Neue Dimension der Gewalt

Von wegen Anti-Salafisten-Demo. Nazis grölten „Ausländer raus“

Anstelle einer Anti-Salafisten-Demo von Hooligans wurde Köln Zeuge eines der größten ausländerfeindlichen Nazi-Gewaltexzesse der vergangenen 20 Jahre. Wie die Polizei mitteilt, haben neue gemesame Feindbilder die gewaltbereite Szenen verbunden.

Dienstag, 28.10.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.10.2014, 17:59 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Ankündigung nach sollten am Sonntag in Köln Fußball-Hooligans gegen Salafisten protestieren. Tatsächlich versammelten sich etwa 5.000 Hooligans und Nazis, die gegen Ausländer grölten und randalierten wie auf dem Schlachtfeld. Ein Großaufgebot der Polizei ging mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Tränengas gegen die Demonstration vor. Die Beamten waren zuvor unter anderem mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern attackiert worden. Bilanz des Gewaltexzesses: 44 verletzte Polizisten und 17 Festnahmen.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) nannte es im ZDF „eine neue Dimension, dass sich Fußball-Gewalttäter zusammentun mit Rechtsextremisten“. Die Veranstalter hätten nur vorgegeben, gegen Salafismus zu protestieren. Tatsächlich hätten die Teilnehmer der Versammlung Gewalt ausüben wollen und dafür das Demonstrationsrecht missbraucht. Ein einfaches Verbot solcher Kundgebungen sei aber nicht möglich. Dafür müsste das Bundesverfassungsgericht überzeugt werden, das im Grundgesetz verankerte Demonstrationsrecht einzuschränken, betonte der Minister. „Das ist nicht einfach, aber eine Möglichkeit, falls sich ein solches Bündnis noch einmal zusammentut.“

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Maas findest Problem unter dem Deckmantel der Religion
„Wer Gewalt in Deutschlands Städte trägt, der muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats verfolgt und bestraft werden“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Montag in Berlin. Er erklärte, es dürfe nicht zugelassen werden, dass sich gewalttätige Salafisten und Rechtsextreme gegenseitig hochschaukelten. „Rassismus und Gewalt unter dem Deckmantel der Religion haben bei uns keinen Platz“, so Maas wörtlich. Allein mit repressiven Mitteln seien diese Probleme aber nicht zu lösen. Radikalisierung müsse schon an den Wurzeln bekämpft werden, das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Die Gewerkschaft der Polizei schreibt der Gewalt eine „ganz neue Qualität“ zu. „Solche Ausschreitungen in der Form haben wir hier in Nordrhein-Westfalen in den letzten 20 Jahren noch nicht gehabt“, sagte Sprecher Arnold Plickert im WDR-Radio. Wasserwerfer seien in den letzten zehn Jahren in NRW nur zweimal eingesetzt worden. Besorgt äußerte sich Plickert darüber, dass sich Hooligan-Gruppen zusammengeschlossen hätten, die noch bis vor einigen Monaten „bis aufs Blut verfeindet waren“. Insgesamt gebe es bundesweit „ein Potenzial von 17.000 Gewaltsuchenden im Fußball“.

Neues gemeinsame Feindbild verbindet
Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes waren an den Übergriffen in Köln gewaltbereite Rechtsextremisten aus ganz Deutschland beteiligt. Die neue gewaltbereite Hooligan-Szene mit Rechtsextremisten in ihren Reihen sei ab März dieses Jahres entstanden, erläuterte der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, im WDR. Rund zehn Prozent der Szene seien Rechtsextremisten. Hooligans und Rechtsextremisten teilen nach Freiers Worten die Gewaltbereitschaft und eine „aggressive Grundhaltung“ gegen das gemeinsame Feindbild Salafismus.

Linke und Grüne kritisierten, dass die Demonstration genehmigt wurde. Das Veranstaltungsrecht sei „nicht zur Legalisierung von Neonazi-Gewaltexzessen da“, sagte Linken-Parteichef Bernd Riexinger der Onlineausgabe der Tageszeitung Neues Deutschland. Die nordrhein-westfälischen Grünen forderten, „offensiver die Möglichkeit des Verbots solcher Versammlungen“ zu prüfen. „Das waren keine’besorgten Bürger‘ die sich gegen Salafismus stellen“, erklärten die Parteivorsitzenden Mona Neubaur und Sven Lehmann. „Das waren rechtsextreme und gewaltbereite Schlägertrupps, die auf Krawall und Zerstörung aus waren.“ Gefragt werden müsse auch, ob die Stadt Köln und die Polizei die Gefahren richtig eingeschätzt hätten.

