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Ein Kirchenturm (Symbolfoto) © H. Füller @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Studie

Starke Kirchen hemmen Integration von Muslimen

Je stärker der Staat die christliche Kirche unterstützt, desto schwieriger können sich Muslime integrieren. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. Danach beeinflust staatliche Religionspolitik Einstellungen gegenüber Muslimen nicht unerheblich.

Mittwoch, 11.03.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Je stärker die staatliche Unterstützung für christliche Kirchen, desto verbreiteter sind Vorbehalte gegenüber muslimischen Migranten in der Bevölkerung. Gesetzliche Regelungen wie der Schutz von Feiertagen, das Einziehen von Kirchensteuern oder konfessioneller Religionsunterricht an Schulen stärken eine christliche Kulturidentität und erschweren die Integration anderer religiöser Gruppen. Das zeigt eine Studie der Politikwissenschaftler Marc Helbling vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Richard Traunmüller von der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Dass die Forscher ihre Analysen auf Daten aus dem kleinen Land Schweiz gründen, tut der Aussagekraft kaum Abbruch. „Zwischen den 26 Kantonen variieren die religionspolitischen Regime ähnlich breit wie zwischen einzelnen westeuropäischen Ländern“, erklärt Marc Helbling. „Die Schweiz kann daher in dieser Frage als eine Art Labor für ganz Europa gelten.“

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Die Studie zeigt: In Kantonen, die den christlichen Kirchen eine starke Stellung einräumen, neigen die Befragten eher zu Aussagen wie der, es gebe zu viele muslimische Einwanderer im Land. Sie vertreten auch eher die Ansicht, dass Angehörige der muslimischen Religion nicht das Recht haben sollten, Minarette zu bauen oder öffentlich ein Kopftuch zu tragen.

„Besonders interessant war für uns, dass symbolisch-kulturelle Aspekte wie etwa die Aufnahme des christlichen Kreuzes in eine Kantonsflagge bedeutsamer zu sein scheinen als konkrete finanzielle Unterstützung der Kirchen“, berichtet Marc Helbling. Offensichtlich würden in Gesellschaften, deren kollektive Identitäten und öffentliche Institutionen deutlich christlich geprägt sind, Muslime eher als Bedrohung wahrgenommen.

Info: Die Studie von Marc Helbling und Richard Traunmüller ist als Working Paper im Social Science Research Network online erschienen. Eine Kurzfassung finden Sie im Märzheft der Vierteljahresschrift WZB-Mitteilungen unter dem Titel „Regeln – und was sie bewirken. Das Verhältnis von Staat und Religion prägt die Einstellung zu Muslimen„.

Um individuelle Einstellungen zu messen, haben die Forscher Daten der schweizerischen Wahlumfrage von 2011 benutzt, in der 2.500 Schweizer zu ihrer Haltung zum muslimischen Kopftuch und zum Bau von Minaretten befragt wurden. Diese Daten wurden in Beziehung gesetzt zu Auswertungen der politischen Regulierung von Religion auf kantonaler Ebene.

In Anlehnung an den international vergleichenden Religion Support Index von Jonathan Fox wurde unter anderem gemessen, ob Kirchen und kirchliche Hilfsorganisationen finanziell unterstützt werden, ob Kirchensteuern eingezogen werden, ob religiöse Feiertage gesetzlich geschützt sind oder ob religiöse Symbole auf kantonalen Flaggen vorhanden sind. (eb) Aktuell Gesellschaft Studien

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  1. Luxemburger sagt:

    @posteo Wenn man so wie Sie denkt, ist man kein Europäer. Dann ist man ein globalisierter Mensch in Europa, aber eben kein Europäer im kulturellen Sinn. So simpel ist das Problem nicht. Natürlich ist Europa unzertrennlich mit dem Christentum verwachsen, so wie der Orient eng mit dem Islam verbunden ist.

  2. posteo sagt:

    @Luxemburger.
    Ich verstehe Ihren Einwand nicht so ganz. Was ich ausdrücken wollte, ist, dass laut der Studie nicht die Stärke der Kirche, sondern die staatliche Religionspolitik die Stellung des Islam beeinflusst.
    Was die Verquickung von Staat und Kirche angeht, bin ich laizistisch eingestellt. Die Kirchenprivilegien wurden im frühen 19. Jahrhundert als Ausgleich für aus der Verstaatlichung von Kircheneigentümern vereinbart, der finanzielle Nachteil der Kirchen dürfte inzwischen ausgeglichen sein.
    Die christliche Prägung Europas, bleibt davon unbenommen.
    Ansonsten möchte ich noch anmerken, dass unsere Kirchen über ihre Wohlfahrtsverbände auch Muslimen und anderen Nichtchristen von Nutzen sind, indem sie neben den klassischen sozialen Dienstleistungen auch Sprachkurse und Sozialberatung für Migranten, und dabei auch speziell für Asylbewerber anbieten.

  3. Katholikin sagt:

    @posteo Die Enteignung der Kirchen wurde nie „ausgeglichen“. Die Kirchensteuer ist keine staatliche Steuer, sondern eine Steuer, die der Staat für die Kirchen einnimmt – es handelt sich also um eine freiwillige Steuer der Katholiken, die den Muslimen so oder so nie zur Verfügung stehen kann. Das geht einfach aus der Sache heraus nicht.

    Alle übrigen Vergünstigungen sind im Verhältnis unbedeutend.
    Eine wirkliche Entschädigung der Kirche für das vor 200 Jahren begangene Unrecht ist unmöglich, das wären hohe Billionenbeträge. Die Säkularisation war nun mal die – mit großem Abstand – größte Enteignungsaktion der europäischen Geschichte.
    Im Übrigen ist es nicht klug, die Hand zu beißen, die einen füttert, da die Kirchen sehr stark im Sozialbereich engagiert sind (Flüchtlinge, Kindergärten, Armenfürsorge, Seelsorge usw.)