Tröglitz
Großes Entsetzen im Bund, kaum Entrüstung vor Ort
Nach dem Brandschlag auf ein Asylbewerberheim in Tröglitz ist eine Welle der Empörung quer durch Deutschland gegangen. Die Entrüstung vor Ort hält sich aber in Grenzen, bemängeln Landespolitiker.
Dienstag, 07.04.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 12.04.2015, 18:36 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Tröglitz hat über die Ostertage Empörung ausgelöst. Unbekannt Täter hatten in der Nacht von Karfreitag auf Samstag im Süden Sachsen-Anhalts ein Flüchtlingsheim in Brand gesetzt. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund ist laut Ermittler naheliegend. Rechtsextreme machen in Tröglitz bereits seit Wochen Stimmung gegen die Aufnahme von Asylbewerbern. 40 Flüchtlinge hätten im Mai in dem abgebrannten Gebäude untergebracht werden sollen. Bereits Anfang März stand Tröglitz in den Schlagzeilen, nachdem mit Markus Nierth ein ehrenamtlicher Bürgermeister sich wegen rechtsextremer Anfeindungen genötigt fühlte, sein Amt abzugeben.
Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte: „Es ist die monatelange Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, die den Hass säte, der in Tröglitz nun in Flammen gemündet ist.“ Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verlangte eine rasche Aufklärung und bezeichnete den Brand als „eine abscheuliche Tat“. Justizminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich im Social-Media Dienst Twitter „fassungslos“. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) appellierte, beim Kampf gegen Rechtsradikalismus nicht nachzulassen. „Bei so viel Unmenschlichkeit helfen nur noch ein Aufstand der Anständigen“, sagte Petra Pau (Die Linke). Und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wollte wissen: „War das Flüchtlingsheim ausreichend geschützt – zumal man wusste, dass in Tröglitz ein brauner Mob unterwegs war?“
Entsetzen auch in Europa
Auch über die Grenzen Deutschlands reagierten Politiker auf den Brand: Ein solcher Vorfall sollte die „Alarmglocken in Europa angehen lassen“, erklärte der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland. Hass und Intoleranz nähmen in Teilen der Gesellschaft zu. Man müsse die Ursachen dieses Problems bekämpfen. Diese Entwicklung sei quer durch den europäischen Kontinent zu beobachten.
Allein in Deutschland gab es allein im laufenden Jahr bereits zwanzig Übergriffe auf Flüchtlingsheime, wie die Amadeu Antonio Stiftung gemeinsam mit Pro Asyl melden. Hinzu kommen 21 tätliche Übergriffe auf Flüchtlinge. Die Stiftung und Pro Asyl machen in ihrer Dokumentation auf die konstant steigenden Zahlen aufmerksam.
Kaum Empörung vor Ort
Mehrere fremdeinfeindliche Brandanschläge hatten Anfang der 90er Jahre weit über Deutschland hinaus für Entsetzen gesorgt. In Mölln und Solingen etwa starben insgesamt acht Türkeistämmige bei Hausbränden. Auch der Angriff im sächsischen Hoyerswerda ist in Erinnerung geblieben. Für Markus Nierth ist auch der Angriff in Tröglitz eine „Eine bleibende Schande“. Sie bringe die Stadt in eine Reihe mit Mölln und Hoyerswerda.
Zwar haben die Tröglitzer in einer Erklärung ein Bekenntnis zur Menschenfreundlichkeit abgegeben, doch gibt es keine Aufbruchstimmung im Ort. An einer spontanen Demonstration beteiligten sich am Samstag trotz des bundesweiten Aufsehens gerade einmal 300 Menschen. Zu der Aktion hatte Nierth, aufgerufen. Sebastian Striegel, Grünen-Innenpolitiker im Landtag von Sachsen-Anhalt, verweist darauf, dass Solidaritätsaktionen für Flüchtlinge hauptsächlich im Kirchenraum organisiert werden. Das Problem seien nicht die 100 oder 150 Flüchtlingsgegner in Tröglitz, sondern die 2.500, die nichts sagen.
Flüchtlinge sollen kommen
Wie Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Montag mitteilte, sollen die ersten Flüchtlinge in Tröglitz trotz des Brandanschlags bald aufgenommen werden. Weil die Asylbewerberunterkunft unbewohnbar sei, würden die ersten zehn bis zwölf Flüchtlinge in privaten Wohnungen untergebracht werden. Der Innenminister teilte zudem mit, dass der für Asylpolitik im Kreis zuständige Landrat Götz Ulrich (CDU) unter besonderen Schutz gestellt werde. Eigenen Angaben zufolge erhält der Lokalpolitiker Morddrohungen von Rechtsextremen. (bk) Gesellschaft Leitartikel
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Symbol der Abschottung Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete sofort stoppen!
