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Moschee, Islamfeindlichkeit, Ditib, Baustelle
Eine DITIB Moschee in Hamm © Facebook/MuratKayman

Fortsetzung

Innerer Solidarität der muslimischen Community

Die gesellschaftlichen Grenzen haben sich verschoben, es gibt ein militant-nationalistisches Potential auf allen Seiten. Murat Kayman stellt in zehn weiteren Thesen nicht nur der muslimischen Community ein schlechtes Zeugnis aus.

Von Montag, 17.10.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 18.10.2016, 17:12 Uhr Lesedauer: 15 Minuten  |  

Der zuvor veröffentlichte Beitrag „Muslime in Deutschland – 10 Thesen“ ist in einem anderen Zusammenhang als Ausdruck einer selektiven Wahrnehmung kritisiert worden. Er befasse sich nur mit etwa 20 % der gesellschaftlichen Positionen zum Islam in Deutschland.

Ich habe diese Kritik seinerzeit zurückgewiesen und tue dies auch an dieser Stelle erneut: Der Beitrag beschreibt, was die Positionen, die mittlerweile ungezügelt von gesellschaftlichen Tabus innerhalb dieser 20 % unserer Bevölkerung kursieren, mit den restlichen 80 % machen. Wie sehr sich die gesellschaftlichen Grenzen verschieben und wie leicht es immer mehr Menschen fällt, andere Menschen auszugrenzen und aus dem Schutzbereich unserer Rechtsordnung heraus zu definieren. Ja sogar, wie immer häufiger grundlegendste Prinzipien unserer Verfassungsordnung und wie unser Verständnis von Bedeutung und Wirkung unseres Grundgesetzes auf den Kopf gestellt werden – erstaunlicherweise gerade auch durch parteipolitische Akteure, die bislang nicht im Verdacht standen, sich mit ihren Positionen außerhalb unserer Grundrechtsordnung zu bewegen.

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Durch manche Ereignisse seit der Veröffentlichung der 10 Thesen habe ich mich in den darin getroffenen Feststellungen bestätigt gefühlt. Zuletzt habe ich Bilder auf meinem Facebook-Account veröffentlicht, welche die Schmierereien am Neubau der DITIB-Moschee in Hamm dokumentieren. Es ist sonst nicht meine Art, solche Fotos von Moscheeübergriffen zu veröffentlichen. Allerdings sah ich in den Aussagen, die den Schmierereien zu entnehmen waren, quasi ein Resümee meiner Thesen und der Narrative der „islamkritischen Debatte“ – also ein prägnantes Beispiel, wie aus Worten Taten werden.

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Auch diese Facebook-Veröffentlichung hatte überdurchschnittlich intensive Reaktionen zur Folge. Der Inhalt dieser Reaktionen und die emotionale und geistige Haltung, die hinter zu vielen Kommentaren erkennbar wurde, veranlassen mich dazu, bei der Beschreibung der deutschen Zustände mit Blick auf den Islam eine selbstkritische Perspektive einzunehmen und nach der Analyse der gesellschaftlichen Fremdbilder über Muslime – in dem ersten „10 Thesen“-Beitrag – nun auch die problematischen Selbstbilder zu thematisieren. Hierbei spielen auch Wahrnehmungen eine Rolle, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Islam-Debatte stehen aber als Selbstbetrachtung der innermuslimischen Zustände geeignet sind, ergänzende Impulse hinzuzufügen.

Es sollen Schlussfolgerungen, Wertungen, Eindrücke, Behauptungen sein – nicht als abschließendes Urteil miss zu verstehen, sondern als Anregung zur Diskussion, vielleicht auch zum Widerspruch gemeint.

These 1 – Die ausgrenzenden Narrative zeigen auch bei Muslimen Wirkung: Konstruierte Dichotomien auf Grundlage der Wahrnehmung des Islam als „fremd“ werden zunehmend auch von Muslimen übernommen

Es gehört zu dem Standardrepertoire der antimuslimischen Debatte, die Unvereinbarkeit einer deutschen Identität mit der einer muslimischen zu proklamieren. Diese Ethnisierung muslimischer Glaubenszugehörigkeit und die dadurch konstruierte Gegensätzlichkeit von „Deutscher vs. Muslim“ wird von vielen Muslimen verinnerlicht und in ihre Selbstwahrnehmung eingebaut. So wie „der Muslim“ als Synonym des Fremden, Bedrohlichen und Gefährlichen stilisiert wird, kehren Muslime dieses Narrativ unhinterfragt in eine Abwehrhaltung gegen „den Deutschen“. Der Nazi, der Rassist, der antimuslimische Straftäter wird nicht mehr mit seiner Ideologie, seinen Vorurteilen oder seiner rechtswidrigen Tat wahrgenommen, sondern generalisierend als „der Deutsche“ markiert. Somit wird eben jene Haltung gespiegelt, die Muslime häufig als unberechtigte Distanzierungserwartung zurückweisen. So wenig, wie der muslimische Extremist stellvertretend für das Denken und Handeln der muslimischen Mehrheit steht, so wenig kann eine antimuslimische Haltung als Prädikat des „Deutschen“ formuliert werden.

Aber richtig ist auch: Je stärker Deutschland als exklusiver Raum definiert wird, umso stärker begreifen Muslime den Ort, an dem sie geboren worden sind, an dem sie leben, als fremdes Territorium – mit allen verheerenden spirituellen Wirkungen einer solchen Selbstentfremdung, einer self-alienation.

