Der zweite grüne Asylkompromiss
Ökologische Entsorgung von Grundrechten geht weiter
Wurde das Asylrecht für Roma noch für einen "Appel und ein Ei" verhökert, kostete die jüngste Verschacherung der Menschenwürde von Asylsuchenden den Bund immerhin ein paar Hundert Millionen Euro – Ulla Jelpke kommentiert:
Von Ulla Jelpke Dienstag, 02.12.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.12.2014, 17:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Beim Verscherbeln von Grundrechten kommen Die Grünen langsam in Fahrt: Wurde das Asylrecht für Roma vom Westbalkan durch Zustimmung des grünen Ministerpräsidenten Kretschmann zum Gesetz sicherer Herkunftsstaaten noch für einen „Appel und ein Ei“ verhökert (Volker Beck, Grüne), so mussten es bei der Verschacherung der Menschenwürde von Asylsuchenden und Geduldeten durch Zustimmung zum verfassungswidrigen Asylbewerberleistungsgesetz doch ein paar Hundert Millionen Euro sein.
Allerdings: Während beim Kretschmann-Deal gute gegen schlechte Flüchtlinge ausgespielt wurden, was immerhin einige Verbesserungen für Erstere zur Folge hatte (Lockerung des Arbeitsverbots, der Residenzpflicht und des Sachleistungsprinzips), so hatten die Flüchtlinge vom jüngsten grünen Deal im Bundesrat rein gar nichts. Denn es ging ausschließlich darum, die Kommunen mit mehr Geld für die Unterbringung von Asylsuchenden auszustatten, bessere Standards bei der Unterbringung waren beispielsweise kein Thema. Dennoch behaupteten die Grünen auf ihrer homepage, sie hätten „Verbesserungen für Flüchtlinge“ erstritten, weil Flüchtlinge „in Zukunft“ eine Gesundheitskarte bekommen könnten.
Eine glatte Lüge, wie der Berliner Flüchtlingsrat kritisierte: Bereits jetzt ist es Bundesländern möglich, die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge mithilfe einer Gesundheitskarte abzuwickeln, wie es Bremen und Hamburg seit Jahren praktizieren. Und auch in Zukunft soll es den einzelnen Bundesländern frei stehen, am bisherigen System der gesundheitlichen Mangelversorgung festzuhalten. Was also, bitte schön, wurde erstritten? Und warum ließen sich die Grünen so bereitwillig über den Tisch des Bundesrates ziehen? Spätestens beim Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt am 11. Dezember hätte der Bund den Kommunen erhebliche finanzielle Zugeständnisse machen müssen – und diese waren auch schon angekündigt.
Ohne jeden realpolitischen Gewinn stimmten die Grünen also einem ersichtlich verfassungswidrigen Gesetz zu – dieses mal geschlossen, und nicht nur der Buh- bzw. Kretschmann. Die Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf Menschen mit einem humanitären Aufenthaltstitel ist ebenso offenkundig ein Verstoß gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte 2012 wie die weiterhin bestehende Möglichkeit der massiven Einschränkung des menschenwürdigen Existenzminimums zu migrationspolitischen Zwecken.
Ohne Aufpreis stimmten die Grünen auch noch den Verschärfungen des Freizügigkeitsgesetzes zu, die sie– völlig zu Recht – im Bundestag im Einklang mit der LINKEN energisch bekämpft hatte. Kaum war das Gesetz verabschiedet, forderte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, die EU-Kommission auf, deshalb gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Da haben die GRÜNEN von der SPD „gelernt“: Diese hatten im Jahr 2007 der Einführung der Regelung der Sprachnachweise im Ausland zugestimmt und noch im Bundestag erklärt, sie hofften, dass das Bundesverfassungsgericht die Regelung wieder kippen würde. Bis heute ist diese menschenquälende Schikane in Kraft.
Hoffen wir, dass es mit der Wiederherstellung des Asylrechts schneller geht: das Verwaltungsgericht Münster hat bereits in Aussicht gestellt, den ersten grünen Asylkompromiss zu den sicheren Herkunftsstaaten dem Bundesverfassungsgericht zur Kontrolle vorzulegen. Es bestünden Zweifel an der Sorgfalt des Verfahrens zur Einstufung der Westbalkanländer als generell sicher. In der Tat: Auf die Lage in Serbien hatte bei der Verabschiedung des Gesetzes kaum jemand genauer hingeschaut, es ging von Beginn an um ein politisches Geschacher und um die Vollstreckung des im Koalitionsvertrag festgelegten Ziels. Dass die Grünen sich auf dieses Politikniveau begeben haben, ist traurig. Dass sie dies aber auch noch feiern und als Erfolg für die Flüchtlinge hinzustellen versuchen, schäbig. Aktuell Meinung
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