Racial Profiling

Die Polizei, dein Feind und Gegner

Ein Racial-Profiling-Prozess vor dem Verwaltungsgericht Dresden endet mit einem Eklat. Ein Polizist gab vor Gericht offen zu, dass ihre Zeugenaussagen mit einem Justitiar der Polizei abgesprochen wurden. In dem jetzt vorliegenden Urteil findet das Gericht klare Worte.

Dienstag, 07.02.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 12.02.2017, 11:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Hauptbahnhof Erfurt, es ist der 31. März 2014. Samir Kerim (45, Name geändert), ein vereidigter Gerichtsdolmetscher, ist auf dem Rückweg von einer Gerichtsverhandlung zurück nach Leipzig. Gegen 12 Uhr wird er von zwei Bundespolizisten aufgefordert, sich auszuweisen. Kerim fragt nach dem Grund der Personenkontrolle und hat auch schon eine Vermutung: seine dunkle Hautfarbe. Polizeiliche Maßnahmen, die aufgrund äußerlicher Merkmale vorgenommen werden, bezeichnet man als Racial Profiling.

Kerim beschwert sich noch am selben Tag per E-Mail bei der Bundespolizeiinspektion Erfurt. Auf eine Reaktion wartet Kerim knapp dreieinhalb Monate. Darin weist die Bundespolizeidirektion Pirna den Racial-Profiling-Vorwurf zurück. Kerim sei nicht aufgrund seiner Hautfarbe kontrolliert worden, sondern aufgrund seines auffälligen Verhaltens. Das sieht Kerim anders. Im August 2014 erhebt er Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden. Er ist überzeugt, dass die Polizeikontrolle unzulässig war.

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Gerichte urteilen gegen Racial Profiling

Deutsche Gerichte haben der Racial-Profiling-Praxis mehrmals Rechtswidrigkeit bescheinigt. So etwa im Falle einer dunkelhäutigen Familie vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im April 2016 oder im Oktober 2015 vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Menschenrechtsorganisationen fordern entsprechende Gesetzesänderungen sowie unabhängige Beschwerdestellen. Sie kritisieren, dass eine Beschwerde über die Polizei bei der Polizei aus naheliegenden Gründen keinen Sinn macht.

Warum das so ist, zeigt der Fall Kerims besonders eindrucksvoll. Am 2. November 2016 – mehr als zwei Jahre nach der Klageerhebung – verhandelten Kerim und die Polizei vor dem Verwaltungsgericht Dresden. Dort stellte sich heraus, dass die zuständige Bundespolizeidirektion verfahrensrelevante Dokumente dem Gericht bis zur Verhandlung vorenthalten hatte. Einer der Beamten räumte darüber hinaus ein, privat dienstliche Erklärungen des anderen Beamten erhalten zu haben, bevor er eigene Stellungnahmen fertigte. Das warf die Frage nach möglichen Absprachen auf. Das Verfahren endete letztendlich aber mit einem Eklat, als einer der Beamten bekundete, gemeinsam mit dem weiteren kontrollierenden Beamten von einem Justiziar der Bundespolizeidirektion Pirna auf die Beweisaufnahme in diesem Verfahren vorbereitet worden zu sein. Dafür sei er dienstlich sogar von Bayreuth nach Pirna bestellt worden.

Gericht maßregelt Polizei

Das Gericht machte in der mündlichen Verhandlung kein Geheimnis aus seinem Unverständnis für das Prozessverhalten der Polizei und beendete die Beweisaufnahme mit einem Eklat vorzeitig. In der nun vorliegenden Urteilsbegründung (6 K 3364/14) maßregelt das Gericht die zuständige Bundespolizeidirektion Pirna wegen möglicher Absprachen und vorbereiteter Zeugenaussagen. Ob die Kontrolle am Hauptbahnhof rechtmäßig war, sei anhand der Aussagen der Beamten nicht mehr feststellbar, da die Polizei offenbar nicht den Vorfall wiedergibt, sondern das Abgesprochene. Die Berufung gegen das Urteil ließ das Gericht deshalb nicht zu.

Rechtsanwalt Sven Adam, der Samir Kerim vertritt, ist erfreut über die Entscheidung: „Es ist vor Gericht ohnehin schwierig nachzuweisen, dass Polizeibeamte anhand der Hautfarbe Kontrollen in Zügen und auf Bahnhöfen durchführen. Dass nun die Beamten aber sogar inhaltlich und gegebenenfalls sogar taktisch auf ihre Zeugenaussagen vorbereitet werden hat mit einem ordnungsgemäßen Prozessverhalten einer an Recht und Gesetz gebundenen Bundesbehörde nichts mehr zu tun.“

Bundesregierung verteidigt Racial Profiling

Auch Samir Kerim war von dem Verlauf der Zeugenvernehmung verärgert: „Die sich wiederholenden rassistischen Kontrollen sind schlimm und diffamierend. Aber das Absprechen falscher Aussagen in Racial Profiling-Verfahren wäre ein Skandal.“

Die Bundesregierung hingegen verteidigt die Racial-Profiling-Praxis. Es sei keine unzulässige Diskriminierung, „wenn das äußere Erscheinungsbild einer Person nur eines von mehreren Kriterien für die Durchführung einer konkreten polizeilichen Maßnahme ist“, teilt sie in einer aktuellen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion mit. (hs) Leitartikel Recht

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