Prof. Dr. Wilfried Bos, Prof. Dr. Gianni D’Amato, Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan, Prof. Dr. Heinz Faßmann, Prof. Dr. Christine Langenfeld (Vorsitzende), Prof. Dr. Christian Joppke, Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Ludger Pries (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Thomas K. Bauer (v.r.n.l.) bei der Vorstellung des SVR-Jahresgutachtens. © SVR
Prof. Dr. Wilfried Bos, Prof. Dr. Gianni D’Amato, Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan, Prof. Dr. Heinz Faßmann, Prof. Dr. Christine Langenfeld (Vorsitzende), Prof. Dr. Christian Joppke, Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Ludger Pries (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Thomas K. Bauer (v.r.n.l.) bei der Vorstellung des SVR-Jahresgutachtens. © SVR

SVR Jahresgutachten

„Ihre Renten werden von Zuwanderern bezahlt.“

Die Wissenschaftler des Sachverständigenrates für Migration loben deutsche Zuwanderungsregeln, fordern aber eine Reform des Asyl-Systems auf EU-Ebene, die bei Pro Asyl aber auf Kritik stößt. Integrationsbeauftragte Özoğuz fordert Einwanderungspolitik aus einem Gus.

Mittwoch, 29.04.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Deutschland ist beim Thema Einwanderung nach Ansicht von Wissenschaftlern zum Vorreiter geworden. In seinem am Dienstag veröffentlichten Jahresgutachten bescheinigt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration der Bundesrepublik ein „fortschrittliches migrationspolitisches Instrumentarium“.

Forderungen, kanadische oder US-amerikanische Regelungen zu übernehmen, seien von wenig Sachkenntnis geprägt, sagte die Vorsitzende des Rates, Christine Langenfeld, in Berlin. Deutschland brauche kein Punktesystem, betonte sie. Reformwillen fordern die Experten aber beim Thema Asyl – und schlagen freie Wohnortwahl für Flüchtlinge vor.

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Selbstverständnis als Einwanderungsland festigen

Langenfeld lobte die deutschen Regelungen zur Anwerbung von Akademikern und Fachkräften in Ausbildungsberufen. Änderungsbedarf sieht sie allerdings bei der nach wie vor teils stockend verlaufenden Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Zudem bemängeln die Experten im Gutachten, dass die deutschen Zuwanderungsregeln zu wenig bekannt seien und fordern eine konsequente „rote Linie“ der Politik. Das Selbstverständnis Deutschlands als Einwanderungsland müsse noch gefestigt werden.

Bei ihrem Plädoyer für mehr Einwanderer sehen sich die Wissenschaftler auch von den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes bestätigt, nach denen Zuwanderung in der Lage ist, den Bevölkerungsrückgang in Deutschland zu bremsen. Der Bildungsforscher Wilfried Bos betonte, angesichts der demografischen Entwicklung sei Zuwanderung notwendig: „Ihre Renten werden von Zuwanderern bezahlt.“

Özoğuz: Einwanderungspolitik aus einem Guss

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), forderte vor dem Hintergrund des Gutachtens erneut ein Einwanderungsgesetz. „Deutschland ist als Einwanderungsland zwar besser als sein Ruf, aber es fehlt noch immer an einer stimmigen Einwanderungspolitik aus einem Guss, die von unserer Bevölkerung nachvollzogen werden kann“, sagte sie in Berlin.

Download: Das Jahresgutachten des Sachverständigenrates können Sie hier kostenlos herunterladen. Das Gutachten zieht einen internationalen Vergleich zwischen der Migrations- und Integrationspolitik Deutschlands und ausgewählten EU-Staaten sowie klassischen Einwanderungsländern wie Kanada und den USA.

Dabei sehen die Wissenschaftler in diesem Bereich selbst keine Notwendigkeit neuer Gesetze. Anders ist dies beim Thema Asyl: In kaum einen anderem Feld bestehe so offensichtlicher Handlungsbedarf, heißt es im Jahresgutachten mit Blick auf die Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer.