These 2 – Es gibt ein ethno-chauvinistisches, militant-nationalistisches Potential auf allen Seiten der Debatte

Mit der zunehmenden Ethnisierung und Politisierung der „Islam-Debatte“ driftet der gesellschaftliche Diskurs immer weiter weg von der tatsächlich gelebten, praktizierten islamischen Wirklichkeit, hin zu Ersatzdebatten über Identitäten, die alles andere als religiös definiert werden. Das Feld des (scheinbar) religiösen Diskurses  ist okkupiert von ethnisch-nationalen Wagenburgen, die – um einen populären Begriff zu verwenden – postfaktisch nur noch von einer gefühlten Wahrheit angetrieben werden. Ihre verschwörungstheoretische Grundüberzeugung, als letzte Verteidigungslinie der eigenen Identität in einer medial manipulierten Welt nur noch von Feinden umgeben zu sein, eint die sich als Endgegner begreifenden Fronten des gesellschaftlichen Diskurses. Wobei eben dieser Begriff zu optimistisch klingt. Wir führen schon seit geraumer Zeit keinen Diskurs mehr. Das Gespräch, die Disputation, der Meinungsstreit kommen praktisch gar nicht mehr vor. Argumente werden durch Emotionen ersetzt. Nationale Symbole dienen als Gefäß und gleichzeitig als Verstärker für eruptiven Trotz, für eine simulierte Stärke der eigenen Position, die nur noch durch Phrasen und Parolen artikuliert werden kann. Bereitschaft zum Zweifel, zur Nachfrage, zur Aufforderung nach Erläuterung und Präzisierung kann es in einer solchen Konstellation nicht mehr geben. Jede Einschränkung, jeder noch so zaghafte Widerspruch wird als Feindseligkeit wahrgenommen – und als erneute Bestätigung der eigenen Bedeutung und Legitimation. Dresden und Deutz sind einander reflektierende Phänomene. Aktuell Meinung

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  1. karakal sagt:

    Wenn ich irgendwo die Schmiererei „Mohammed ist ein Kinderficker“ lese, dann frage ich mich unwillkürlich, wer mit diesem „Mohammed“ gemeint sein könnte, denn der Prophet des Islams war kein solcher und kann somit nicht gemeint sein, und wir schreiben seinen Namen auch nicht „Mohammed“, sondern „Muhammad“.
    Auf die immer wieder auftauchende dumme Forderung, die Muslime sollen dorthin zurückkehren, woher sie gekommen sind oder sich „verpissen“, habe ich die Antwort: Wieviel zu zahlen sind Sie denn bereit, damit ich in ein anderes Land auswandere und mir dort eine Existenz aufbauen kann? Dann müssen Sie aber auch dafür sorgen, daß die BRD mit dem Land meiner Wahl ein Abkommen über meine Aufnahme schließt.

  2. Han sagt:

    Bei solchen Verlautbarungen weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Eine Rückbesinnung auf ein islamisches Glaubensverständnis ist keine gute Idee. Deutsche Militärs und die deutsche Außenpolitik arbeiten mit den Golfmonarchien zusammen, um Jihadisten mit (Chemie)-Waffen und militärisch Trainings zu versorgen. Seit dem Ende der Sowjetunion stehen die von der Sowjetunion unterstützten Regime Irak, Syrien und Libyen frei. Diese freie Bauern werden jetzt abgeräumt.

    Die deutsche Exekutiv hat mit der Abschaffung der Wehrpflicht systematisch auf eine Interventionsarmee zugearbeitet. Das Problem bei der deutschen Unterstützung für Interventionskriege und Terror liegt in der Abwehr von gegnerischen Terror. Die V-Leute bei den deutschen Moschee-Vereinen werden uns ebenso wenig schützen wie die V-Leute bei der NSU.

    Außerdem scheint mir diese neuerliche Begeisterung für islamische Bekenntnistheologie an den Hochschulen nichts mit einem ehrbaren Interesse an Religionswissenschaft zu tun zu haben, sondern man will wahrscheinlich V-Leute ohne Aufsehen in den „Communities“ unterbringen. Islamwissenschaft oder vergleichende Religionswissenschaft wäre wahrscheinlich besser.

    Noch besser wäre wahrscheinlich die Anerkennung von Religionsgemeinschaften als Körperschaft öffentlichen Rechtes an der inneren Demokratischen Verfassung zu knüpfen und das Privilegienbündel abzuschaffen. Genehmigungsfrei Grundstücke und Kunstwerke handeln zu können hilft Großkirchen und anderen Religionsgemeinschaften nur bei der Geldwäsche. Das Religionsverfassungsrecht sollte die Regelungen des italienischen Rechtes übernehmen, und bestimmte lokale, kollektive Güter von Religionsgemeinschaften spendenfinanziert herstellen lassen. Dazu ist kein Aufbau eines Vermögensstocks mit Grundstücken und Kunstwerken nötig.

    Die innere muslimische Solidarität kann es auch nicht geben, denn jüngst ist Marie Le Pen nach Kairo gereist, um Geld von den Vereinigten Arabischen Emiraten in Empfang zu nehmen. Die Jihadisten wollen die Rechtspopulisten im Kampf gegen die Muslimbrüder einbinden. Regierung, Rechtspopulisten, Großkirchen, Medien, Jihadisten und Militärs kämpfen zusammen gegen Frauen, Alte, Arbeiter, liberales Bürgertum und islamische Diaspora Gemeinschaften. Das muss man anerkennen.