Pirat: Wer so arbeitet ist überflüssig
Für Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfraktion im Innenausschuss, ist die Sache klar: Es sei völlig unverständlich, dass die Polizei nicht auf den Nazi-Aufmarsch in Köln vorbereitet war. Die Polizei und der Verfassungsschutz hätten die Lage besser einschätzen müssen, kritisiert der Pirat. „Die rechtsextremen Gruppen innerhalb der Hooliganszene sind der Polizei und dem Verfassungsschutz bekannt. Als sich vor zwei Wochen mehr als 1.500 Nazi-Hools zur Schlägerei in Köln verabredeten, hätten bei Polizei und Verfassungsschutz die Alarmglocken laut scheppern müssen. Auf wie vielen Augen ist der Verfassungsschutz blind? Wer so arbeitet ist überflüssig“, so Herrmann.

Aufgerufen zu der Hooligan-Demo hatte die Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa), ursprünglicher Anmelder war ein Führungsmitglied der rechtsextremen Splitterpartei „Pro NRW“. Ähnliche Demonstrationen hatte es vor Wochen auch in Mannheim, Essen und Dortmund gegeben, wo aber höchstens einige hundert Teilnehmer gezählt wurden. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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  1. H.P.Barkam sagt:

    Nun bin ich doch dafür, den Hooligänsen das Tragen ihrer Verieinsembleme zu verbieten.
    Das wirkt Wunder, wie wir bei den Rockern sehen können, die ihre Kutten nicht mehr tragen dürfen. Die sind jetzt alle ganz lieb, ohne ihre gefährlichen Lederwesten.

    In diesem Sinne

  2. MoBo sagt:

    Wenn man Leute auf der Straße fragt, was die größte Gefahr in Deutschland ist, werden viele „Islam“ sagen, auch wenn sie nie in ihrem Leben Kontakt mit Muslimen hatten. Keiner schaut darauf, was auf der Straße passiert, so wie letzten Sonntag. Viele deutschsprachige Medien (Migazin natürlich ausgenommen) haben mit ihrer dauernden tendenziösen Berichterstattung dazu beigetragen, teilweise offen, teilweise subtiler – siehe Cover von diversen Spiegel-Ausgaben.

  3. humanoid sagt:

    ich hab die situation aus nächster nähe gesehn .

    ich frag mich auch auf wie vielen augen der staat und die sicherheitsorgane blind sind .

    die polizei war äußérst zurück haltend , die herrn haben nicht nur demostriert sondern randaliert , sehr schön zu sehn an den bahnhofs türen am hinter eingang .

    44 verletzte Polizisten !!!!!!!!! in bonn hat ein idiot einen polizisten verletzt und in allen medien war der aufschrei da ,

    das sind terroristen , aber in der zeitung wird nur von chaoten gesprochen .
    in den letzten jahren wurde ich nicht von salafisten bedroht oder angegriffen , auch wurde niemand getötet , aber ständig wird hysterisch angst verbreitet .

    es ist nur eine frage der zeit bis durch die hetze in den medien noch etwas wirklich schlimmes passiert .

    wenn die politik versagt das staatliche gewaltmonopol aufrecht zuerhalten , in bezug auf minderheiten , kann sich ja jeder ausmalen was passiert

  4. karakal sagt:

    Diese Hooligans behaupten, sie seien gegen die „Salafisten“, meinen jedoch die Muslime allgemein, und selbst wenn sie nur die Salafisten meinen würden, so könnten sie sie wohl kaum von anderen Muslimen unterscheiden, da die Massenmedien die „Salafisten“ mit äußerlichen Kennzeichen beschreiben, die auch auf die meisten anderen Muslime zutreffen, die ihre Religion praktizieren und sich äußerlich als solche zu erkennen geben.
    Laut einer unabhängigen US-Studie soll es ab dem Jahr 2014 eine europaweite Muslimvertreibung geben. Im Unterschied zur Verfolgung der Juden und anderer Minderheiten unter der Nazi-Herrschaft soll die Verfolgung der Muslime nicht durch den Staat und dessen Institutionen geschehen, sondern durch verhetzte Volksmassen, während die Sicherheitsorgane nur halbherzig oder gar nicht zum Schutz der Muslime eingreifen und die meisten Politiker diesbezüglich auch nichts unternehmen, sondern nur zuschauen. Vielen mag dieses von der Studie gezeichnete Szenarium als Fantasterei oder zumindest weit übertrieben erscheinen, die sich nun abzeichnende Entwicklung spricht jedoch dafür, daß diese Voraussagen zumindest in abgeschwächter Form zutreffend sind.
    Allerdings wird sich die Mehrzahl der in Mitteleuropa lebenden Muslime höchstwahrscheinlich nicht vertreiben lassen, da die jüngeren Generationen hier geboren und aufgewachsen sind und keine andere Heimat haben, in die sie auswandern könnten – ganz zu schweigen von den Konvertiten. Es wird also zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen, und wenn die staatlichen Sicherheitskräfte beim Schutz der Muslime versagen oder sich unwillig zeigen, sie wirksam zu beschützen, werden sich die Muslime zu ihrem Schutz vermutlich in Milizen selbst organisieren. Sind das die Zukunftsaussichten in Deutschland für die nächsten Jahrzehnte? So etwas Ähnliches hatten wir bereits einmal, als sich Katholiken und Protestanten bis auf Blut bekämpften.
    Es bleibt zu hoffen, daß die Vertreter des Staates, Politiker, Polizei und Justiz erkennen, daß die Islamfeindlichkeit bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist, und daß die meisten von ihnen selbst nicht neutral sind, auch wenn sie sich dafür halten, und daß sie diese Islamfeindlichkeit, die für sie bisher kein Thema ist, erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen müssen.

