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Die Linke © DIE LINKE Nordrhein-Westfalen @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Berlin-Wahl

Kaum Migranten auf den Landeslisten

In ihrem Wahlprogramm fordert die Linkspartei mehr Menschen mit Migrationsgeschichte im Öffentlichen Dienst. Auf den ersten 30 Plätzen der Landesliste ist jedoch nur ein Migrant zu finden. Von Yossi Bartal

Von Freitag, 09.09.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.09.2016, 21:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Dass die Berliner Linkspartei viele ihrer Wahlversprechen nicht allzu ernst nimmt, wird indirekt sogar öffentlich eingeräumt. Die Erklärungen des Parteivorsitzenden Klaus Lederer, er ziehe keine rote Linie für eine Regierungsbeteiligung ist ebenso eine klare Ansage in Richtung SPD und Grüne wie die ganz überwiegend dem rechten Flügel der Partei angehörenden Kandidaten der Landesliste. Die Message lautet: Mit uns kann man alles machen. Weder einen Privatisierungsstopp noch gar eine Bauoffensive für Sozialwohnungen, weder die Auflösung des Verfassungsschutzes, noch ein Ende der Massenlagerung von Geflüchteten brauchen eventuelle Koalitionspartner von einer nach Regierungsbeteiligung strebenden Linken zu befürchten.

In einem Punkt scheint die Linkspartei eine ihrer politischen Forderungen bereits vor der Wahl nicht umsetzen zu können – und dies in den eigenen Reihen. Obwohl die Partei unmissverständlich einen höheren Anteil von Migranten im öffentlichen Dienst fordert, findet sich kaum ein migrantischer Kandidat auf ihren Wahllisten. So kann als Person mit Migrationsgeschichte nur der kurdisch-stämmige Hakan Taş, der parteiintern Klaus Lederer nahesteht, auf einen Abgeordnetensitz hoffen. Auch laut optimistischen Prognosen wird die Linke jedoch nicht genug Stimmen bekommen, um der jungen kurdischen Aktivistin Jiyan Durgun auf Listenplatz 31 den Einzug zu ermöglichen. Dabei fehlt es durchaus nicht an geeigneten Personen: Die Linke stellt mehrere migrantische Direktkandidaten auf, allerdings in Wahlkreisen, in denen die Partei noch nie gewonnen hat. Dass es auch anderes gehen kann, zeigt ein Blick auf die Landesliste von 2011 – damals waren es noch fünf migrantische Kandidaten unter den ersten dreißig Listenplätzen.

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Wie sieht es bei den Wahllisten für die 12 Bezirksverordnungsversammlungen aus? – Auch nicht besser: Selbst in Bezirken mit einem hohen Migrantenanteil unter den Wahlberechtigten wie Kreuzberg-Friedrichshain und Neukölln bilden weiße Deutschen die überwiegende Mehrheit der von der Linkspartei aufgestellten Kandidaten. Im Bezirk Mitte, zu dem auch Wedding und Moabit gehören, oder in Tempelhof-Schöneberg gibt es überhaupt keine migrantischen Kandidaten auf erfolgversprechenden Plätzen. Die einzige eindeutige Ausnahme: Evrim Sommer, die als Bezirksbürgermeisterin von Lichtenberg kandidiert. Die kurdisch-stämmige Senatsabgeordnete hat tatsächlich reale Chancen zu gewinnen.

Die Linkspartei ist jedoch kein Einzelfall unter den Berliner linken Parteien. Die kommunistischen Wahllisten von DKP und PSG, die zu einem internationalistischen Kampf gegen Rassismus und Kapitalismus aufrufen, haben keinen einzigen migrantischen Kandidaten auf ihren Listen. Dasselbe gilt für die Piratenpartei. Selbst die Landesliste der Spaßpartei „Die Partei“ setzt sich nur aus weißen Deutschen zusammen, eine ethnische Gruppe die kaum für ihren Humor bekannt ist. Ausgerechnet die Grünen, die in den letzten vier Jahren häufig für ihre Stadtpolitik gegen Geflüchteten-Initiativen kritisiert wurden, warten mit den meisten Migranten auf den Wahllisten auf, gefolgt von der SPD. Doch auch diese beiden Parteien stellen einen prozentual geringeren Anteil auf, als eine Million Berliner mit Migrationsgeschichte erwarten ließen.

