Islam-Gelehrter
Gesichtsschleier keine Vorschrift
Die Gesichtsschleier für muslimische Frauen ist nicht religiös begründet. Das sagt der Generalsekretär des Fatwa-Rates der Azhar-Universität in Kairo. Es stehe einer Frau frei, einen Gesichtsschleier zu tragen, das dürfe aber nicht religiös rechtfertigt werden.
Donnerstag, 08.09.2016, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.09.2016, 21:32 Uhr Lesedauer: 1 Minuten |
Einer der weltweit einflussreichsten islamischen Gelehrten, Scheikh Khaled Omran, sieht keinen religiösen Grund für den Gesichtsschleier für muslimische Frauen. Die Vollverschleierung sei lediglich „eine Tradition“, sagte der Generalsekretär des Fatwa-Rates der Azhar-Universität in Kairo der ARD. Es stehe einer Frau zwar frei, einen Gesichtsschleier (Niqab) zu tragen, wenn das in ihrer Gesellschaft üblich sei. Doch dürfe eine Muslimin das nicht religiös rechtfertigen.
Zwar seien die Frauen des Propheten Mohammed verpflichtet gewesen, einen Gesichtsschleier zu tragen. Doch „diese Ausnahmen bieten keine Rechtfertigung für Nachahmung“, sagte Omran. Der Koran und die Überlieferungen des Propheten (Sunna) gäben als Richtlinien lediglich vor, dass Kleidung „nicht körperbetont, nicht enthüllend und nicht eng anliegend sein darf“. Omran hält darüber hinaus nichts davon, „wenn Menschen gezwungen werden, die Scharia zu befolgen“.
Die Azhar-Universität in der ägyptischen Hauptstadt Kairo ist die weltweit renommierteste sunnitisch-islamische Lehreinrichtung. Rechtsgutachten des Fatwa-Rates der Azhar gelten als gültig für Sunniten. (epd/mig)
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Es ist fraglich, ob Scheich Khaled Omran, der Generalsekretär des Fatwa-Rates der Azhar-Universität in Kairo tatsächlich zu den weltweit einflussreichsten islamischen Gelehrten gehört. Der Ruf der Azhar-Universität hat in letzter Zeit insbesondere dadurch gelitten, dass sich deren Führung auf die Seite der durch einen Militärputsch an die Macht gekommenen ägyptischen Regierung gestellt hat.
Rechtsgutachten (Fatwās) – gleich von wem auch immer erteilt – besitzen Verbindlichkeit nur für diejenigen Muslime, bei denen ihr Erteiler eine Autorität darstellt, und diese Verbindlichkeit ist nicht rechtlich wirksam, im Gegensatz zu Gerichtsurteilen. Es liegt bei jedem einzelnen Muslim, welche Institution oder welchen Gelehrten er als Autorität anerkennen und ihren Rechtsgutachten er folgen will oder auch nicht.
Scheich Omrans Aussage, der Gesichtsschleier sei nicht religiös begründet, ist zurückzuweisen, und diese Meinung wurde bereits in der Vergangenheit von zahlreichen islamischen Gelehrten widerlegt. Umstritten ist jedoch, unter welche islamrechtliche Kategorie von Handlungen der religiös begründete Gesichtsschleier fällt, ob ihn zu tragen vorgeschrieben, empfohlen, freigestellt oder sogar unerwünscht ist.