- Umbruch in Syrien Was bedeutet der Sturz Assads – auch für Geflüchtete…
- Studie AfD ist Gefahr für jüdisches Leben
- Abschiebedebatte Ministerin rät Syrern von Heimreisen ab: können…
- Debatte über Rückkehr Bamf verhängt Entscheidungsstopp für Asylverfahren…
- „Wir wissen nicht, wohin“ Familie verliert ihr in der Nazizeit gekauftes Haus
Von allen Verantwortlichen hört man großes Bedauern über den Brandanschlag in Tröglitz. Wurde wirklich alles mit Weitsicht von den Zuständigen getan, um das Risiko zu begrenzen? Hat man das teuer renovierte, noch freie Gebäude eigentlich nicht durch eine Videoüberwachung, bzw. Einbruchsschutz mit Alarm gesichert bis mindestens zum Einzug der Bewohner? Das wäre fahrlässig in Potenz und müsste Konsequenzen für den/die Verantwortlichen haben!. es musste doch jeden Tag und Nacht mit sowas gerechnet werden. Bis heute wurde dazu wohl nichts veröffentlicht.
Tröder:
Welche Asylbewerberunterkunft wird Tag und Nacht mittels Videokamera überwacht?
Die ganze Flüchtlingspolitik in Deutschland ist total verkorkst. Flüchtlinge in Orte unterzubringen, die durchsäet sind mit Gedankengut voller Ausländerfeindlichkeit, lässt schon fast die Vermutung zu, diese Menschen absichtlich in Zukunft immensen Repressalien seitens der Bevölkerung auszusetzen. In einer Gegend, die so oder so keine, nicht mal gegen Deutsche aus anderen Bundesländern eine Willkommenskultur pflegt, Flüchtlinge unterzubringen, zeugt nicht von Intelligenz. Flüchtlinge und Ausländer in Sachsen und Sachsen-Anhalt tun mir leid. Im besten Fall sind Mobbing und Ausgrenzung schon vorprogrammiert. Ich selbst habe eine Aversion gegen die Art und Weise der dort lebenden eingeborenen Menschen. Ich nehme sie aus eigener Erfahrung wahr als auf eine gewisse Art plump, ungehobelt und unkultiviert. Ich habe das Gefühl, dass die meisten dort Lebenden die ersten sein könnten, die da rufen JA!!!, wenn ein zweiter Hitler kommt und ruft: wollt Ihr wieder unter Euch sein?! Natürlich sind immer Ausnahmen vorhanden. Und wenn sich nun ein Sachse oder Sachsen-Anhalter auf den Schlips getreten fühlt, so ist es sein Problem. Wenn dieses Bild nur deshalb entsteht, weil die braune Brühe dort seine Stimme mehr erheben kann als der schweigende Rest, so liegt es in deren Initiative, dieses vielleicht schiefe Bild in Zukunft zu ändern. Deutschland sehe ich insgesamt als ausländerfeindlich und Kinderunfreundlich an. Kinderreiche Ausländer haben also eine ziemliche Mobbingtortour auszustehen hier in diesem Wirtschaftswunderland Deutschland auch wenn sie mittlerweile wohlwollend „Migranten“ genannt werden. Ein Schönreden dieser Situation hilft nur denen, die ungeprüft jeden Mist, den Mainstreamer erzählen, annehmen. Das ist eine Erfahrung, die ich als Ausländer seit fast 50 Jahren hier mache und beobachte. Mal mehr mal weniger. Je nach Gutdünken der regionalen wirtschaftlichen Zustände und Offenheit der eingeborenen Menschen. Warum ich dann noch hier lebe, werde ich oft gefragt bei Diskussionen. Warum nicht? sage ich. Wo in der Welt ist es denn zur Zeit besser? Wir sind überall Ausländer, sogar in der eigenen Heimat und Verfeindungen gibt es überall. Die Arroganz und Unwissenheit des Menschen an sich ist das Problem. Sich über andere stellen wollen und sich als bessere Menschen zu fühlen, scheinen die meisten Eingeborenen, die sich hinter ihren Nationalgefühlen verschanzen, überall in der Welt nötig zu haben, ohne auch nur ein einziges Kriterium für das Bessersein als Mensch selbst zu erfüllen. Und Deutschland ist ein Land voller Maschinen, voller Technokraten, voller Gesetze, voller Bürokraten aber kaum ausgeprägter Gastfreundschaft und echter Kommunikationsfähigkeit. Und solange sich diese Grundhaltung des Deutschen nicht ändert, wird sich auch an der Annäherung der Gesellschaft als ganzes an das „Fremde“ nichts ändern.