Wie das Wahlprogramm der Linkspartei zutreffend erklärt: „Eine Stadt der Vielfalt verlangt vielfältige Behörden, Unternehmen, Einrichtungen auf Landes- und bezirklicher Ebene.“ Schade nur, dass sie selber und die meisten Parteien diesem Anspruch nicht gerecht werden. Aktuell Meinung

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  1. Ein Problem bei der Aufstellung von migrantischen KandidatInnnen stellt das rassistische Deutsche Wahlgesetz dar. Viele haben weder passives noch aktives Wahlrecht obwohl Sie seid Jahrzehnten in Berlin leben. Deshalb fordern wir auch ein „Wahlrecht für alle hier lebenden Menschen. Keine Unterschiede zwischen Nationalität, Herkunftsland oder Aufenthaltsstatus.“.
    Mit Ali Gülbol (Spitzenkandidat – Parteilos) und Hasan Çötok haben wir zumindest auf unserer Bezirksliste 2 Menschen mit migrantischem Hintergrund.

  2. Spötter sagt:

    Nehmt Euch ein Beispiel an der AFD: Bystron, Pazderski … und bei Gauland weiß man auch nicht ob er hugenottische Vorfahren hat … lauter urdeutsche Namen. Bei den Grünen heißen sie Göring, Peter oder Roth.

  3. Gero sagt:

    …das rassistische Deutsche Wahlgesetz

    Selten habe ich solch einen ausgemachten Schwachsinn gelesen. Nach dieser „Lesart“ sind AUSNAHMSLOS alle Wahlgesetze saemtlicher Laender der Erde „rassistisch“. Eigentor, gratuliere!

  4. Mike sagt:

    „Ein Problem bei der Aufstellung von migrantischen KandidatInnnen stellt das rassistische Deutsche Wahlgesetz dar. Viele haben weder passives noch aktives Wahlrecht obwohl Sie seid Jahrzehnten in Berlin leben. Deshalb fordern wir auch ein „Wahlrecht für alle hier lebenden Menschen. Keine Unterschiede zwischen Nationalität, Herkunftsland oder Aufenthaltsstatus.“.
    Mit Ali Gülbol (Spitzenkandidat – Parteilos) und Hasan Çötok haben wir zumindest auf unserer Bezirksliste 2 Menschen mit migrantischem Hintergrund“

    Das „Problem“ lässt sich durch Einbürgerung lösen….

  5. Minella sagt:

    @Gero
    @Mike
    Der Rassismusvorwurf ist leider oft (und immer öfter) ein Mittel um die eigene Inkompetenz und Fehler bei anderen zu suchen. Das merkt man am besten im Gespräch mit erfolgreichen und integrierten Migranten. Diese sind dann auch differenzierter in ihrer Gesellschaftskritik und sind einsichtig wenn sie wegen ihrer Staatsbürgerschaft hier gewissen Einschränkungen unterliegen.

    Würden die Rassismusvorwürfe stimmen wäre die gesamte Menschheit rassistisch…

  6. Ich finde es unerträglich, wenn mein Freund Yossi Bartal, ein in Jerusalem geborener und aufgewachsener Jude, in diesem Forum unwidersprochen als „Antisemit“ verleumdet werden darf! Yossi hat einerseits aus der grauenvollen Verfolgungsgeschichte seiner (!) Gemeinschaft und seiner eigenen Familie, andererseits aus der Realität Israels, so wie er sie erlebte, andere moralische und politische Schlussfolgerungen gezogen als die zionistische Bewegung und die Unterstützer_innen der derzeitigen israelischen Regierung. Er ist darin nicht allein – prominentestes Beispiel einer Jüdin, die hierzulande von allzudeutschen „Anti-Deutschen“ (mit in der Regel mindestens einem Nazi-Opa), als „Antisemitin“ beschimpft wird, ist Judith Butler -, und das ist sein verdammtes Recht als Jude! Im Übrigen ist ein „Begriff von Antisemitismus“, der regelmäßig von nicht-jüdischen Personen vor allem gegen Jüd_innen in Stellung gebracht werden kann, offensichtlich ein falscher. Im Post von „vollinsknie“ wird das besonders deutlich: Die konkrete Forderung lautet hier nämlich:“Der Jude soll (weil er eine andere Sicht hat als „wir Antideutschen“) weg!“ DAS aber ist Antisemitismus pur.