Sachverständige halten am Dublin-System fest

Die Sachverständigen plädieren dabei für den Erhalt des umstrittenen Dublin-Systems, nach dem der Ersteinreisestaat für Asylverfahren, Unterbringung und gegebenenfalls Abschiebung von Flüchtlingen zuständig ist. Die betroffenen EU-Grenzstaaten sollen aber finanzielle und logistische Hilfe dafür erhalten, dass sie einen großen Teil dieser gesamteuropäischen Aufgabe übernehmen, fordert der Rat.

Kombiniert werden soll das Dublin-System nach ihrem Vorschlag durch das Prinzip freier Wohnortwahl nach erfolgreichem Abschluss eines Asylverfahrens. Die Staaten in Südeuropa bekämen Gewissheit, dass anerkannte Flüchtlinge in den Westen und Norden Europas weiterwandern, argumentieren die Wissenschaftler. Die Länder im Norden bekämen im Gegenzug mehr Flüchtlinge, aber weniger Asylbewerber. Daneben fordert der Rat mehr gemeinsame Aufnahmeprogramme der EU für Bürgerkriegsflüchtlinge.

Pro Asyl und Linke kritisch

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl reagierte skeptisch auf den Vorschlag der Wissenschaftler. Die Ersteinreisestaaten in Europa müssten dadurch unterstützt werden, dass Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan nach Deutschland durchreisen dürfen, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt dem Evangelischen Pressedienst. „Denn hier wollen sie berechtigterweise hin, weil hier oft ihre Angehörigen leben“, sagte er. In Bulgarien, Griechenland oder Ungarn sei es indes nicht möglich, kurzfristig in menschenrechtskonformer Weise Aufnahme und Asylverfahren zu organisieren.

Deutliche Kritik kommt von der Linkspartei. „Es ist keine gute Idee des Sachverständigenrats, am gescheiterten Dublin-System festhalten zu wollen“, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion. Der Vorschlag des Sachverständigenrats habe erhebliche Nachteile und leide an „Realitätsferne“. Denn an den akuten Problemen werde sich dadurch nichts ändern. „Die Annahme gleicher und fairer Asyl-Mindeststandards in allen Ländern der EU war und ist – leider –eine Illusion“, so Jelpke. Außerdem habe das Modell des Sachverständigenrates einen weiteren offenkundigen Nachteil: „Sollen sich Schutzsuchende künftig zwei Mal neu einleben und die Sprache des jeweiligen Aufnahmelandes lernen müssen? Oder sollen sie die Zeit im Erstaufnahmeland als bloße Wartezeit betrachten und untätig bleiben, weil sie ohnehin eine Weiterwanderung in ein anderes Land der EU, nach der Anerkennung, planen?“, fragt Jelpke. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft Studien

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  1. Han Yen sagt:

    Immer wieder werden wesentliche Informationen weg gelassen. In die Rentenansprüche fliessen nicht nur Leistungsgesichtspunkte ein, sondern es werden auch Status-Gesichtspunkte berücksichtigt.

    In der Bundesrepublik gab es jüngst zwei grosse Einwanderungswellen, die das Rentensystem stark belasten – die DDR Einwanderung und die der deutschen Aussiedler. Beide Einwanderer-Gruppen reissen riesige Lücken in die Rentenkasse in ein System, wo die gesetzliche Renteneintrittsalter regelmässig um 59 Jahre ihren Peak hat.

    Der wesentliche Unterschied zwischen den türkischen und südeuropäischen Gastarbeitern ist, dass sie ihre Rentenansprüche im BRD-System erworben hat, während die DDR Einwanderer und die deutschen Aussiedler ihre Rentenansprüche in einem wesentlich unproduktiveren Wirtschaftssystem erworben hat. Bei den Einwanderungskohorten der deutschen Aussiedler ist das Zuwanderungsalter sehr hoch. Die Anrechnungspunkte sind völlig unsinnig und im Endeffekt haben wir eine gewaltige Umverteilung von den alteingesessenen Bundesbürger und Gastarbeiter in Richtung DDR-Bürger und deutsche Aussiedler. Die Renten der deutschen Manager, Beamten und Politiker sind dabei nicht betroffen.