  5. Mika sagt:

    @MoBo
    Das sehe ich genauso!
    Mich hat es auch nicht weiter verwundert: es war nur eine Frage der Zeit, dass so etwas geschehen würde.
    Die Medien berichten tagtäglich über den ach so demokratiefeindlichen und gefährlichen Islam….irgendwann glauben die Leute das, obwohl sie sich nie damit befasst haben. Warum auch? Ist ja viel bequemer, wenn das einem etwas vorgesetzt wird. Das passt ja auch ins eigene Bild, warum muss man sich damit auseinandersetzen? Warum muss man in Kontakt mit anderen Gruppierungen kommen? Die sind doch eh nicht auf gleicher Augenhöhe!
    Und wenn man seine Sorgen kundtut und sagt, dass man sich hier nicht mehr wohlfühlt, heißt es lediglich „Reisende soll man nicht aufhalten!“
    Es mag zwar radikal klingen, aber ich befürchte, die Prä-NS-Zeit hat wieder an Fahrt genommen….

  6. surviver sagt:

    Vielleicht ist das ja so gewollt.
    In den Nachrichten wird das meiner Meinung nach sogar noch heruntergespielt.
    Bravo, Deutschland. Macht weiter so. Tut dem Ansehen ganz gut im Ausland.

  7. Pingback: Überraschung - Hooligans gegen Salafisten - Wie bitte? - MiGAZIN

  8. Muslim sagt:

    Es ist doch klar, dass das genau ist, was sich der Staat wünscht: Jemand, der die Drecksarbeit für ihn unter dem Deckmantel der „Versammlungsfreiheit“ erledigt. Ähnlich wie der NSU. Erstaunlich, wie dieser Terrorismus – bei knapp 50 verletzte Polizisten und angegriffener Infrastruktur ist das nichts anderes – von staatlicher Seite heruntergespielt, verharmlost und bagatellisiert wird: Die armen „Hooligans“ (wohlgemerkt: das sind Rechtsextremisten, Nazis, Faschisten!) fühlten sich durch Salafisten provoziert (wohlgemerkt: es war kein einziger „Salafist“ anwesend, deshalb ist die Darstellung in den Medien als „hooligans gegen Salafisten“ absolut irreführend; es war keine Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Gruppen, sondern ein rechtsextremer terroristischer Aufmarsch), sie haben halt alle Alkohol getrunken und es sei zu kleinen „Schlägereien“ gekommen (so der Innenminister). De Mazière nennt das Ganze dann auch noch „überraschend“ während er gleichzeitig behauptet, dass so etwas doch jedes Wochenende vorkomme. Dann hat der deutsche Rechtsstaat aber eine überaus großzügige Toleranzschwelle, was rechtsradikalen Terrorismus anbelangt. Der Gipfel ist: diese Bewegung, die sich auf einschlägigen Foren im Internet unter dem gemeinsamen Banner der Islamfeindlichkeit tummelt und dort nicht nur Hetze verbreitet, sondern strafrechtlich relevante Volksverhetzung betreibt und Straftaten vorbereitet, wird vom Verfassungsschutz NICHT BEOBACHTET!! Aber von der LIES!-Aktion haben sie sogar regelmäßig geheime Schnappschüsse in ihren Berichten abgedruckt ! Es ist ein Hohn und Spott auf die Gerechtigkeit. Der Staat zeigt, was ihm Ausländer, Minderheiten und Muslime wirklich wert sind, indem er diese willkürlich kriminalisiert und bewusst das rechte Auge zudrückt!

  9. Muslim sagt:

    Zitat von Eva Hecht Galinski zum Gaza Krieg:
    „drei Monate später, hat sich die Situation für die eingesperrten Menschen in Gaza nicht zum Besseren gewendet, nein, die Menschen leben dort in den Trümmern ihrer von der „Jüdischen Verteidigungsarmee“ zerstörten Existenzen. Über 2100 Palästinenser wurden ermordet, über 550 Kinder, traumatisierte Waisen und Überlebende in diesem Elend.“

    Ich habe noch keine Distanzierung, Verurteilung oä von deutschen Regierungspolitikern gehört. Warum wird der kurdische Widerstand unterstützt, der palästinensiche nicht?