Rassismus
Skandalbericht der Bundesregierung an die UNO
Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung trat in Deutschland 1969 in Kraft. Seitdem muss Deutschland regelmäßig Staatenberichte über Fortschritte bei der Umsetzung der Konvention vorlegen. Der jüngste Bericht ist ein Skandal. Er verschweigt und vertuscht.
Von Uwe-Karsten Heye Mittwoch, 29.04.2015, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.04.2015, 17:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Bundesregierung hat an den Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen (CERD) zur 86. Sitzung ihren Staatenbericht gesandt. Dieser Bericht ist ein Skandal. Er verschweigt und vertuscht und ist ohne jede Bereitschaft, sich ehrlich zu machen darüber, dass Rassismus, Antisemitismus und Xenophobie auch in Deutschland verbreitet und bis in die Mitte der Gesellschaft gelangt sind.
In dem Bericht behauptet die Bundesregierung, sie würde rassistische Straftaten entschieden verfolgen und die Ermittlungszusammenarbeit der verschiedenen Stellen immer wieder auf den Prüfstand stellen. Vor allem die „Aufdeckung“ der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ habe zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der bisherigen Ermittlungsarbeit geführt. Von Rassismus in Gesellschaft oder Sicherheitsbehörden keine Rede. Die NSU-Mordserie und die mittlerweile 180 Todesopfer neonazistischer Gewalt seit der Wiedervereinigung und hunderte von traumatisierten und verletzten Opfern rechter Gewalt sprechen eine andere Sprache.
Der Bericht veranlasste die Anwälte der Nebenkläger im Prozess gegen den Nationalistischen Untergrund (NSU), der in München seit zwei Jahren verhandelt wird, einen Parallelbericht zu verfassen und an den Antirassismus-Ausschuss der UN zu senden, mit der Bitte, den offiziellen Bericht der Bundesregierung und seine Defizite zu überprüfen. Die beschönigende Beschreibung der Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbehörden wird zurückgewiesen.
Die Anwälte beklagen, dass die Ermittlungsbehörden Ermittlungshypothesen folgten, wonach alle Morde des NSU, an acht Menschen mit türkischen Wurzeln, einem griechischen Einwanderer und einer Polizistin, und der Bombenanschlag nur von Migranten verübt sein konnten. Damit wurden die Opfer zu Tätern gemacht. Die Ermittler gingen automatisch davon aus, dass Täter wie Opfer der organisierten Kriminalität oder der eigenen Familie entstammten. Wahlweise wurden sie des Drogenhandels, Glücksspiels oder der Mafia verdächtigt. Rassismus oder schlicht „Türkenhass“ wurde in den ermittelnden Mordkommissionen unterschiedlicher Bundesländer entweder nicht in Erwägung gezogen oder als Möglichkeit zurückgewiesen.
Es gibt viele Belege dafür, dass es in den Sicherheitsorganen der Bundesrepublik institutionellen Rassismus gibt und er trat in der Ermittlungsarbeit auch ganz offen zu Tage. In einer operativen Fallstudie des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg vom 30. Januar 2007 heißt es in Bezug auf die Charakterisierung des Täters der Mordserie: „Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist.“ Geschichtsblinder Rassismus spricht aus solchen Zeilen.
Anders als der Bericht der Bundesregierung behauptet, zeigen das Strafverfahren gegen Beate Zschäpe und die Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse des Bundestages und der Länderparlamente, die den Verfassungsschutzämtern jeweils verheerende Zeugnisse ausstellen, dass eine mangelhafte Koordination der Behörden nicht das Problem war. Das Problem war die Voreingenommenheit der Ermittler, und damit der ungern eingestandene Rassismus in Teilen der Polizei und der Geheimdienste.
Wer den Bericht der Bundesregierung liest, kommt nicht umhin, ihn als eine erneute Verhöhnung der Angehörigen der Opfer zu lesen. Auf der Trauerfeier der Bundesregierung in Berlin vor drei Jahren, in der der Opfer der NSU-Mordserie gedacht wurde, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Arbeit der Ermittlungsbehörden und die grausame Verdächtigung der unmittelbaren Angehörigen als mutmaßliche Mörder ihrer Brüder oder Väter „als eine Schande für Deutschland“ bezeichnet. Sie versprach den Angehörigen der Terroropfer, alles für die Aufarbeitung zu tun. Bis jetzt allerdings ist von einem durchgehenden Willen zu Transparenz nichts zu spüren oder gar von „Demut“, wie Angelika Merkel es in ihrer Rede auf der Trauerfeier nannte, für die es „reichlich Grund“ gäbe, „damit sich das nie wiederholen kann“.
Es hat sich wiederholt, als Brandanschläge auf Unterkünfte für Asylssuchende und Flüchtlinge und Attacken auf Menschen mit dunkler Hautfarbe oder religiösen und kulturellen Wurzeln außerhalb unseres Landes verübt wurden. Der Bericht an den Antirassismus-Ausschuss der UNO hat der amtierende Innenminister jedenfalls mit zu verantworten. Er sollte seinen Hut nehmen. Aktuell Meinung
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