Minarett, Burka, Pegida
Woher kommt die Angst vor einer Bedrohung, die nicht existiert?
Nur vier Minarette gibt es in der Schweiz, um die Hundert Burkaträgerinnen gibt es in Deutschland und der Ausländeranteil liegt in Dresden bei 2,2 Prozent – und dennoch diskutieren wir darüber. Von Khola Maryam Hübsch.
Von Khola Maryam Hübsch Dienstag, 16.12.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 25.01.2015, 13:55 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Nur vier Minarette gibt es in der Schweiz – und doch wurde landesweit über ein Minarettverbot debattiert. Um die Hundert Burkaträgerinnen gibt es in Deutschland – und doch diskutieren wir bundesweit über ein Burkaverbot. Der Ausländeranteil liegt in Dresden bei 2,2 Prozent – und doch demonstrieren 10.000 Menschen gegen die Islamisierung des Abendlandes. Woher kommt die Angst vor einer Bedrohung, die real nicht existiert?
Die Geschichte zeigt, dass die Verbindung gesellschaftlicher Probleme mit der angeblichen Bedrohung durch eine religiöse Minderheit ein häufig angewendetes Konstrukt ist. Angeheizt durch politische Rhetorik ist sie in erster Linie ein Produkt von Ignoranz und Phantasie, wie die Philosophin Martha Nussbaum es beschreibt. Doch Angst hat eine biologische Funktion, ohne Angst wären wir alle schon tot. Einen besonderen Überlebensvorteil hat derjenige, der sich auch auf das Auftauchen eines plötzlichen Angreifers vorbereitet. Die Angst davor, es könne jemand aus dem Hinterhalt unerwartet auftauchen und uns zur Strecke bringen, ist also sinnvoll. Das Wissen über eine mögliche Gefahr vermittelt zudem ein Gefühl der Überlegenheit: Während alle anderen die böse Kraft, die ihr wahres Gesicht verhüllt hat, nicht durchschauen und sich in Sicherheit wähnen, kann derjenige, der frühzeitig Gefahren erkennt am Ende zur Retter der Gemeinschaft werden. Das schmeichelt dem Ego – und führt derzeit zu irrationalen Reaktionen. Angst ist eines der Gefühle, das zu dem primitivsten gehört, Angst braucht kein entwickeltes Denken, Angst verdrängt rationale Einsichten.
Stellen Sie sich vor, eine Gruppe A wird immer wieder als rückständig, gewaltaffin und frauenverachtend dargestellt. In der Realität lassen sich aber kaum sichtbare Unterschiede zwischen der Gruppe A und einer Gruppe B erkennen. Wie also lässt sich die kognitive Dissonanz zwischen Realität und Konstruktion überwinden? Indem man der Gruppe A unterstellt, sie agiere im Verborgenen, aus dem Hinterhalt: Hinter dem harmlos anmutenden Äußeren stecke eine Strategie, die zur großen Gefahr werden könne. Es wird folglich gewarnt vor einer schleichenden Islamisierung Deutschlands – so wie Ende des 19. Jahrhunderts vor der römisch-katholischen Einwanderung in die Vereinigten Staaten gewarnt wurde.
Die Angst-Rhetorik ist damals wie heute die gleiche geblieben: Katholiken galten als tiefe Bedrohung für die Demokratie, Gleichheit und säkulare Werte. Feministinnen, die für das Frauenwahlrecht gekämpft hatten, befürchteten, die katholische Einwanderung behindere den Kampf um die Gleichstellung der Frau. Die katholische Frau galt als unterdrückt, die Haube der Nonne als Beleg für religiösen Extremismus, der Frauen unterwerfe. Die hohe Geburtenrate der katholischen Frau, die eine Geburtenkontrolle ablehnte, würde sehr bald zu einer katholischen Mehrheit führen, die ihre streng-religiösen Vorstellungen durchsetzen würde. Eine Serie von Terroranschlägen sowie der Aufstieg des Faschismus im katholischen Teil Europas schien dies zu belegen. Katholiken würden, sobald sie an der Macht waren, ein radikal göttliches Gesetz einführen und die Vereinigten Staaten zu einer „katholischen Republik“ machen. Kurzum, die katholische Einwanderung galt als ernste Bedrohung für den Liberalismus. Diese weit verbreiteten Wahnvorstellungen erledigten sich nachhaltig erst, als der Katholik John F. Kennedy 1961 zum Präsidenten wurde.
