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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe © Mehr Demokratie @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Verfassungsfeindlich, aber bedeutungslos

Nach NPD-Urteil muss die Politik andere Mittel gegen die Rechtsextremen finden

Die NPD bleibt, das Problem Rechtsextremismus sowieso. Nach dem NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts verspricht die Politik andere Maßnahmen. Einige Verantwortliche hoffen, der NPD jetzt trotzdem den Geldhahn zudrehen zu können. Von Corinna Buschow

Von Corinna Buschow Mittwoch, 18.01.2017, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 18.01.2017, 17:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Ausführungen von Verfassungsrichter Peter Müller waren schwer erträglich. Hetze gegen Juden, Beleidigungen über „Neger“, Holocaustleugnung: Beispiele von NPD-Propaganda waren Teil des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, dessen Verlesung durch mehrere Richter am Dienstag in Karlsruhe zwei Stunden brauchte. Müllers Teil machte anschaulich, warum das höchste Gericht in Karlsruhe zu dem Schluss kommt, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele vertritt und die Menschenwürde missachtet. Trotzdem wird sie nicht verboten, urteilte das höchste deutsche Gericht. Für das scharfe Schwert des Parteiverbots fehle ihr die „Wirkkraft“.

Wirklich überraschend kam das Urteil für die Bundesländer nicht, die über den Bundesrat den Antrag in diesem bereits zweiten Verbotsverfahren gegen die NPD eingereicht hatten. 2003 war ein Verbot an V-Leuten in der Führungsriege in der Partei gescheitert. Diesmal kam es immerhin zur Verhandlung. In den gut drei Jahren, die seit Einreichen des Antrag vergangen sind, verlor die NPD aber immer mehr an Bedeutung. 2016 flog sie in Mecklenburg-Vorpommern aus dem letzten Landtag, in dem sie noch vertreten war. Die Mandate im kommunalen Bereich lägen im Promillebereich, hieß es im Karlsruher Urteil. Ein bestimmender Einfluss auf die politische Willensbildung sei weder gegeben noch zukünftig zu erwarten.

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NPD bleibt eine Gefahr

Deswegen kam das Bundesverfassungsgericht in Anlehnung an eine entsprechende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dem Urteil, dass die NPD nicht verboten wird – auch wenn sie nach fester Auffassung des Gerichts gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zielt und eine Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus aufweist. Auch wenn mit diesem Urteil zu rechnen war, stieß es auf Enttäuschung. Dass es für ein Verbot nicht gereicht habe, sei bedauerlich, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Die Einschätzung der Verfassungsrichter, dass die NPD mit weniger als 6.000 Mitgliedern in ihren Wirkungsmöglichkeiten beschränkt sei, dürfe auf keinen Fall als Entwarnung gewertet werden.

Die NPD bleibe dennoch eine Gefahr, sagte auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Und der Linken-Parteichef Bernd Riexinger warnte, die NPD habe schon manche Krisen überstanden und es sei nicht auszuschließen, dass sie wieder stärker werde.

Politiker überzeugt: Verbot hätte nichts bekämpft

Zugleich zeigten sich verantwortliche Politiker überzeugt, dass ein Verbot allein extremistische Ideologien in den Köpfen ohnehin nicht bekämpft. Kein Verbot beseitige Ausländerfeindlichkeit und Rassismus, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). In den Länderparlamenten hat sich mit der AfD längst eine neue rechte Kraft etabliert. Nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung sympathisiert inzwischen mehr als jeder vierte Deutsche mit der sogenannten Neuen Rechten, die sich durch Islamfeindlichkeit auszeichnet, etablierte Parteien und Institutionen diskreditiert und „Lügenpresse“ ruft.

Die Politik ist also auch jenseits der NPD gefordert. Die Bundestagsabgeordnete Eva Högl (SPD) drang nach dem Urteil auf das Demokratiefördergesetz, mit dem Initiativen gegen Rechtsextremismus eine gesetzliche Grundlage für ihre Arbeit und damit mehr Planungssicherheit erhalten sollen. Noch ist es in der Koalition umstritten.

NPD staatliche Parteienfinanzierung entziehen

Zudem hoffen Verantwortliche aus Bund und Ländern, trotz des gescheiterten Verbots der NPD die Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung streichen zu können. Voßkuhle hatte ausgeführt, ob andere Reaktionsmöglichkeiten auf die NPD sinnvoll seien, wie etwa der Entzug der staatlichen Finanzierung der rechtsextremen Partei, müsse der Gesetzgeber entscheiden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) versprach daraufhin, entsprechende Handlungsspielräume zu prüfen.

Entsprechendes forderten auch die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sowie Niedersachsens Regierungschef und Innenminister, Stephan Weil und Boris Pistorius (beide SPD). 2015 bekam die NPD noch 1,3 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung – auch für Familienministerin Schwesig ist das schwer erträglich: „Wir können niemandem erklären, dass eine verfassungsfeindliche Partei aus Steuermitteln finanziert wird.“ (epd/mig) Aktuell Politik

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