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Bundesrat

Keine Mehrheit für sichere Herkunftsstaaten in Sicht

Diesmal scheint der Kompromiss in letzter Minute zu scheitern: Kurz vor der Bundesratssitzung gibt es keine Einigung beim Thema sichere Herkunftsstaaten. Die umstrittene Regelung könnte im Vermittlungsausschuss landen.

Freitag, 17.06.2016, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 19.06.2016, 19:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Für die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten wird es am Freitag im Bundesrat aller Voraussicht nach keine Mehrheit geben. Wie am Donnerstag aus Kreisen der Länder in Berlin verlautete, ist bei den Gesprächen zwischen Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und den Grünen kein Kompromiss in Sicht. Mindestens drei von Grünen mitregierte Flächenländer müssten für das Gesetz stimmen, damit es durchkommt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich einen Tag vor der geplanten Abstimmung erneut klar für die Einstufung aus.

Dazu wird es aber wegen der Ablehnung der Grünen wahrscheinlich nicht kommen. Offen ist nur noch, ob über das Gesetz dennoch abgestimmt oder der Tagesordnungspunkt vertagt wird. Bei einer Vertagung hätten beide Seiten Zeit für ihre Verhandlungen gewonnen. Im Gespräch ist eine Protokollerklärung zu dem Gesetz, die Homosexuellen aus Marokko, Tunesien und Algerien besonderen Schutz garantieren soll.

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Ziel ist leichtere Abschiebung

Diese drei Länder sollen als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, um Asylbewerber von dort leichter ablehnen und zurückschicken zu können. Menschenrechtler kritisieren das mit Verweis auf Folter, Verfolgung Homosexueller und mangelnden Schutz vor sexueller Gewalt in diesen Ländern. Gibt es gegen eine Vertagung im Bundesrat Widerstand, bleibt das Gesetz auf der Tagesordnung und es wird abgestimmt. Bei einem Scheitern wird dann aller Voraussicht nach der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eingeschaltet, um kompromissfähige Änderungen am Gesetzentwurf vorzunehmen.

Thüringens Staatskanzleichef Benjamin Hoff (Linke) sagte am Donnerstag in Erfurt, man werde sich einem Vermittlungsausschussverfahren nicht verschließen. Er erwarte aber, dass es im Gegenzug tatsächlich substanzielle Angebote gebe. Dabei nannte er eine Altfallregelung für die vielen Flüchtlinge, deren Asylanträge schon lange auf Bearbeitung warten.

Merkel für Einstufung als sicher

Bundeskanzlerin Merkel bekräftigte unterdessen ihre Zustimmung für das Gesetz. Sie wünsche sich, dass durch die Einstufung ein Signal an die Menschen in den nordafrikanischen Ländern gesendet werde. Auch die Menschen in Deutschland erwarteten nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht „ein klares Signal“.

Nachdem einige Balkanstaaten von Deutschland als sichere Herkunftsländer eingestuft worden seien, habe sich die illegale Migration aus diesen Ländern in die Bundesrepublik stark verringert, sagte Merkel. Den Bedenken von Opposition und Menschenrechtsorganisationen hielt die Kanzlerin entgegen, dass auch nach der Einstufung eine individuelle Prüfung auf Asyl möglich bleibe.

Anwaltverein: Gesetz verstößt gegen EU-Recht

Menschenrechtsorganisationen appellierten vor der Bundesratssitzung erneut an die Länder, das Gesetz über sichere Herkunftsstaaten abzulehnen. Es gehe an die Substanz des individuellen Grundrechts auf Asyl, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Bei Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten wird prinzipiell vermutet, dass sie keiner Verfolgung ausgesetzt sind.

Der Deutsche Anwaltverein erklärte, das Gesetz würde gegen europäisches Recht sowie gegen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verstoßen. Rechtsanwältin Gisela Seidler verwies auf die EU-Verfahrensrichtlinie, nach der in den betreffenden Ländern unter anderem keine Folter zu befürchten sein dürfe.

Diakonie-Präsident Lilie sagte zudem mit Blick auf die drastisch gesunkene Zahl der Asylanträge von Menschen aus diesen Herkunftsländern, es bestehe kein Handlungsbedarf. Ingesamt stellten Marokkaner, Algerier und Tunesier von Januar bis Ende Mai rund 3.200 Asylanträge. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums waren Ende April rund 7.300 der insgesamt 128.000 in Deutschland lebenden Marokkaner, Algerier und Tunesier ausreisepflichtig. Etwa 4.700 von ihnen haben eine Duldung. (epd/mig) Aktuell Politik

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