A für Deutschland
Die Verteidigung der Volksgesundheit
Die sächsische AfD möchte, dass Kunst einen "positiven Bezug zur Heimat" schafft. Das ist ganz schön rechtsextrem, wenn man genau hinguckt. Von Houssam Hamade
Von Houssam Hamade Donnerstag, 31.03.2016, 8:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 31.03.2016, 16:54 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Wie demokratisch ist die AfD? Offiziell gibt sie sich als Verteidigerin der Freiheit und der „westlichen Werte“. Aber das sind gefügige Begriffe. Und keine Partei kann offen undemokratisch sein, sonst ist sie nicht mehr lange eine Partei. Also muss genau hingeschaut werden. Das wurde in den letzten Wochen schon viel getan. Hier soll die Lupe nun an Artikel 2.8.2 des vorläufigen Wahlprogramms der AfD Sachsen-Anhalts von 2016 angesetzt werden. Hier heißt es:
„Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern. Die Bühnen des Landes Sachsen-Anhalt sollen neben den großen klassischen internationalen Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen.“
„Positive Identifikation zur Heimat“ hört sich erst einmal irgendwie gut an. Aber in Deutschland sollte man gelernt haben, auch den Umkehrschluss mitzudenken: Was heißt es, wenn ein Theaterstück eben keinen positiven Bezug zur Heimat bildet, sondern einen kritischen? Wie verhielte es sich beispielsweise mit Brechts „Mutter Courage“? Oder mit einer Aufführung von Heinrich Manns „Der Untertan“? Darin wird die Geschichte des Diederich Hessling und dessen Aufstieg zur Macht in der Gesellschaft des deutschen Kaiserreiches erzählt. Dessen Konformismus, Obrigkeitshörigkeit und seine feige und opportunistische Vaterlandsliebe fördern wohl kaum einen „positiven Bezug zur Heimat“. Im Gegenteil, beide Werke sind äußerst kritisch gegenüber der „Liebe zum Vaterland“. Wie geht man als an die Macht gekommene Partei mit solchen Fällen um? Belässt man es bei einer Rüge? Das an sich wäre schon ein sehr zweifelhaftes Verständnis von Kunst, die quasi den Zwecken der Politik und des Vaterlandes unterstehen soll. Aber Wahlprogramme sind ja zumindest prinzipiell dazu da, den Wählenden eine Vorstellung davon zu geben, welche Gesetze man erlassen möchte. Diese in ein Gesetz gegossene Forderung könnte ungefähr so aussehen: „Wer Theaterstücke wie Heinrich Manns ‚Der Untertan‘ aufführt, dem wird die (ganz schön großzügige) Berechtigung entzogen, Kunst zu schaffen. Bei wiederholter Zuwiderhandlung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.“.
Zu verbietende Bücher und Filme müssten übrigens nach dem Prinzip der Gleichbehandlung zu den zu verbietenden Museumsausstellungen, Orchesteraufführungen und Theaterstücken hinzukommen. Es stellt sich auch die Frage nach Internetseiten, die quasi „undeutsche“ oder „volkszersetzende“ Gedanken verbreiten.
Spätestens an dieser Stelle wird in den Köpfen der dies lesenden „Besorgten“ die Nazikeule-Keule geschwungen werden: „undeutsch“ und „volkszersetzend“ sind Nazibegriffe. Die zu verwenden mache einen unlauteren Vergleich auf.
Die Schwierigkeit ist nur, dass es kaum möglich ist, über Denkkonzepte und Ideen der neuen Rechten zu sprechen, ohne Begriffe der alten Rechten zu verwenden. Genau darum werden sie ja auch von der neuen Rechten selbst verwendet: Der Ruf „Volksverräter“ ist bei den Pegida-Demonstrationen Standard, Interviewte AfD-ler, Pegidisten und Kommentarspaltentarzans sprechen dazu gerne auch von der „Volksgemeinschaft“, die es zu schützen gelte, und auch AfD-Sprecher Höcke sieht sich als Verteidiger der deutschen „Volksgesundheit„.