Die Ängste, die die Pegida-Bewegung schürt, sind also nicht neu. Sie bedient sich der Argumentation der Eurabien-Aktivisten, die schon seit Jahren davor warnen, die Fruchtbarkeit der muslimischen Frau werde Europa aushöhlen und zu einer muslimischen Mehrheit in Europa führen, die die Scharia einführen werde (- wobei eine iranische Studie dieses Jahr zu dem Ergebnis kommt, dass u.a. die skandinavischen Länder die Scharia am besten realisieren. Was unter Scharia verstanden wird ist also sehr unterschiedlich).
Die Fakten sind eindeutig: Die Geburtenrate sinkt weltweit mit zunehmender Verstädterung und höherem Bildungsniveau und führt auch in Europa dazu, dass sie bei muslimischen Einwanderern innerhalb kürzester Zeit drastisch sinkt. Studien zeigen eindeutig, dass die muslimische Bevölkerung bei gegenwärtigen Einwandererzahlen und Trends bei den Geburtenraten auch in den nächsten Jahrzehnten unter 10 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen wird. Derzeit sind weniger als 15 Prozent der Einwanderer in Deutschland Muslime. Und doch scheint die eigene Identität in Frage gestellt, wenn Muslime ihre Religion sichtbar machen. Hz. Ali ra, der vierte Khalif der Sunniten, sagte einmal: „Die Menschen sind Feinde dessen, was sie nicht kennen“.
Warum diskutieren wir immer wieder über ein Burkaverbot? Eines der zentralen Argumente der Burkagegner lautet, die Gesichtsverschleierung stehe für die Unterdrückung der Frau und degradiere sie zum Objekt. Doch woher wissen sie das so genau? Ich kenne viele Frauen, die ihr Gesicht verschleiern und weiß, dass sie größtenteils ein normales, selbstbestimmtes Leben führen. Lässt sich Unterdrückung an einem Kleidungsstück ablesen? Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einem „epidemischem Ausmaß“ der Gewalt gegen Frauen weltweit, auch in Europa berichtet jede dritte Frau von Erfahrungen mit sexueller oder körperlicher Gewalt – ganz ohne Burka. Studien über Burka-Trägerinnen gibt es keine. Und selbst wenn ein Zusammenhang von Burka und Unterdrückung statistisch belegt wäre, müsste man dann konsequenterweise nicht auch Alkohol verbieten? Seit langem ist der enge Zusammenhang von Alkoholkonsum und Nötigung sowie Gewalt gegen Frauen bekannt. Eine weitere eklatante Inkonsequenz in dieser Argumentation liegt darin, dass unsere gesamte Gesellschaft durchzogen ist von Postulaten, die Frauen zum Objekt degradieren. „Sexmagazine, Pornografie, enge Jeans, enthüllende Kleidung – all das behandelt Frauen als Objekte und ist in der Medienkultur weit verbreitet“, wie Martha Nussbaum zu Recht einwendet. Leitartikel Meinung
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Wenn unter den Anführern Bordellbetreiber aus dem Milieu zu finden sind, weiß man, was mit „Frauenrechten“ gemeint ist. Wie geht’s weiter?
Es reicht jetzt schon, dass Plassberg & Co noch paarmal fragen: „Passen die Ausländer zu Deutschland“ (gerne auch unter Anti-Rassismus Titeln) …. und die Hütte brennt. Zuvielen passt das in den Kram, ich denke es wird in ein paar Jahren so kommen wenn es auch wirtschaftlich nicht mehr so läuft. Seien wir realistisch.
Wie immer ein ausgezeichneter Artikel der Autoren, indem sie gezielt die zentralen Themen anspricht und transparent darlegt. Dem ist nichts hinzuzufügen!
Wer befand sich damals, als die Frauen sich angefangen haben zu emanzipieren, unter den grössten Gegner der Emanzipation: oft Frauen selbst! Warum ist das so? Stockholm-Syndrom?
Es ist einfach zu offensichtlich, dass es bei der Vollverschleierung nicht um Freiheit handelt sondern um Einschränkung (passiv und aktiv, sich selbst gegenüber und anderen gegenüber), ob diese nun angeblich selbst auferlegt oder von einem Fremden auferlegt wurde, spielt keine Rolle! Und wenn man den Begriff Freiheit dermaßen verbiegen und verzerren will, dass selbst eine Burka angeblich Teil unserer Gesellschaft sein soll, dann kann mit der gleichen Logik auch ein Burka-Verbot angestrebt werden oder will man uns diese Freiheit etwa verbieten?
