Online Petition
Für Roma gibt es keine sicheren Herkunftsstaaten
Der Bundes Roma Verband e.V. fordert mit einer Petition ein dauerhaftes Bleiberecht für Roma in Deutschland und ein Ende der Hoffnungslosigkeit für Generationen. In den vermeintlich "sicheren" Balkanstaten sind sie vielfacher Diskriminierung ausgesetzt. Von Jutta Geray
Von Jutta Geray Freitag, 25.11.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.07.2017, 15:06 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Auf der Podiumsdiskussion des Bundes Roma Verband e.V. am vergangenen Dienstag in der Rosa Luxemburg Stiftung, waren Politiker aller Parteien eingeladen und eine kam: Anette Roth, Menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. „Menschenrechtsthemen haben momentan keine Konjunktur“, sagt sie. Verbandsvorsitzende Nizaqete Bislimi sieht darin auch einen Spiegel der gegenwärtigen Situation. Roma stehen nicht auf der politischen Agenda. Roma gehören auch nicht dazu, wenn es um Integrationsangebote geht. Denn Roma kommen vorwiegend aus den Ländern des Westbalkans, die 2014 und 2015 zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt wurden. Als Anwältin weiß sie, dass Geflüchtete aus diesen Staaten kaum Chancen auf tatsächliche Prüfung ihres Einzelfalls haben.
Durch die politische Vorgabe „sicherer Herkunftsstaat“ stehe das Ergebnis oft schon vorher fest: Die Anträge werden als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Wer in ein spezielles Aufnahmelager für „Antragsteller mit geringer Bleibeperspektive“ kommt, die abseits der Ballungsgebiete liegen, hat kaum Chancen einen Anwalt zu finden für die ohnehin sehr kurze Klagefrist. Weil mit dem Asylpaket II, Roma, die der Verband vertritt, von der Integration von vornherein ausgeschlossen werden, sagte der Bundes Roma Verband auch seine Teilnahme am diesjährigen Integrationsgipfel der Bundesregierung ab.
Westbalkan: Rassismus, Gewalt und staatliche Diskriminierung
In einer online Petition fordert der Bundes Roma Verband e.V. von der Bundesregeriung ein Bleiberecht für Roma. Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien seien auch nach ihrer Einstufung als „sichere Herkunftsstaaten“, für Roma nicht sicher. Die Petition kann hier unterzeichnet werden.
Die Linken Politikerin Roth fordert schon seit längerem ein Bleiberecht für Roma in Deutschland, sie hat die, zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärten Länder im Westbalkan mehrfach bereist und weiß aus eigener Anschauung, dass Roma dort keine Rechte und Sicherheit genießen, sondern an den Rand gedrängt, vielfach vertrieben wurden und häufig Opfer von rassistisch motivierter Gewalt werden. Auch nach Berichten von Amnesty International sind Roma in den „sicheren Herkunftsstaaten“ Albanien, Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Mazedonien vielfacher Diskriminierung ausgesetzt. Häufig werden sie auch von der staatlichen Grundversorgung wie Wasser, Müllentsorgung, Strom, Gesundheitsversorgung und Schulbesuch ausgeschlossen.
In Bosnien und Herzegowina wurde die Diskriminierung von Minderheiten sogar gesetzlich festgeschrieben. Noch immer dürfen dort Juden und Roma nicht für politische Ämter kandidieren. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2009 ignorierte das Land.
Mehr Geschichtsbewusstsein
Roth fragt sich auch, warum deutsche Politiker beim Thema Roma keinerlei Geschichtsbewusstsein haben, denn auch Sinti und Roma aus Deutschland, West- und Osteuropa wurden im Nationalsozialismus systematisch ermordet. Der Bundes Roma Verband fordert in diesem Sinne eine ähnliche Aufnahmepolitik oder Kontingentlösung, wie es sie für Juden aus der ehemaligen Sowjetunion Anfang der 90er Jahre gab.
Roth fragt andere Politiker gerne mal, was sie empfinden würden, wenn sie mit oder getrennt von ihrer Familie mitten in der Nacht verhaftet und in die Wüste Gobi abgeschoben würden. Manchmal bringt sie andere damit zum Nachdenken, denn so ergeht es ihrer Meinung nach Roma die in eine feindlich gesinnte fremde Umgegbung abgeschoben werden und weder das Land noch die Sprache kennen.