Man sollte nicht jeden Akt von Polizeigewalt und jeden militärischen Einsatz gleich als faschistisch oder totalitär bezeichnen, aber hinter Vorstellungen einer Volksgesundheit steckt totalitäres Gedankengut (das wird man doch wohl noch sagen dürfen!). Man stellt sich damit nämlich „das Volk“ als einen Körper vor, der irgendwie natürlich gewachsen ist, der gesund oder krank sein kann, den Bazillen und Viren befallen können, der zwei Arme zwei Beine und einen Kopf hat. Die fehlende Liebe zur Heimat wird dann ganz schnell zum Virus, der den gesamten Volkskörper krank machen wird. Und dieser Virus muss ausgestoßen oder vernichtet werden, es geht nämlich ums Große und Ganze. Und da die vorgeschriebene „Liebe zur Heimat“ eben keineswegs „natürlich“ ist, und da die Menschen ihre ganz eigenen Köpfe und Vorstellungen haben, muss man langfristig entweder von dieser Vorstellung ablassen, oder sie muss erzwungen werden. Und zwar nach Hannah Arendt mit den Mitteln des Terrors.
Aber um die Kirche doch im (nicht nur sächsischen) Dorf zu lassen, das vorläufige Wahlprogramm der AfD unterscheidet sich in vielen Punkten sehr wesentlich von dem der NSDAP. Aus dieser Bewegung muss nicht unbedingt ein neuer deutscher Faschismus werden. Auch die Volksrepublik China kümmert sich um das Wohl ihrer „Volksgesundheit“ und die ist ja nicht per se faschistisch. In jedem Fall zeigt sich hier proto- totalitäres Konzept, aus dem nichts Gutes entstehen wird. Es ist anzunehmen, dass die AfD ihre öffentlichen Aussagen in Zukunft glattbügeln und anpassen wird. Man sollte sich von dieser Anpassung nicht blenden lassen. Die AfD ist eine extrem rechte Partei und sie fördert extrem rechte Denkweisen in der Bevölkerung. Aktuell Meinung
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„Man stellt sich damit nämlich „das Volk“ als einen Körper vor, der irgendwie natürlich gewachsen ist, der gesund oder krank sein kann, den Bazillen und Viren befallen können, der zwei Arme zwei Beine und einen Kopf hat. Die fehlende Liebe zur Heimat wird dann ganz schnell zum Virus, der den gesamten Volkskörper krank machen wird.“
Aber Liebe zur Heimat hat doch nichts mit Deutschland zu tun. Das ist eine ganz individuelle Mischung von kulturellen Leckerbissen, die man sich am weltweiten Buffet zusammensucht. Brecht törnt irgendwie nicht so an, Heinrich und Klaus Mann dagegen schon. Auch Trakl, Benn, Jonathan Swift und Woody Guthrie, der große amerikanische Gewerkschafter und Patriot.
„Heimat“ ist eine geistige Heimat, eine Denkrichtung, die sich überall auf der Welt wiederfindet. Man kann Heimat nicht auf so etwas Schnödes wie einen Nationalstaat oder eine Verwaltungseinheit wie Deutschland beziehen. Was wäre das für ein armseliger Heimatbegriff!
„Home is where the heart is“. Heimat hat nichts mit Geographie zu tun, sondern ist eine geistige Verbindung mit bestimmten Menschen über Ort und Zeit hinweg.
Das ist sehr gut gesagt und sie haben völlig Recht. Nur sieht es die sächsische AfD ganz eindeutig nicht so.
Viele große deutsche Politiker haben betont, dass die Kunst freier sei in ihrer Meinungsäußerung als die Politik, die stets auf Kompromisse aus sein müsse. So z.B. der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Daraus schließe ich, dass die Politik der Kunst nicht das Wort reden darf, sondern die Freiheit der Kunst schützen sollte.
Nehmen wir doch einmal ein klassisches deutsches Drama: Lessings Nathan der Weise. Das ist für mich ein Stück geistige Heimat, auch wenn es in Jerusalem spielt. Und übrigens ein Drama, das die Toleranz zwischen den Religionen forderte und ggf. auch förderte (und die Relativität ihres Absolutheitsanspruches herausstrich).