Kritik
Integrationsgesetz bei Experten umstritten
Kommende Woche will die Bundesregierung ihr Integrationsgesetz auf den Weg bringen. Es folgt dem Grundsatz "Fördern und Fordern" - wie bei den Hartz-Reformen. Unter Verbänden und Migrationsexperten ist das umstritten.
Freitag, 20.05.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.05.2016, 0:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das von der Bundesregierung geplante Integrationsgesetz sorgt weiter für Kritik. Am Donnerstag veröffentlichten Verbände, darunter Diakonie und Pro Asyl, einen „Brandbrief“ an Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), in dem sie fordern, vorgesehene Regelungen wie die Wohnsitzzuweisung und Sanktionen bei Nichteinhaltung von Integrationspflichten zu streichen. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration begrüßte dagegen im Grundsatz die Stoßrichtung des Gesetzespakets, das in der kommenden Woche bei der Klausur in Meseberg vom Bundeskabinett beschlossen und dann ins Parlament gegeben werden soll.
Der Gesetzentwurf folgt dem Prinzip des „Förderns und Forderns“, wie auch die Überschrift über den Hartz-Reformen lautete. Der Sachverständigenrat erklärte, damit würden Asylbewerber mit anerkannten Flüchtlingen, anderen Drittstaatsangehörigen, die nicht aus humanitären Gründen gekommen sind, und Hartz-IV-Beziehern gleichgestellt. Die Vorsitzende Christine Langenfeld begrüßte das: „Der Grundsatz des Förderns und Forderns für alle als zentrales integrationspolitisches Leitmotiv vieler Einwanderungsländer hat sich bewährt.“
Zum „Fördern und Fordern“ des Gesetzes gehört, dass ein neues Arbeitsmarktprogramm für Flüchtlinge sowie Erleichterungen bei Ausbildung, Arbeit und jeweiligen Fördermöglichkeiten geschaffen werden. Auf der anderen Seite sollen Integrationspflichten festgelegt werden. Bei Verstoß droht eine Kürzung der Sozialleistungen. Außerdem sollen Flüchtlinge andere Migranten gleichgestellt werden, was das Daueraufenthaltsrecht angeht. Statt es nach drei Jahren automatisch zu verleihen, soll es künftig erst nach fünf Jahren und unter der Bedingung erteilt werden, dass ausreichende Deutschkenntnisse vorhanden sind und der Lebensunterhalt selbst gesichert wird.
Verbände kritisieren das scharf. Dies führe zu einer Verlängerung der aufenthaltsrechtlichen Unsicherheit von Geflüchteten und lasse die besondere Lebenssituation der von Flucht, Verfolgung und Traumatisierung betroffenen Menschen unberücksichtigt, heißt es in dem „Brandbrief“, den auch der Paritätische Gesamtverband und der Rat für Migration unterzeichnet haben. Dem „Fördern und Fordern“ können die Verbände nichts abgewinnen. „Der Entwurf gleicht einem Sanktionskatalog und vermittelt den Eindruck, als fehle es an Integrationsbereitschaft bei den Geflüchteten“, erklärte der Vorsitzende des Paritätischen, Rolf Rosenbrock.
Auch die Diakonie beklagt, der Entwurf sei „an vielen Stellen von einer ablehnenden und misstrauischen Haltung gegenüber Schutzsuchenden geprägt“. Der evangelische Wohlfahrtsverband wie auch die anderen Organisationen lehnen zudem die geplante Wohnsitzzuweisung ab, die Flüchtlingen zur Vermeidung von Ghettobildungen in Städten den Wohnort vorschreiben soll. Dies trenne Familien und schade insbesondere Kranken, Traumatisierten und Kindern, argumentiert die Diakonie.
Kritisch sehen sowohl Verbände als auch der Sachverständigenrat die Unterscheidung zwischen verschiedenen Gruppen von Asylbewerbern. So nimmt der Gesetzentwurf Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten und schlechter Bleibeperspektive von Integrationsangeboten aus. Während Diakonie und andere Verbände diese Unterscheidung grundsätzlich ablehnen, äußert der Sachverständigenrat zumindest Zweifel bei den Plänen für Menschen mit unklarer Bleibeperspektive, die nach den Eckpunkten der Koalition ein abgespecktes Angebot – sogenannte Orientierungskurse – bekommen sollen. Mit dieser neuen Hierarchisierung würden beispielsweise Menschen aus Afghanistan bei der Integration schlechter gestellt, erklärte Langenfeld: „Das ist integrationspolitisch kontraproduktiv.“ (epd/mig) Aktuell Politik
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