@Veritas Sie geben zu viele Ostklischees von sich. Ich würde mal knallhart sagen, wo die Verteilungsspielräume zu gering sind, entsteht Konkurrenz, wo Konkurrenz entsteht, entstehen Ressentiments. Darum wundert es mich nicht, dass gerade im ärmeren Osten, wo die Leute ja so links erzogen worden sind, mehr Ressentiments existieren als im Westen. Und wenn man den Tröglitzern auf youtube zuhört, dann stimmt das auch ganz genau. Wo es um den Napf geht, gibt es keine Moral. Menschen reagieren nun mal anders, als man das gerne hätte. Ihre moralischen Ausführungen in Ehren, aber wen wollen Sie damit vor Ort beeindrucken? Gastfreundschaft kann nur dort entstehen, wo der Mensch individuell und freiwillig Gäste betreut. Wenn aber der weit entfernte Staat dem Bürger vor Ort vorschreibt, dass er gastfreundlich zu sein hat, wird der Gastgeber aller Wahrscheinlichkeit nach keinen sonderlichen Bezug zu seinem Gast aufbauen. Das lauft dann alles korrekt ab, aber mit Mitmenschlichkeit hat das nichts zu tun. Das ist dann ein bürokratischer Prozess, der möglichst viel einbringen und möglichst wenig kosten soll. Soviel zur Grundhaltung „der“ Deutschen.
@Österreicherin Sie haben recht. Und viele andere, die noch mehr Argumente über die Kluft zwischen arm und reich anbringen auch. Das Ost-West-Problem in Deutschland ist mir seit dem Mauerfall bekannt, zumal ich mitten drin war. Aber es gibt noch jenseits der wirtschaftlichen Situation und jenseits dem allseits beliebten Wort Menschlichkeit. Es gibt tatsächlich eine kulturverwurzelte Gastfreundschaft. Es ist wie eine Tradition, die von Generation zu Generation gepflegt wird. Genauso wie die Empfindung Mitgefühl oder die Art, mit Fremden zu kommunizieren. Klischees hin oder her, wenn nach Deutschland Personen aus völlig verschieden gearteten Kulturen kommen (meistens kontaktfreudige Kulturen), dann stehen den Deutschen (kontaktarme Kulturwurzel) zumeist und im Allgemeinen erst mal die Haare zu Berge. Einigen Regionen mehr, anderen weniger. Des Weiteren hier noch eine Info: auch zu Zeiten der DDR hatte ich oft im Osten zu tun und begegnete dort Menschen aus anderen Kulturen. Chilenen, Russen, Polen und sogar Griechen lebten dort. Es gab damals schon eine stillgeschwiegene Ausländerfeindlichkeit in gewissen Regionen. Mit linkem Gedankengut hat das aber nichts zu tun. Und auch nicht mit der späteren Verwestlichung dieser Regionen. Futterangst und – neid ist eine allseits bekannte Sache bei Tieren und ohne Zweifel hat der Mensch in seiner biologischen Wesensart auch noch diese tierischen Triebe. Aber genau diese zu überwinden oder zumindest im Zaum zu halten sollte doch eine primäre Aufgabe in der Menschwerdung werden, oder nicht? Insbesondere in Ländern, in denen der Überfluss schon überquillt. Armut in Deutschland ist hausgemacht und ist nicht eine Ursache von mangelnden Resourcen oder Möglichkeiten. Dass es in Deutschland insgesamt derzeit über 12 Millionen Menschen gibt, die in Armut leben ist eine Tatsache. Insbesondere Altersarmut und die Armut von Alleinerziehenden ist erschreckend. Darüber sollten sich Deutsche und alle hier Lebenden Gedanken machen, denn wir sind alle mehr oder weniger davon betroffen. Deutschland wird nicht jünger, sondern immer älter. Das ist eine Sache, die nach Veränderung schreit. Ausländerfeindlichkeit ist nur eine Plattform, an der eine Wut herausgelassen wird, dessen Adressaten ganz andere sind. Aber um das zu bemerken, müsste jeder einzelne über den eigenen Tellerrand blicken und die Dinge in einem neuen Gesamtkontext betrachten.