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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, bearb. MiG

Wahn & Sinn

Flache Geister, tiefer Staat und ein NSU-Trio

Ich geb's ja zu: Ich blicke auch nicht mehr durch. Der Verfassungsschutz wusste über den NSU so ziemlich Bescheid, hat über V-Männer die Neonazis vor der Polizei gewarnt, wenn die der Mörderbande zu Nahe kam und einzelne Regierungen sperren sich noch immer gegen eine echte Aufklärung. Oder etwa doch nicht?

Von Dienstag, 07.04.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.04.2015, 22:01 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Sebastian Edathy, der sich im NSU-Ausschuss als harter Hund profilieren wollte, wurde durch legale Fotos aus Kanada kompromittiert, die ganz zufällig durch Geheimdienstmittel auftauchten.

Nadja Lüders hingegen, die Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses in NRW, hatte bereits – und das war Ihrer Partei auch bekannt – vor Ihrer Tätigkeit als Chefaufklärerin in Sachen Neonazis ebensolche vor Gericht verteidigt.

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Auch Zeugen, die auspacken wollten, verschwanden plötzlich:

Jener, der wusste, wer Michèle Kiesewetter getötet hat, verbrannte in seinem Auto, kurz vor der Vernehmung. Angeblich Selbstmord.

Der V-Mann Corelli, der wohl schon früh ziemlich nah dran war am NSU, starb, ebenso kurz vor der Vernehmung, an einer „unentdeckten Diabetes“.

Ermittlungen der Polizei, der Staatsanwaltschaften und auch der Landesregierungen, verlaufen im Sande oder bringen erstaunlich schnell erstaunlich sichere Ergebnisse zustande, die niemandem Schaden – außer vielleicht der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Rechtsstaatlichkeit, und den Opfern: Im Krieg stirbt zuallererst immer die Wahrheit. Ein Krieg, dessen Manifest Anders Breivik schrieb, der unter dem Deckmantel des bloß politisch inkorrekten auch in deutschen Blogs angestachelt wird, und den Seehofer „bis zur letzten Patrone“ führen will? So ist es wohl kaum, aber sagen dürfen wird man das ja wohl noch…

Seit der Aufdeckung der Verschwörung um den nationalsozialistischen Untergrund, der in diesem Land spurlos untertauchen und Menschen töten konnte, kamen immer wieder Fragen zu einem tiefen Staat auf; dazu, wie weit diese Verschwörung tatsächlich reichte: War sie auf die rechte Szene beschränkt, reichte sie bis in den von der rechten Szene durchsetzten Verfassungsschutz oder gar bis hinein in politische Ebenen? Was zunächst wie weit hergeholte Spinnereien wirkte, wird realer, gleichwohl surrealer, mit fast jedem neuen Tag, der vergeht.

Passierten die Morde nun „nur“ wortwörtlich vor den Augen des Verfassungsschutzes, zum Beispiel an jenem regnerischen Tag irgendwo in Kassel, als ein Verfassungsschützer [sic!] gerade im Internet einen Fick klarmachen wollte, während nebenan der Besitzer des Internetcafes, in dem er sich zu diesem Zwecke befand, niedergeschossen wurde – oder auch metaphorisch? Passierte die Mordserie also tatsächlich mit Wissen und unter Duldung des Verfassungsschutzes, der noch dazu seine schützende Hand über den Mördern hielt und noch immer hält? Kann es so viele seltsame Zufälle in einem einzigen Kriminalfall geben? Das Vertrauen in den Rechtsstaat hätte stark gelitten haben sollen. Hat es aber nicht. Das Interesse nämlich ist vergleichsweise gering.

Und in Tröglitz handeln Menschen, wie Sie in Dresden zu reden gelernt haben: Das Vertrauen in den mündigen Bürger als Fundament einer lebendigen Demokratie, es hätte ebenso stark gelitten haben müssen. Hat es auch nicht.

Wer hat also jene 10 Menschen getötet? Das NSU-Trio? Die rechte Szene, aus der es hervorging und das sie trug? Der VS, der nichts unternahm, außer Akten zu schreddern? Oder wir alle, die wir uns erst nicht für Döner-Morde vom Bosporus und Nagelbomben interessierten und jetzt auch noch diese Farce von einer „Aufklärung“ dulden? Die wir sichtlich erleichtert sind, dass die Pegida-Brüder inzwischen wieder zu Hause in Pirna oder in Tröglitz Ihren Fantasien nachgehen, statt ihren Hass in Dresden herauszuschreien. Aktuell Meinung

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  1. H.P.Barkam sagt:

    Wenn man eh nicht mehr durchblickt (was uns gemeinen Bürgern allesamt so geht), sprich deshalb auch keine wirklich erhellenden Erkenntnisse zu verbreiten hat, sollte man vielleicht einmal mit dem Schreiben aussetzen.

