Das Siegermotiv für den Karnevalswagen © Festkomitee Kölner Karneval
Das Siegermotiv für den Karnevalswagen © Festkomitee Kölner Karneval

Muslime überrascht

Kölner Karnevalisten stoppen Rosenmontagswagen zu „Charlie Hebdo“

Beim Kölner Karneval wird es keinen Wagen geben, der den Terroranschlag auf "Charlie Hebdo" thematisiert. Das Festkomitee zog einen bereits in Bau befindlichen Wagen zurück - aus Angst vor Anschlägen. Muslime sind überrascht.

Freitag, 30.01.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 13.02.2015, 11:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Vor dem Hintergrund der gestiegenen Terrorgefahr streichen die Kölner Karnevalisten einen Wagen zu den Terroranschlägen von Paris aus dem Rosenmontagszug. „Einen Persiflagewagen, der die Freiheit und leichte Art des Karnevals einschränkt, möchten wir nicht“, erklärte das Festkomitee Kölner Karneval am Mittwochabend zur Begründung. Es habe Rückmeldungen besorgter Bürger gegeben, „die wir sehr ernst nehmen“. Die Grünen kritisierten die Entscheidung. Angst dürfe nicht „über Solidarität und Freude siegen“, erklärten die Kölner Bundestagsabgeordneten Katharina Dröge und Volker Beck am Donnerstag. Auch Muslime können die Entscheidung nicht nachvollziehen.

Der Entwurf für den bereits im Bau befindlichen und nun zurückgezogenen Rosenmontagswagen zum Anschlag auf das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo“ stammt von einer Kölner Zeichnerin. Das Motiv war bei einer vom Festkomitee initiierten Internet-Abstimmung ausgewählt worden, an der sich 7.000 Menschen beteiligten. Es zeigt einen Jecken, der mit einem Stift das Gewehr eines schwarz maskierten und mit einem Patronengurt bekleideten Kämpfers zum Platzen bringt. Der aus den „Asterix“-Comics bekannte Hund Idefix pinkelt dem Maskierten zudem ans Bein. Auf dem Wagenentwurf ist auch ein Bekenntnis zur Meinungs- und Pressefreiheit zu lesen.

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Grüne kritisieren Streichung
Das Festkomitee stehe weiter „zur Aussage dieses Wagens und der demokratischen Abstimmung der Entwürfe sowie zum eindeutigen Votum für den geplanten Wagen“, erklärte die Interessenvertretung von über hundert Karnevalsgesellschaften, die den Rosenmontagszug in der Domstadt ausrichtet. Der Karneval solle jedoch nicht zu Sorgen führen: „Wir möchten, dass alle Besucher, Bürger und Teilnehmer des Kölner Rosenmontagszuges befreit und ohne Sorgen einen fröhlichen Karneval erleben.“

Die Grünen-Abgeordneten Beck und Dröge kritisierten, mit dieser Entscheidung habe das Kölner Festkomitee die Chance vertan, „ein starkes Signal für die Meinungs- und Pressefreiheit zu senden“. Der nordrhein-westfälische Grünen-Chef Sven Lehmann betonte, Karneval sei immer auch politisch und satirisch, politische Provokation sei von vielen Jecken am Straßenrand ausdrücklich gewünscht.

Muslime überrascht
Überrascht über die Streichung des Wagens zeigte sich indes der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kızılkaya. „Die Idee, der Waffe mit der Feder zu begegnen, finde ich gut“, erklärte er am Donnerstag dem MiGAZIN. „Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand über diesen Wagen aufgeregt hätte“, so der Islamratsvorsitzende.

Nach Angaben des Düsseldorfer Innenministeriums sind die Sicherheitsbehörden mit Blick auf die Karnevalsumzüge „hochsensibilisiert“. „Aber wir dürfen uns nicht angst und bange machen lassen“, sagte ein Ministeriumssprecher der Rheinischen Post. Das Bundeskriminalamt sieht nach wie vor eine „abstrakte Anschlagsgefahr“ in Deutschland. Das gelte auch für Großereignisse wie Karnevalsumzüge, sagte eine Sprecherin dem Evangelischen Pressedienst. Die Einschätzung der jeweiligen Sicherheitslage vor Ort sei Sache der dortigen Polizeibehörden.

In anderen Städten halten sich die Karnevalisten mit Blick ihre Motive für den Rosenmontagszug noch zurück. Der Sprecher des Comitees Düsseldorfer Carneval, Peter Suchand, sagte, es gebe „eine Menge Überlegungen“, auf den Anschlag auf „Charlie Hebdo“ einzugehen. „Da wir aber immer sehr auf Aktualität setzen, wird eine Entscheidung darüber vermutlich erst am Karnevalssamstag fallen.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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  1. Johan sagt:

    Vorauseilender Gehorsam ist lediglich ein Zeichen dafür, dass die Terroristen Erfolg hatten. Das Attentat in Paris hat also genau die Wirkung erzielt die sich die Terroristen gewünscht hatten. Ein Armutszeugnis par excellence für Köln! In Düsseldorf sch… man auf die Meinung von Terroristen.