    Besonders amüsant ist dabei, dass die Bundesregierung die Staatsbürgerschaftsvergabe an die deutschen Aussiedler Familien nicht unbedingt an deutsche Ethnizität knüpft – es sind auch eine ganze Reihe an russischer Verwandtschaft Staatsbürger geworden. Die Integrationsleistungen für deutsche Aussiedler sind ausgesprochen grosszügig für ethnische Deutsche wie auch für deren „undeutsche“ Verwandtschaften.

    Die deutschen Aussiedler sind dafür bekannt, CDU zu wählen und sichern ihre Umverteilungsgewinne an der Wahlurne ab und durch bewusste rassistische Diskurstaktiken, die keinen Bezug zum tatsächlichen Leistungsaustausch haben.

    Ämusant ist dabei, dass sie bei ihrem Versuch ihre Umverteilungsgewinne rhetorisch mit „Beheimatungsdiskursen“ abzusichern, wegen ihrer kulturellen Andersartigkeit nicht von deutschen Neonazis als Deutsche anerkannt werden. Nicht wenige fühlen sich wegen der Fremdzuschreibung durch die Bundesdeutschen als „Russen“.

    Die deutsche Regierung versucht immer wieder hausgemachte Probleme, die sie selber durch eigene Mißwirtschaft verursacht auf völlig Unbeteiligte abzuwälzen, die zum Teil nicht das Wahlrecht hat.

    Zudem versorgen transnationale Familien über Rücküberweisungen ihre Familien in den Auswanderungsländern aus denen dann Konsumsteuern und bei Bauspar-Investitionen Grundsteuern anfallen. Die Bundesregierung hat durch ihre aggressive Freihandels-Handelspolitik im Rahmen der EU, bereits Zoll- und Handelsschranken abgebaut und deutsche Konzerne konnten sich einen großen Kuchen an den transnationalen Steuerbeiträgen der Zuwanderer in Form von Subventionen, Steuernachlässen und Regierungskrediten sichern. Gleichzeitig gelingt es den Konzernen ihre Körperschaftssteuer transnational mit Steueroasen, Tochterfirmen undVerechnungspreis Tricks weitestgehend zu minimieren. Ernsthafte Einnahmenprobleme sind entstanden.

    Der demographische Übergang – d.h. die Angleichung der Familiengrösse – an den deutschen Mittelschichten verursacht einen erwartbaren demographischen „Schwund“ bei den Zuwanderergruppen – ganz gleich aus welchen Auswanderungsländern. Dadurch wackeln aber auch die Zahlungsströme für die Restwerteinkommensansprüche der Finanzinstitutionen, der Nationalstaaten und der von den westlichen Staaten dominierten Weltbank. Die Zuwanderer machen einfach einen Gebärstreik. Punkt.

    Regelmäsig versagt die BRD auf den internationalen Arbeitsmärkten gegenüber den Anwerbern aus den Anglo Five (USA, Kanada, Australien, Neu Seeland, Großbritannien) einfach, weil diese Staaten ihr Bildungssystem und ihre Standards globalisieren konnten und dadurch besser funktionierende Arbeitsmärkte haben – wenn es um den „Kopfjägerei“ nach den besten Talenten geht.

    Die BRD wird wahrscheinlich das traurige Schicksal Japans teilen müssen mit seiner völlig überalterten Bevölkerung, im Würgegriff des angelsächsischen Kapitalismus siechenden hochautomatisierten Wirtschaft, Demographie Krise – hilfloser Rotationsmigration von Japanischen Brazilianern und Koreanern in den geringqualifizierten Berufsgruppen. Der Automatisierungsgrad der BRD ist nicht so hoch wie der Japans, so dass aus menschlicher Arbeit immer noch signifikante Lohnsteuer und Mehrwertsteuer Flüsse entstehen. Mit MIgration kann man schneller wachsen, aber keine grundsätzlichen institutionellen Felhsteuerungen korrigieren. Schauen sie sich Japan an: hoher Automatisierungsgrad + Rotationsmigration + niedrige Geburtenrate + Freihandels-Integration = Super GAU.