Übrigens ist das Hakenkreuz ein Glückssymbol aus Indien, trotzdem ist es hier verboten, einfach weil man damit eine Kultur der Unterdrückung assoziiert. Ich assoziiere mit der Burka völlig unabhängig davon ob diese freiwillig getragen wird oder nicht, die Unterdrückung von vielen muslimischen Frauen. Und die Burka ist nicht anderes als ein Einverständnis gegenüber der unterdrückerischen Kultur bspw. Saudi-Arabiens. Es geht beim Tragen von Symbolen (religiöser oder politischer Art) nie nur darum was der Träger damit assoziiert, sondern auch das was diejenigen damit assoziieren, die dieses Symbol sehen.
@Mark Gereon: „Es geht beim Tragen von Symbolen (religiöser oder politischer Art) nie nur darum was der Träger damit assoziiert, sondern auch das was diejenigen damit assoziieren, die dieses Symbol sehen.“
Ich sehe im Tragen eines Minirockes ein Symbol der Unterdrückung und Zuschaustellung der Frau als Objekt männlicher Begierde. Daher beantrage ich das Verbot von Miniröcken und CO….
Mark, glauben Sie wirklich, Sie könnten mit Kleidungsverboten verhindern, dass Frauen der Unterdrückung ausgesetzt sind. Wieviele deutsche, nichtmuslimische Frauen werden von ihren ebenfalls nichtmuslimischen Männern geschlagen, bevormundet, drangsaliert und vergewaltigt?????
Zudem würde mich interessieren, woher Sie wissen wollen, ob die Burkaträgerin tatsächlich unterdrückt wird??? Es gibt auch Burkaträgerinnen, die reindeutsch sind und unverheiratet ohne muslimisches Elternhaus…..
@Saadiya
„Ich sehe im Tragen eines Minirockes ein Symbol der Unterdrückung und Zuschaustellung der Frau als Objekt männlicher Begierde. Daher beantrage ich das Verbot von Miniröcken und CO….“
Wenn Sie eine gewisse Mehrheit zusammen bekommen die ebenfalls dieser Meinung ist, können Sie verlangen was Sie wollen, das ist in einer Demokratie so! Dies wird aber höchstwahrscheinlich nicht passieren, da unsere Kultur nunmal Freizügigkeit und Offenheit bevorzugt. Bei uns tragen Männer ja bekanntlich auch kurze Shorts! Außerdem wird weder hier noch woanders eine Frau dazu gezwungen Miniröcke zu tragen, bzw. bestraft (womöglich noch mit Peitschenhieben), wenn sie es nicht tut, deshalb kann nicht von Unterdrückung die Rede sein. Die Zurschaustellung seines Körpers dient bei den Frauen wie auch bei den Männern dazu einen Partner zu finden, da man in unserer Kultur arrangierte Ehen ablehnt. ;)
„Es gibt auch Burkaträgerinnen, die reindeutsch sind und unverheiratet ohne muslimisches Elternhaus…..“
Das Wort „reindeutsch“ gibt es eigentlich nur bei Nazis, das mal nebenbei („Biodeutsch“ ist auch nicht besser). Ob eine Burkaträgerin deutsch oder sonstwas ist, interessiert mich in dem Fall nicht. Das leigtimiert oder relativiert nämlich gar nichts!
Was die Verfasserin des Beitrags im letzten Abschnitt sagt, ist genau das, was man eigentlich unter Integration verstehen sollte: die unversehrte Aufnahme eines neuen Teils in ein bestehendes Ganzes und nicht Assimilation, nämlich Angleichung unter Aufgabe wesentlicher Eigenheiten des neuen Bestandteils.
Genauso, wie die Islamfeinde das Kopftuch oder die Gesichtsverschleierung als „Symbol“ für die Unterdrückung der Frau sehen, könnte man es auch als Symbol für die Unterdrückung des Mannes sehen: Die muslimische Frau kann frei über ihr eigenes Vermögen verfügen, das sie bspw. durch Erbschaft erlangt hat. Während ihr Ehemann für den Unterhalt der Familie aufkommen muß, ist seine Frau nicht dazu verpflichtet. Wenn nun die Frau ihr eigenes Vermögen z. B. durch geschäftliche Tätigkeiten vermehrt oder sonst ein eigenes Einkommen hat und damit ihren Ehemann unterstützt, der allein nicht imstande ist, den Unterhalt seiner Familie zu bestreiten, kommt letzterer in finanzielle Abhängigkeit von seiner Kopftuch oder Gesichtsverschleierung tragenden Frau und kann von ihr „unterdrückt“ werden. Daher ist das Kopftuch ein „Symbol“ für die Unterdrückung des Mannes.