Abschiebung in ein fremdes Land
Kenan Emini zeigt Szenen aus seinem Dokumentarfilm „The Awakening.“ Er hat das böse Erwachen von Roma und ihren Kindern gefilmt, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, sich als Deutsche fühlen und keine andere Heimat kennen und sich plötzlich in einem Slum auf dem Westbalkan zurechtfinden sollen. Ein Mädchen lebt jetzt mit seiner Familie in einem solchen Slum am Rande einer Stadt. Sie hat ihre Gegenwart, all ihre Freunde verloren und sieht keine Zukunft für sich. Weitere Kinder aus Deutschland stehen nun vor einem Müllberg und lernen, wie sie hier was Essbares finden, da ihre abgeschobenen Familien ebenso wie die anderen Romafamilien der Siedlung keine Chance auf dem normalen Arbeitsmarkt, keinen Zugang zur Schulbildung oder eine Wohnung außerhalb der seperaten Armutssiedlung haben.
Sie kommen immer wieder
Für Emini geht es beim Bleiberecht für Roma darum, einen Kreislauf aus Hoffnungslosigkeit zu durchbrechen. Roma, die Anfang der 90er Jahre vor den Kriegen auf dem Balkan nach Deutschland flohen, kommen nach Abschiebungen oder „freiwilliger“ Ausreise immer wieder zurück, erzählt er. „Da kommen keine Millionen“, sagt er, „es sind immer wieder dieselben“. Er schätzt ihre Zahl auf etwa 50.000 die seit den Kriegen auf dem Westbalkan immer wieder nach Deutschland fliehen.
Kosovo ist ein Paradebeispiel dafür, dass die prekäre Situation der Roma auf dem Balkan eine Folge der ethnisch-nationalistischen Verfolgung ist. Die NATO-Intervention 1999 stoppte die Verfolgung der Albaner durch Serben, aber die nächste „ethnischen Säuberung“ stoppten sie nicht. Von vormals etwa 150.000 Roma, Aschkali und Kosovo-Ägyptern, wurden 120.000 von Albanern vertrieben, sie verdächtigten Roma, sie hätten mit den Serben gemeinsame Sache gemacht. Etwa 30.000 flohen nach Westeuropa, etwa 20.000 nach Deutschland. Die meisten flohen in die Nachbarländer ohne Chance auf ein normales Leben, da auch dort Rassismus und systematische Benachteiligung überwiegen.
Geschichte einer Odyssee
Im Jahr 2010 vereinbarte Deutschland mit dem Kosovo ein Rückübernahmeabkommen. Die Roma Brüder Kefaet und Selami Prizreni gaben dem Schicksal der ,noch im selben Jahr Tausenden von Abgeschobenen ein Gesicht im Dokumentarfilm: „Trapped by Law“.
20 Jahre lebten die Brüder in Deutschland, Selami ist sogar in Deutschland geboren, Kefaet war 4, als seine Familie vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien floh. 2010 wurden sie abgeschoben. Sie erzählen jetzt wie es war mitten in der Nacht verhaftet und abgeschoben zu werden: „Als wir in Pristina landeten, lachten, wir, weil wir es absurd fanden,“ erzählt Selami. Kefaet ahnte da noch nicht, dass er Jahrelang seine zwei kleinen Kinder, die in Deutschland blieben, nicht wiedersehen würde. Sie versuchten auf dem Rechtsweg zurück zu kommen und erfuhren, dass sie wegen der Abschiebung eine mehrjährige Einreisesperre erhalten hatten. Ein Neuanfang im Kosovo scheiterte. „Wir konnten nicht einmal die Landessprache, hatten keine Papiere und Hilfe für Rückkehrer gab es nicht“.
Allein wegen ihrer dunkleren Hautfarbe wurden sie auch gewalttätig angegriffen, erzählt Selami. Für die Mehrheitsgesellschaft waren sie Roma, für die Roma, die noch im Kosovo leben „Germans“. Trotzdem stellten sie das Hiphop Hooray Projekt auf die Beine für Jugendliche unterschiedlicher Ethnien. „Sie hätten uns auch steinigen können, aber es hat funktioniert“, erzählen sie. Das Projekt wurde von der UNICEF unterstützt. Wohnung oder Arbeit finden sie trotzdem nicht, auch nicht in den Nachbarländern.
2014 kehrten sie zu Fuß in ihre Heimatstadt Essen zurück. Auch ihr Folgeantrag wurde abgelehnt. Sie hoffen jetzt mit einer Petition auf ein Bleiberecht, die Anhörung ist am 1. Dezember. Inzwischen droht ihrem älteren Bruder dasselbe Schicksal. Er soll abgeschoben werden und wird Steckbrieflich gesucht. Aktuell Gesellschaft
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Liebes Migazin Team,
der link zur Petition im Artikel funktioniert (bei mir) nicht.
Grüße
Marie