, sagte der Justizminister und ergänzte: „Nur als unabhängiger deutscher Verband hat die Ditib eine Zukunft als verlässlicher Partner.“
Opposition: Razzien zu spät
Auch der nordrhein-westfälische Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) forderte von Ditib „den ernsten Willen zur Loslösung von der türkischen Regierung“. Schmeltzer sagte im Landtag in Düsseldorf, es könne „nicht akzeptiert werden, das innertürkische Konflikte hier in NRW ausgetragen werden“. Die FDP hatte eine Aktuelle Stunde im Landtag wegen der Spitzelvorwürfe gegen Ditib-Imame beantragt, noch vor Bekanntwerden der Durchsuchungen.
Grüne und Linke, die die Spitzelvorwürfe in den vergangenen Wochen auch auf die Tagesordnung des Bundestags gebracht hatten, kritisierten, die Bundesanwaltschaft habe zu spät gehandelt. Ein Teil der Imame sei schon wieder in die Türkei abgezogen worden. Man hätte gleich Anfang Dezember Haftbefehle erlassen müssen.
Scharfe Kritik aus der Türkei
Scharfe Kritik ernteten die Razzien derweil aus der Türkei. Der deutsch-türkische Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu (Ak Partei) verurteilte die Razzien scharf. „Unter dem Deckmantel eines rechtlich unhaltbaren Spionagevorwurfs wird eine beispiellose Einschüchterungskampagne gegen die mitgliederstärkste islamische Religionsgemeinschaft in Deutschland gefahren“, so Yeneroğlu. Die öffentlichen Erklärungen von Bundesjustizminister Maas offenbarten die „eigentliche politische Motivation hinter der Aktion“. Die Ditib werde in die Enge getrieben, um „ihr das Selbstbestimmungsrecht zu entziehen und sie von der Türkei komplett loszulösen“, so der Vorwurf.
Die Ditib ist teilweise Partner beim islamischen Religionsunterricht, den Lehrstühlen für islamische Theologie und auch in der vom Bundesinnenministerium geleiteten Deutschen Islamkonferenz. Das Innenministerium hat bislang erklärt, am Gespräch mit Ditib festhalten zu wollen. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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