Was die Deutschen in ihrer unbegründeten und blinden Angst tun, ist gefährlicher für sie als eine „Islamisierung“ Deutschlands, da eine Diskriminierung der Muslime bei weiterer, in Verfolgung und Unterdrückung ausartender Steigerung die Deutschen in den Augen vieler Bewohner dieser Welt nochmals zu einer Verkörperung des Bösen werden lassen könnte, wie einst im Zweiten Weltkrieg unter der Naziherrschaft, und wie sie noch lange danach in internationalen Spielfilmen häufig als „die bösen Nazis“ dargestellt wurden. Aber so weit scheinen jene Deutschen, die bei Pegida & Co. mitlaufen, nicht denken zu können.
Nach den Ängsten, die bei den Muslimen durch solche „Bürgerbewegungen“ und zu Gewalttaten ermutigte Täter ausgelöst werden, fragt auf der Seite der Nichtmuslime niemand. Gerade in Dresden, wo in einem Gerichtssaal Marwa Scherbini mit 18 Messerstichen von einem Islamhasser brutal niedergestochen wurde, hätte man erwarten sollen, daß die Leute dort sensibler geworden sind. Offensichtlich ist das jedoch nicht der Fall.
@karakal der Mörder von Marwa Scherbini war ein „Russlanddeutscher“ …
Realist sagt: 16. Dezember 2014 um 17:21
„@karakal der Mörder von Marwa Scherbini war ein “Russlanddeutscher”“
Den Einwurf verstehe ich nicht. Die Frau wurde in einem dt. Gerichtssaal vor aller Augen niedergestochen und der Ehemann, der sie als einziger schützen wollte von einem Bundespolizisten niedergeschossen. Welche Relevanz hat der Herrkunftsort des dt. Täters?
@Marc
Sie haben noch nicht ganz verstanden, dass es in einer freiheitlichen Demokratie nicht darum geht, dass die Mehrheit ihre Interessen und Weltanschauung über die der Minderheit stellt. Das ist nicht Sinn und Zweck einer Grundrechtsordnung. Diese gewährt jedem Individuum maximale Freiheit, die erst dort aufhört, wo Ihre persönliche Freiheit tangiert wird. SIe haben kein Grundrecht darauf, vor Ihnen unliebsamen Eindrücken und Anblicken in der Öffentlichkeit verschont zu bleiben. Es ist immer wieder interessant, warum sich Menschen wie Sie nicht mit derselben Vehemenz gegen den Anblick extrovertierter Satanisten bspw., oder schräge Punks wehren. Oder finden Sie, es zeugt von Freiheit, wenn der Körper in einen langen Ledermantel mit Nieten und steel boots gesteckt wird, gepaart mit seltsamsten Piercings an den Sinnesorganen, die bereits beim Anblick schmerzhafte Krämpfe auslösen? Wollen Sie diese „versklavten Seelen“ denn nicht „befreien“? Merken Sie vielleicht, wie einfach Sie sich an die heuchlerische Doppelmoral gewöhnt haben? Ich empfehle Ihnen und allen selbsternannten Verfechtern der Freizügigkeit den Kant’schen Imperativ. Es gilt nun mal nicht der Satz: An Marc G.’s Wesen soll die Welt genesen…
Im Römischen Reich mußte jeder, der an Gott geglaubt hat, im Colosseum gegen wilde Tiere kämpfen und wurde umgebracht.
Jemand, der sich als Christ geoutet hat, mußte Angst um sein Leben haben.
Heute versuchen sie das Gleiche mit den Muslimen. Bald muß jeder, der sich Moslem nennt, damit rechnen, von der Gesellschaft und den Behörden verfolgt, discriminiert, deklassiert, terrorisiert…..etc. zu werden.
Das Colosseum der „Anti-Christen“ sind jetzt die Mainstream-Medien, die direkt oder indirekt zur Hetze aufrufen.
Es ist im Endeffekt der gleiche Gott, an den die Christen und Muslime glauben.
Seht, was daraufhin mit dem Römischen Reich passiert ist.
Einige sehnen sich für Europa offensichtlich das gleiche Schicksal herbei.
Die Leute kapieren immer noch nicht, was hier läuft.