3 Jahre NSU

Bislang kein einziges Verfahren gegen Ermittler, Staatsanwälte und Verfassungsschützer

Vor drei Jahren flog die rechtsextreme Terrorgruppe NSU auf und noch immer sind viele Details ungeklärt. Bislang ist man von einer lückenlosen Aufklärung der Taten noch weit entfernt.

Mittwoch, 05.11.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 10.11.2014, 21:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Zum Jahrestag des Aufliegens der rechtsextremen Terrorgruppe NSU sehen Hinterbliebene noch viele offene Fragen. Von dem Prozess in München „haben wir uns lückenlose Aufklärung gewünscht, die bekommen wir leider nicht“, sagte Gamze Kubaşık am Dienstag in Berlin. Sie ist die Tochter des 2006 in Köln ermordeten Kioskbesitzers Mehmet Kubaşık. Sie habe noch „viele Fragezeichen im Kopf“, so Kubaşık. Die Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, Barbara John, sieht ebenfalls noch weiteren Aufklärungsbedarf.

Chancen auf weitere Erkenntnisse könnten Untersuchungsausschüsse in den Ländern bringen, sagte sie. Hier fehlten noch Einblicke. „Es wäre dieses Landes nicht würdig, wenn wir abbrechen müssten.“ Zugleich beklagte John, dass es bislang noch kein einziges Verfahren wegen Anfangsverdachts auf Strafvereitelung gegen Ermittler, Staatsanwälte und Verfassungsschützer gegeben habe. Wenn die Politik nicht die Sicherheitseliten kontrollieren könne, sei das Land gefährdet.

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Erschöpfende Ungewissheit

Die Familien der NSU-Opfer wollten endlich wissen, weshalb es gerade sie getroffen habe, erklärte John. Sie stellte am Dienstag ein Buch mit dem Titel „Unsere Wunden kann die Zeit nicht heilen“. Darin sind Gespräche mit den Opferfamilien aufgeschrieben. Heilen könne man den Verlust „eines lieben Menschen sowieso nicht“, ergänzte die Ombudsfrau. Ihr sei es mit dem Buch darum gegangen, wie sich die Leben der Hinterbliebenen verändert habe. Einige lebten in Unruhe, weil sich vor ihren Wohnhäusern Rechtsradikale aufhielten, sagte sie.

Bis zu einem Banküberfall am 4. November 2011 hielten sich die drei mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe unbehelligt im Untergrund auf. Dem Trio wird vorgeworfen, neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft und eine Polizistin ermordet zu haben. Böhnhardt und Mundlos wurden nach dem Eisenacher Banküberfall tot in einem Wohnwagen gefunden. Zschäpe steht als einzige Überlebende in München vor Gericht.

Ihm schmerze, „welche Show“ Beate Zschäpe vor Gericht „abzieht“, sagte Abdul Kerim Simsek, dessen Vater ebenfalls ermordet wurde. Die Angeklagte zeige keine Reue. Seit 14 Jahren trage seine Familie die große Last, „wir wollen sie eines Tages endlich ablegen“, erklärte Simsek. „Ich finde keine Worte für ihr Verhalten und Auftreten“, ergänzte Gamze Kubasik. Für sie sei Zschäpe ein Unmensch. „Eigentlich steht doch alles fest, wieso zieht sich das alles so in die Länge“, habe sich Mustafa Turgut anfangs gefragt. Sein Bruder wurde 2004 in einem Rostocker Imbiss erschossen.

Vertrauen in den Rechtsstaat verloren

Die Vize-Präsidentin im Bundestag, Petra Pau (Linke), sagte, sie wisse aus Gesprächen mit vielen Angehörigen, dass das Vertrauen der Hinterbliebenen in den Rechtsstaat schwer erschüttert sei. „Ich komme in Rage, wenn Behörden und Regierungen Ermittlungen zum NSU verhindern oder behindern versuchen“, erklärte Pau. Sie kritisierte das Land Brandenburg, das sich geweigert habe, einen V-Mann mit NSU-Bezug vor dem Prozess in München aussagen zu lassen. So etwas hintertreibe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Meineid.

Merkel hatte den Hinterbliebenen bedingungslose Aufklärung versprochen. Im Vorwort zu dem nun erschienenen Buch schreibt die Kanzlerin: „Wir müssen verhindern, dass sich solche Taten jemals wiederholen. Wir müssen aufklären und vorbeugen.“ Nach Ansicht von Pau kann bislang noch keine Rede von bedingungsloser Aufklärung sein. (epd/mig) Leitartikel Politik

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