Fördern und fordern
Koalition einigt sich auf Integrationsgesetz
Nach dem Motto "Fördern und Fordern" will die Koalition ein Integrationsgesetz auf den Weg bringen. SPD-Chef Gabriel feiert es als "historischen Schritt". Opposition und Verbände sind kritischer. Die geplanten Sanktionen lehnen sie ab.
Freitag, 15.04.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.04.2016, 0:38 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Spitzen der Koalition haben sich auf ein Integrationsgesetz geeinigt. CDU, CSU und SPD vereinbarten unter anderem ein Arbeitsmarktprogramm für 100.000 zusätzliche Jobs aus Bundesmitteln. Wie aus einem in der Nacht zu Donnerstag veröffentlichten Ergebnispapier weiter hervorgeht, soll es zudem Integrationspflichten geben, die bei Nichteinhaltung mit der Kürzung von Sozialleistungen bestraft werden sollen. Auch die zuvor diskutierte Gestattung eines Daueraufenthalts nur bei Integrationsleistungen und eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge finden sich in dem Papier.
Wie SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in der Nacht auf Twitter mitteilte, dauerten die Beratungen sechs Stunden. „50 Jahre nach dem Beginn der Einwanderung bekommt Deutschland jetzt ein Integrationsgesetz“, kommentierte er die Einigung. Neben den Partei- und Fraktionschefs nahmen auch die zuständigen Fachminister an dem Treffen teil. Die Eckpunkte sollen dem Koalitionsbeschluss zufolge am 22. April bei der Ministerpräsidentenkonferenz erörtert werden. Vom Kabinett beschlossen werden soll das Gesetz am 24. Mai auf der Klausurtagung der Bundesregierung in Meseberg.
Union und SPD vereinbarten zudem einen Katalog von Maßnahmen zur besseren Bekämpfung von Terrorismus. Ergebnisse über weitere Streitthemen wie das Gesetz zur Leiharbeit und Werkverträgen blieben zunächst offen.
Gabriel: historischer Schritt
Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel bezeichnete es als „qualitativen Fortschritt“, dass der Bund Integration nun als gesetzliche Aufgabe betrachte. Für Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) ist die Einigung ein „historischer Schritt“. Erstmals werde Deutschland ein Integrationsgesetz bekommen, sagte der SPD-Chef am Donnerstag in Berlin. Das Vorhaben sei „pragmatisch“. Es mache Zuwanderern in Deutschland klar: „Leistung lohnt sich.“ Gabriel betonte, Deutschland wolle keine Zwangsassimilierten. Wer hierzulande jedoch dazugehören wolle, der müsse etwas dafür tun. Integration sei anstrengend und fordernd: für die Migranten, die Gesellschaft und auch für den Staat. Dabei habe der Staat die Aufgabe, die Integration zu steuern, sagte der Bundeswirtschaftsminister.
Bei den Eckpunkten für ein Integrationsgesetz orientiert sich die Koalition am Grundsatz des „Förderns und Forderns“, wie es im Papier heißt. Auf der einen Seite stehen das Arbeitsmarktprogramm, das abgelehnten Flüchtlingen und Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive nicht offenstehen soll, Erleichterungen bei der Ausbildungsförderung, eine Aufhebung der Altersgrenze bei Ausbildungen und eine Verkürzung der Wartezeit auf einen Integrationskurs von drei Monaten auf sechs Wochen. Auch die von der Wirtschaft geforderte Aufenthaltsgarantie für die Dauer einer Ausbildung und eine Bleibeerlaubnis für weitere zwei Jahre, wenn sich eine Beschäftigung anschließt, sollen im Gesetz festgeschrieben werden.
Sanktionen bei Integrationsverweigerung
Auf der anderen Seite will die Koalition „Mitwirkungspflichten“ der Flüchtlinge bei der Integration festlegen. Das Ablehnen oder der Abbruch von Maßnahmen sollen demnach zu Leistungseinschränkungen führen. Es sollen außerdem auch Flüchtlinge, die bereits über einfache Deutschkenntnisse verfügen, mit Blick auf den Zugang zum Arbeitsmarkt zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet werden können. In den Kursen selbst soll die Wertevermittlung künftig eine stärkere Rolle spielen. Die entsprechenden Unterrichtseinheiten sollen von 60 auf 100 erhöht werden.
Ein Daueraufenthaltsrecht soll es künftig nur für anerkannte Flüchtlinge geben, die bestimmte Voraussetzungen unter anderem bei Sprache, Ausbildung und Arbeit erfüllen. Sie sollen damit weitgehend Arbeitsmigranten gleichgestellt werden, wobei die Koalition verspricht, die besondere Lage der Flüchtlinge bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen. Auch die bereits vieldiskutierte Wohnortzuweisung für anerkannte Flüchtlinge soll es geben, um „soziale Brennpunkte“ zu vermeiden. Insbesondere Details in diesem Punkt sollen in der kommenden Woche mit den Ministerpräsidenten abgestimmt werden.
Pro Asyl: Gesetz treibt in soziale Abhängigkeit
Die Eckpunkte des Integrationsgesetzes stoßen bei der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl auf Widerstand. Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte die vorgesehenen Sanktionen bei Nichteinhaltung von Integrationspflichten und die geplante Wohnsitzauflage. „Ein Integrationsgesetz, das Sanktionen vorsieht, fördert entgegen aller Fakten das Vorurteil, Flüchtlinge wollten sich nicht integrieren“, sagte Burkhardt.
Entscheidend für die Integration seien Spracherwerb und vor allem der Aufenthaltsstatus. Genau das werde Flüchtlingen oft jahrelang verweigert, sagte Burkhardt. Die Wohnsitzauflage, die den massenhaften Zuzug in Großstädte verhindern soll, bezeichnete Burkhardt als „desintegrativ“. „Jobs findet man aus der Nähe, durch Netzwerke und direkte Kontakte“, sagte er. Die Auflage werde Flüchtlinge in die soziale Abhängigkeit treiben. (epd/mig) Aktuell Politik
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