    Wenn sie volkswirtschaftliche Probleme immer aus der Perspektive der maximal möglichen Ausbeutung heimischer menschlicher Arbeit und verfügbarer menschlicher Arbeit aus dem Ausland lösen wollen, bekommt man nie festen Tritt unter den Füssen

    Europäische Wirtschaften sind Bankenkredit-zentriert, während die Ökonomien der Anglo Five Börsen-zentriert sind. Anglo Five Staaten bauen sehr schnell massive Kapitalmassen auf und haben eine sehr hohe Integration von Arbeitskräften in China, Indien und Südostasien durch Subcontracting und Container Schifffahrt erreichen können. Wenn man Freihandelsverträge mit den USA unterschreibt, entstehen dann natürlich riesige Turbulenzen. Wenn man den Finanzmarkt dereguliert und Kapitalexport zwischen dem Atlantik immer reibungsloser ablaufen lässt, werden die Amerikaner den Geldsegen natürlich nutzen, um eine noch bessere Integration „billiger“ asiatischer Arbeitsmärkte durch Subcontracting, und gleichzeitig den Risikotransfer auf die Subcontraktoren verbessern.

  2. Mittelschichtler sagt:

    @Han Yen Das, was Sie über die Ostdeutschen und Aussiedler sagen, ist völlig richtig, lässt sich aber auch auf Teile der immigrierten Bevölkerung übertragen, die vom Sozialstaat leben. Da besteht kein großer Unterschied. Mein Vorschlag: Sozialleistungen runter, Renten runter, Unterschichten-Zuwanderung drosseln. PS: Natürlich ist man nicht automatisch ein „Rassist“, wenn man Russlanddeutsche nicht als 100%ige Deutsche empfindet, da liegen halt nun mal mindestens 300, 400, 800 Jahre dazwischen!

  3. Trauma sagt:

    „DDR Einwanderer“ selten so ein Unfug gehört.
    Meine Oma im „Osten“ ist nie von ihrem Ort „Wegwandert“und ihre vielen Enkel in Ost und West zahlen locker ihre Rente“Generationenvertrag“.

  4. eha sagt:

    “Ihre Renten werden von Zuwanderern bezahlt.”

    Dieser hübsche Slogan ist in dieser Pauschalität ärgerlich, weil m. E. missverständlich und einseitig.

    Zum einen basiert unser Rentensystem, das auf dem Generationenvertrag beruht, darauf, dass Rentner im Verlauf ihres Lebens selbst eingezahlt haben; es ist nicht so, dass die Zuwanderer Rentner „aushalten“ (wonach der Slogan ein bisschen klingt),

    zum anderen müsste auch gegengerechnet werden, welche „Kosten“ Einwanderung für die Gesellschaft auf allen Ebenen bedeutet, angefangen von Sozialleistungen über Sprach-und Integrationskurse sowie die Etablierung von „Beauftragten für Integration und Migration“/staatlichen Ansprechstellen bis hin zu zusätzlichem Aufwand der Schulen („… bedarf es einer umfassenden interkulturellen Qualifizierung von angehenden und im Dienst stehenden Lehrkräften. Schul- und Unterrichtsentwicklung müssen interkulturell geplant und umgesetzt werden. Zudem müssen die Deutschkenntnisse von Kindern und Jugendlichen, die als Seiteneinsteiger ins deutsche Schulsystem kommen, gezielt gefördert werden …“ ) usw. Das wird überwiegend von Nicht-Zuwanderern bezahlt, die also nicht nur dankbar sein müssen.