Urteil am Dienstag

Gebannter Blick nach Karlsruhe vor der Entscheidung im NPD-Verbotsverfahren

Zum zweiten Mal muss das Bundesverfassungsgericht darüber befinden, ob die NPD verboten wird. Hinter den Richtern liegen monatelange Beratungen. Am Dienstag wollen sie ihr Urteil verkünden. Die AfD könnte eine bedeutende Rolle spielen.

Von Corinna Buschow Montag, 16.01.2017, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 19.01.2017, 23:22 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Am Dienstag will das Bundesverfassungsgericht sein Urteil im NPD-Verbotsverfahren verkünden. Gut vier Jahre nach dem Beschluss der Bundesländer, erneut solch ein Verfahren anzustrengen, sind heute vor allem Zweifel an einem Erfolg des Antrags zu hören. Zwar bleiben die Länder überzeugt davon, dass die rechtsextreme Partei verfassungsfeindliche Ziele vertritt. Auch an formellen Hürden wie V-Leuten dürfte das Verfahren diesmal nicht scheitern. Fraglich ist aber, ob das höchste deutsche Gericht das scharfe Schwert des Parteiverbots wirklich zieht angesichts einer NPD, die zuletzt ein immer desolateres Bild bot und politisch kaum noch Bedeutung hat.

Immerhin flogen die Rechtsextremen im vergangenen September nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern aus dem letzten Landtag, in dem sie noch vertreten waren. NPD-Vertreter haben heute nur noch auf kommunaler Ebene Mandate. Die Erfolge der AfD als neue mindestens rechtskonservative Kraft haben die NPD de facto in die Bedeutungslosigkeit befördert.

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Experten: Verbot nur bei einer reellen Gefahr

Parteiverbot: Eine Partei kann in Deutschland verboten werden, wenn sie verfassungswidrig ist. Entscheiden muss darüber das Bundesverfassungsgericht. Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bisher nur zwei Mal ein Parteiverbot: 1952 gegen die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP) und 1956 gegen die als stalinistisch eingeordnete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Grundlage für ein Parteiverbot ist Artikel 21 (2) des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“ Im KPD-Verfahren stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass eine bloße Nichtanerkennung der bestehenden Ordnung für ein Verbot nicht ausreicht. Vielmehr müsse eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“ nachgewiesen werden. Für den Erfolg eines Parteiverbotsantrags müssen zwei Drittel der Mitglieder des entsprechenden Senats für das Verbot stimmen, also sechs von acht Richtern. Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass eine Partei verfassungswidrig ist, erklärt es die Auflösung der Partei und das Verbot, eine Ersatzorganisation zu schaffen. Außerdem kann das Gericht beschließen, dass das Vermögen der Partei eingezogen wird.

Ein Parteienverbot, so argumentieren Rechtsexperten immer wieder, müsste aber auf einer reellen Gefahr durch die Partei gründen und nicht nur auf einer abstrakten. Dieses Argument lässt nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung auch die Bundesregierung an einem Erfolg des Verbotsantrags zweifeln. Ein internes Gutachten soll demnach auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweisen, der die konkrete Gefahr durch die Partei verlangt. Das Bundesinnenministerium erklärte zwar, solch ein Gutachten nicht zu kennen. Die Zweifel erscheinen aber wahrscheinlich.

Selbst in den Ländern klingen Vertreter nicht mehr so siegesgewiss wie noch vor gut vier Jahren. Die Hürden für ein Parteienverbot lägen hoch, sagte Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kürzlich in einem Zeitungsinterview skeptisch.

Erstes Verfahren scheiterte an V-Leuten

Anfang Dezember 2012 entschieden die Innenminister der Bundesländer, erneut einen Antrag auf ein NPD-Verbot in Karlsruhe einzureichen. Man könne mit öffentlich zugänglichen Beweismitteln belegen, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist, erklärte der damalige Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier (CDU). Wenig später folgte der formelle Bundesratsbeschluss. Der Antrag wurde im Dezember 2013 von den Prozessbevollmächtigten Christoph Möllers und Christian Waldhoff eingereicht. Bundesregierung und Bundestag, die ebenfalls ein Parteienverbot beantragen können, schlossen sich dem Verfahren nicht an.

Es ist der zweite Anlauf der Politik, die rechtsextreme Partei zu verbieten. 2003 scheiterte das erste NPD-Verbotsverfahren vor allem an der Quellengrundlage. Die Karlsruher Richter mussten davon ausgehen, dass V-Leute des Verfassungsschutzes in Führungsgremien der Partei selbst die Ausrichtung der NPD mit bestimmt und geprägt haben.

Staatliche Parteienfinanzierung: 2015 bekam NPD 1,3 Millionen

Die damalige Blamage prägte die Beweissammlung im aktuellen Verfahren. Aus öffentlich zugänglichen Quellen sammelten die Bevollmächtigten Hunderte Seiten Material, das sie als Beleg für eine Wesensverwandtschaft der NPD zum Nationalsozialismus und eine Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung werten. Allein 140 Seiten umfasst ein im August 2015 nachträglich eingereichter Schriftsatz, der auch aktuelle Fälle von Hetze gegen Flüchtlinge benannte.

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An den V-Leuten sollte ein zweites Verfahren nicht wieder scheitern. So war die Erleichterung groß, als Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der mündlichen Verhandlung im vergangenen März erklärte, dass keine Verfahrenshindernisse vorliegen. Drei Tage wurde damals in Karlsruhe verhandelt. Seitdem wird auf das Urteil gewartet.

Die Verbotsbefürworter wären froh, die rechtsextreme Propaganda der Partei nicht mehr durch staatliche Parteienfinanzierung unterstützt zu wissen. 2015 bekam die NPD nach Angaben des Bundestags noch rund 1,3 Millionen Euro. Für 2016 liegen die Rechnungen noch nicht vor. Der Rechtsextremismusexperte Uwe-Karsten Heye ist aber auch überzeugt davon, dass ein Verbot der NPD die rechte Szene insgesamt schwächen würde. Die Partei rüste die Szene ideologisch auf, sagte der Vorstand des Vereins „Gesicht Zeigen!“. (epd/mig) Leitartikel Politik

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