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Der Deutsche Bundestag (Archivfoto) © Lichtblick / Achim Melde

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Holocaust-Überlebende würdigt Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik

Beim diesjährigen Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag setzte die amerikanische Schriftstellerin und Holocaust-Überlebende Ruth Klüger einen Lichtpunkt. Vor dem Hintergrund des Koalitions-Streits um Obergrenzen leuchtete er umso heller. Von Bettina Markmeyer

Von Bettina Markmeyer Donnerstag, 28.01.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 02.02.2016, 17:46 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Jedes Jahr stellt sich die Frage, ob es dem Bundestag gelingt, beim Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus einer sich einschleichenden Routine zu entgehen. Am Mittwoch war es die amerikanische Schriftstellerin und Holocaust-Überlebende Ruth Klüger, die mit einem sehr persönlichen Lob für den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik einen Lichtpunkt setzte. Vor dem Hintergrund des Koalitions-Streits um die Aufnahmefähigkeit Deutschlands leuchtete er umso heller.

Die 84-jährige Klüger sagte in ihrer Gedenkrede, Deutschland, das vor 80 Jahren für die schlimmsten Verbrechen des Jahrhunderts verantwortlich gewesen sei, habe heute „den Beifall der Welt gewonnen dank seiner geöffneten Grenzen und der Großzügigkeit, mit der Sie syrische und andere Flüchtlinge aufgenommen haben und noch aufnehmen.“

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Dies sei der Hauptgrund, warum sie mit Freude die Einladung angenommen habe, im Rahmen des Holocaust-Gedenktags vor dem Bundestag zu sprechen. Trotz Hindernissen und Rückschlägen werde an diesem „gegensätzlichen Vorbild“ zum Deutschland der Nazi-Zeit gearbeitet „mit dem schlichten und dabei heroischen Slogan: Wir schaffen das“.

Klüger schilderte in ihrer Rede ihre Inhaftierung im KZ Groß-Rosen im heutigen Polen, in dessen Außenlager Christianstadt sie als 13-Jährige Zwangsarbeit im Forst und im Steinbruch leisten musste. Ihr eigenes Überleben, sagte sie, verdanke sie einem Zufall von wenigen Minuten und der Hilfe einer Frau, die sie nie wiedergesehen habe. Nach der Auflösung des Lagers gelang ihr mit ihrer Mutter und einer Freundin die Flucht vom „Todesmarsch“, auf dem sie nach Westen geschickt worden waren.

Klüger ging besonders auf die Leiden der Frauen in den Konzentrationslagern ein und kritisierte, dass die Zwangsprostituierten im KZ Mauthausen und anderen Lagern nie als Zwangsarbeiterinnen anerkannt worden seien. „Für sie galt der Respekt vor den Überlebenden nicht“, sagte sie: „Wir müssen sie einschließen, wenn wir der Zwangsarbeiter gedenken“.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte in seiner Ansprache das Gedenken an die Zwangsarbeiter ins Zentrum gestellt. Im Bundestag hatte er dazu am Morgen eine Ausstellung eröffnet. Er sagte, 13 Millionen Zwangsarbeiter im Deutschen Reich seien in einem perfiden System zur Sklavenarbeit verdammt gewesen. Es habe sich um „ein Massenphänomen“ gehandelt, „ein vor aller Augen begangenes Verbrechen“. Niemand habe es leugnen können. Zwangsarbeiter hätten bei Handwerkern und in Großkonzernen gearbeitet, in der Landwirtschaft, bei den Kirchen und in Privathaushalten. Die Entschädigungen, die Deutschland erst sehr spät gezahlt habe, könnten nicht mehr sein als eine Geste.

Mit Blick auf das Werk von Ruth Klüger, die sich zeitlebens mit den Schuldgefühlen der Überlebenden auseinandersetzte, erinnerte Lammert daran, dass Folter und Unrecht die Opfer niemals verließen. Ihre Leiden mahnten, dass Willkür und Unfreiheit nie wieder die Herrschaft übernehmen dürften. Lammert forderte ein Bekenntnis gegen Ausgrenzung, Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Das gelte für alle Menschen in Deutschland, egal wann und aus welchem Grund sie hierher gekommen seien, sagte er.

Der Holocaust-Gedenktag wird bundesweit am 27. Januar begangen, dem Datum, an dem im Jahr 1945 das Konzentrationslager Auschwitz von den Alliierten befreit worden war. An der Gedenkstunde des Bundestages nehmen auch die Staatsspitzen teil.

Ruth Klüger wurde 1931 in Wien unter dem Namen Susanne Ruth als Tochter eines jüdischen Arztes und seiner Frau geboren. Die Familie wurde nach Theresienstadt deportiert und von dort ins Vernichtungslager Auschwitz. Ihr Vater und ihr Halbbruder wurden ermordet. Die heute 84-Jährige zählt zu den bekanntesten Germanistinnen in den USA. Als Schriftstellerin machte sie sich mit ihrer Autobiografie einen Namen. (epd/mig) Feuilleton Leitartikel

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