  2. Magistrat sagt:

    Zitat aus dem Artikel:
    „Es zeigt einen Jecken, der mit einem Stift das Gewehr eines schwarz maskierten und mit einem Patronengurt bekleideten Kämpfers zum Platzen bringt.“

    Ja, fast: das ist nicht nur ein schwarz maskierter „Kämpfer“, er soll vielmehr wieder einmal einen sterotypen Muslim darstellen. Und das verwundert doch schon sehr, angesichts dessen, dass keiner der Täter auch nur ansatzweise einen Vollbart hatte. Zudem ist das mit Blick auf die muslimischen Opfer äußerst geschmacklos. Aber dafür steht der Karneval ja eigentlich auch. Von dem her – gejuckt hätte es wohl keinem.

  3. Cengiz K sagt:

    Besser wäre ein Motiv, dass karikiert, wie die französisch-maghrebinische Bevölkerung seit Dekaden von der autochthonen französischen Bevölkerung gesellschaftlich und systeminherent diskriminiert und erniedrigt wird.. Ach ja, Satire kann ja nicht alles..

  4. Pastep sagt:

    Wir machen etwas nicht, was wir gestern noch ganz selbstverständlich gemacht hätten, weil es Satire ist Kabarett oder politischer Karneval – Meinungen frei äußern, egal ob sie dieser oder jenem gefällt, diese oder jenen provoziert, dieser oder jene sich beleidigt fühlt oder nicht.
    Warum nicht? Weil wir Angst haben! Wo das hinführt, wissen wir doch, liegt doch hier nur 25 und mehr, bzw. 75 und mehr Jahre zurück.

    Ich würde mich echt freuen, auch, weil es mich überzeugen würde, wenn Muslime hier und anderswo auf der Straße demonstrieren würden, weil sie sich und ihren Glauben durch den bestialischen Terror von Boko Haram, al Qaeda, IS und gewaltbereite Salafisten provoziert und beleidigt fühlen. Etwa so, wie wir gegen Rechtsradikale, Pegida und Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gehen.
    Bisher fühlen sie sich offenbar nur beleidigt und auf die Straße gerufen, wenn irgendwelche zuvor nur regional bekannten Zeitschriften für eine relativ kleine Zielgruppe Mohammed-Karikaturen zeichen, die niemanden töten, ja nicht einmal physisch berühren und die die meisten Nicht-Muslime auch nicht so toll finden – wenn sie sie sich denn überhaupt ansehen.

  5. Poser sagt:

    @Pastep

    Oh, wie recht Sie haben! Ich kann ihren Ausführungen nur zustimmen. Es ist teilweise schon ziemlich entlarvend was auch hier an Kommentaren abgegeben wird. Es gibt noch ein paar andere Seiten in denen noch viel offensochtlicheres steht. Da ist PI-News ein Witz dagegen.

  6. Magistrat sagt:

    Was für ein Weltbild??!!
    @Pastep
    Gegen Terror zu sein ist Jedermanns Pflicht, genaus wie gegen Rechtsextremismus und Xenophopie vorzugehen! Auch Ihre und Poser’s. Ich wüsste nicht, warum sich Muslime von diversen Terrorgruppen eher distanzieren müssen sollen als andere, unterstellt das doch eine Nähe, die es schlichtweg nicht gibt – ganz gleich wie sehr uns die Medien das auch glaubhaft machen wollen. (Ganz abgesehen davon, das Muslime das bereits bis zum Gehtnichtmehr bereits x-fach getan haben!)

  7. Weit Sicht sagt:

    Lieber Pastep, Sie sagen:
    „Wir machen etwas nicht, was wir gestern noch ganz selbstverständlich gemacht hätten, weil es Satire ist Kabarett oder politischer Karneval – Meinungen frei äußern, egal ob sie dieser oder jenem gefällt, diese oder jenen provoziert, dieser oder jene sich beleidigt fühlt oder nicht.
    Warum nicht? Weil wir Angst haben! Wo das hinführt, wissen wir doch, liegt doch hier nur 25 und mehr, bzw. 75 und mehr Jahre zurück.“

    Das ist leider falsch. Verbote gab es auch „gestern“ schon. Zum Beispiel im Karneval 2006: Da durfte ein amerikakritischer Wagen, auf dem sich der damalige Präsident Bush eine Kugel gab mit der Unterschrift „Endlich mal eine sinnvolle Antiterrormaßnahme“ nicht aufgefahren werden. Warum? Weil „überzeugte Atlantiker“ etwas dagegen hatten. Wo war Ihr Geschrei (bzw. das Ihrergleichen) damals?

  8. 1453 sagt:

    Ich habe mal letztens die hierzulande geltenden Rechte und Gesetze angefangen zu lesen. Zu allererst das GG.
    Art.5 des GG behandelt die Meinungsfreiheit, aber Satz 2 zeigt auch sofort das es hierfür Schranken bzw. Grenzen sind.
    „…
    (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
    (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
    …“

    Dann las ich in §130 und §166 StGB das die Meinung sogar eine Strafe mit sich ziehen kann.

    Dann verstehe ich das Geschrei nicht.
    Wollen hier einige Kommentatoren auf Teufel komm raus andere zu einer Straftat anstiften.