  2. immerhin gesteht der autor im vorspann ein „Ich blicke auch nicht mehr durch“ – um es vorwegzunehmen: das geht *partiell* auch mir so. aber nur sätze aneinanderreihen hilft eben nicht, wenn die inhalte zumindest wie hier bei bensmann extrem schief sind, denn er behauptet dinge als fakten, die eben erst einmal auch nur behauptungen/thesen sind bzw. er rückt personen in zusammenhänge, die nicht ansatzweise belegbar sind:

    ich versuche es chronologisch –

    edathy – wann wurde er offiziell kompromittiert? als der UA des bundestags längst geschichte war! ein UA in dem u.a. die bekannteste vertreterin der sog linkspartei dort petra pau übrigens im sommer 2013 auch nur panne von versagen schwadronierte obgleich jeder, der dort auch nur einen teil der zeugen gehört hatte, nur einen bruchteil der vorgelegten akten z.k. genommen hat, sagen musste – weil es mehr als oberflächlich war -, dass hier und da behörden eben nicht nur blind waren oder schludrig, sondern GEZIELT wirkten… ein weites feld. wenn man edathy ins spiel bringt muss die frage aber lauten wann wusste er, dass BKA oder politikerkollegen „wissen“, was er bestellte und oder downloadete. bzw. wurde er mehr oder minder erpresst während der UA-arbeit? denn alles was offiziell zu edathy in sachen kipo-verdacht bekannt ist passierte eben nach ende des PUA.

    lüders – was weiss man hier? eine rechtsanwältin hat eine person in sachen arbeitsrecht vertreten. jene person wurde danach (!!!) bundesweit bekannt. vielleicht war da mehr. nur von dem was man offiziell weiss, gibt es keinen rücktrittsgrund, zumal jene verteidigte und dann mordende person das zeitliche segnete bevor (!!!) der erste „#nsu“-mord geschah.

    zum tatsächlich gewichtigen thema (mögliche) zeugen (im übrigen kann man auch schreiben: mögliche mittäter!) verschwinden. aber was heißt „Jener, der wusste, wer Michèle Kiesewetter getötet hat“?!? woher wissen sie herr bensmann was florian heilig wusste? öffentlich bekannt ist, dass er behauptete zu kiesewetter mehr zu wissen. ob das eine bloße behauptung, ein zumindest subjektiv mit etwaigen indizien untermauerter konkreter verdacht oder tatsächliches hundertprozentiges wissen war, weiss wohl kaum jemand.

    gut indes, dass sie deutlich betonen, dass keineswegs nur unsägliche von afd-npd bodenbereiter für hass und gewalt sind, sondern auch gestalten wie seehofer….aber dann steht da „Seit der Aufdeckung der Verschwörung“ – sie ist aufgedeckt? na dann ist ja nun alles klar?!? vielleicht ist uns über ostern was entgangen – können sie nochmal die mittäter kurz benennen?
    richtig ist indes „Was zunächst wie weit hergeholte Spinnereien wirkte, wird realer, gleichwohl surrealer, mit fast jedem neuen Tag, der vergeht.“

    aber was soll „Verfassungsschützer [sic!] gerade im Internet einen Fick
    klarmachen wollte“ – ich meine nicht die derbe sprache statt flirtchanel-umschreibungen. gerade weil #temme nach menschlichem ermessen nicht zufällig am tatort war (er ahnte zumindest dass irgendetwas passieren sollte, wenn er nicht gar tatbeteiligter war) ist es eben eine rolle rückwärts wenn man über seine vorgeblichen beischlafbemühungen schwadroniert und damit bewusst oder unbewusst von zentralem ablenkt. es ist im übrigen sehr wahrscheinlich, dass „ilove“ ein stummer briefkasten war und das flirt/fickthema ein reines ablenkungsmanöver ist!

    leider vollkommen richtig „Das Interesse nämlich ist vergleichsweise gering.“ – was meines erachtens eine leider nur allzu logische folge der gezielt oberflächlichen berichterstattung im mainstream ist. einerseits standen die – offiziell nur – drei täter und ihre aber mehr oder minder was die morde anbelangt unwissenden helfer lang vor prozessbeginn fest, andererseits wird aufwändig (aka aus sicht der spießbürgerlichen „volksseele“ zu kostenintensiv verhandelt) und über prozessverlauf kommt fast nur gossip nach draußen…
    und deswegen ärgert mich dieser migazin-text hier. er geht nicht ernsthaft auf gravierende punkte ein, die über temme hinaus offensichtlich wurden im nsu-komplex, um nur zwei stichworte zu nennen, dass kiesewetter klarste querverbindungen zu einem der in münchen mitangeklagten hat und von vertretern der gez-medien dennoch tausendprozent als absolutes zufallsopfer verkauft wird, oder die zettelpärchen aus der nähe der kölner #keupstrasse, oder einem doublefahrrad dort – dem nagelbombenterrortatort zu dem schon kurz nach der tat ein gewisser herr schily natürlich sicher nur unbewusst oder aus spontanem^^ versagen von der „fremdenfeindlichkeit“ ablenkte –

    und insofern reicht es keinesfalls hier ein paar halbgare sätze abzulassen die skepsis an staatlichen zuständen behaupten aber am ende zumindest einen großteil der verantwortung an schrecklichen taten auch auf die (schweigende oder gar dereinst in rostock lichtenhagen offen oder andernorts weniger sichtbar real oder im übertragenen sinn beifall klatschende) bevölkerung abzuwälzen. ja in deutschland gibt es ein riesiges rassismusproblem, übrigens auch in der spd. menschenverachtung trifft dabei „sogar“ auch menschen ohne migrationshintergrund (und hartz 4 ist da nur ein exemplarisches schlagwort), aber die NSUmorde und anschläge in diesem kontext zu subsumieren – da macht es sich jemand zu einfach!

    falls sich hier jemand tiefergehender als augenscheinlich der migazinautor für den komplex ceskamorde/rechtsradikalismus/verfassungsschutz aka nsu interessiert und wie die von mir verantwortete medieninitiative „das ZOB“ (die anders als zahllose medien die sich formal um „presseplätze“ im prozess balgten vor zwei jahren bisher keinen einzigen prozesstag verpasste ) gegen rassismus UND gegen vertuschung ist – join: https://www.facebook.com/groups/nsu.prozess/