Interview mit Angela Kühner

Der Holocaust im interkulturellen Klassenzimmer

Die aktuelle Migrationsdebatte in den Massenmedien beinhaltet eine Gefahr für den Geschichtsunterricht: Lehrer schauen gar nicht mehr hin oder hören nicht zu. Sie lassen sich verleiten von den negativen Klischees in den Massenmedien. Warum Pädagogen Hilfe brauchen.

Von Arnd Zickgraf Mittwoch, 30.07.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 04.08.2014, 17:27 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Dr. Angela Kühner arbeitet als Sozialpsychologin beim Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Mit Kollegen hat sie eine Studie durchgeführt. Dabei wurden Lehrer an städtischen und ländlichen Regionen befragt, wie sie den Unterricht zum Nationalsozialismus und Holocaust erleben.

Allmählich werden die Zeitzeugen der nationalsozialistischen Verbrechen weniger. Rechnen Sie damit, dass die Erinnerung an den Holocaust bei Jugendlichen verblasst?

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Angela Kühner: Man muss sich klar machen, dass sich die Auseinandersetzung mit dem Holocaust immer verändert hat und weiter verändern wird. Vielleicht wird dabei manches sogar differenzierter statt einfach nur blasser. Uns hat jedenfalls überrascht, dass von dem vielfach in den Medien unterstellten Desinteresse bei den von uns befragten Schülern wenig zu spüren war. Wir waren etwa fasziniert zu sehen, wie die Schüler über ihre Geschichtslehrer nachdachten. Ihnen fiel auf, wie wichtig der Holocaust den Lehrern ist. Man sollte Aussagen von Jugendlichen wie „Nicht schon wieder!“ nicht als Ausdruck einer verfestigten Abwehr verstehen. Sie sind viel mehr aus der jeweiligen Unterrichtssituation heraus zu verstehen. Tendenziell wird die Bereitschaft von Jugendlichen unterschätzt, sich auf die Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen einzulassen.

In vielen Schulklassen sitzen heute junge Migranten mit türkischen oder arabischen Wurzeln. Nun war es in Ihrer Studie gar nicht leicht, Schüler muslimischen Glaubens für Interviews zu gewinnen. Sind zugewanderte Jugendliche, deren Eltern nicht an den nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt waren, gleichgültiger den nationalsozialistischen Verbrechen gegenüber?

Angehörige von Gruppen, die starken stigmatisierenden Zuschreibungen ausgesetzt sind, sind womöglich besonders skeptisch, wenn sie beforscht werden sollen. Das zeigen beispielsweise auch Studien zum Risikoverhalten von HIV-Infizierten. Schüler mit familiärer Migrationserfahrung, und insbesondere Schüler mit türkischen Wurzeln, wollten vermutlich aus guten Gründen nicht mit uns sprechen.

Die Schüler mit Migrationshintergrund, die wir befragten, zeigten nicht pauschal weniger Interesse an dieser Epoche der deutschen Geschichte. Sie bringen andere Perspektiven in das Klassenzimmer mit, die Anknüpfungspunkte an die Zeit des Nationalsozialismus bieten.

Und wie erleben Geschichtslehrer die Schüler türkischer Herkunft in ihrem Unterricht?

Typische Aussagen von Lehrern gingen dahin, dass, „die Türken“ sich nicht für den Holocaust interessierten. Und wenn doch, dann mit dem Unterton, dass sie, „die Türken“, daran nicht schuld seien. Bemerkenswert ist, dass Schülern mit türkischen Wurzeln dabei ein Gefühl der Überlegenheit unterstellt wurde. Manche Lehrer erweckten den Eindruck, dass sie als bemühte Deutsche, die der Mehrheitsgesellschaft angehören, darüber nachdachten, wie sie den „Anderen“ den Holocaust als „unsere“ Geschichte vermitteln können. Doch als eigenständige Akteure tauchten diese „Anderen“, nämlich die Jugendlichen mit Migrationserfahrung, im Erinnerungsdiskurs kaum auf.

Welche ist die größte Herausforderung der Holocaust-Erziehung?

Die zentrale Herausforderung sind die unvermeidlich schwierigen Gefühle, die das Thema Holocaust weckt, nicht nur, aber ganz besonders in der deutschen Tätergesellschaft. Diese können leicht zu „projektivem Othering“ führen.

Können Sie das genauer erklären?

Von „projektivem Othering“ sprechen wir immer dann, wenn wir vermuten, dass der Migrations-Andere in der Fantasie besonders stark zum Anderen gemacht wird – wenn also der Unterschied zur eigenen Kultur überschätzt wird. Projektive psychologische Mechanismen sind mir in mehreren Interviews mit Lehrern aufgefallen, etwa wenn man im Gesamtkontext der sehr ausführlichen Interviews sehen kann, wie sehr „den Gastarbeiterkindern“ oder „den Türken“ Fragen, Gefühle oder Themen unterstellt werden, die die Lehrer selbst beschäftigen. Eine Erkenntnis der interkulturellen Psychologie besagt: Wer sein Gegenüber als besonders fremd wahrnimmt, der ist mit eigenen psychischen Anteilen konfrontiert.

Nicht die Schüler wirken hier überfordert, sondern die Lehrer …

Aus psychologischer Sicht ist es völlig normal, dass Menschen mit schwierigen Themen ringen. Für Lehrer ist sowohl ein richtiger Umgang mit der Erinnerung an den Holocaust eine besondere Herausforderung als auch ein sensibler Umgang mit Migration. Die aktuelle Migrationsdebatte beinhaltet allerdings die Gefahr, sich von den Beiträgen in den Massenmedien, die nicht selten negative Klischees über Migranten transportieren, zu Dramatisierungen verleiten zu lassen und gar nicht mehr genauer hinschauen oder hinhören zu können.

Pädagogen neigen in der Holocaust-Erziehung also dazu, eigene negative Gefühle auf Jugendliche mit Migrationshintergrund zu übertragen und sie vom Prozess des gemeinsamen Erinnerns auszuschließen. Welche Unterstützung brauchen sie?

Sie müssten lernen, die komplizierten Gefühle, die mit der Behandlung des Holocausts im Unterricht verbunden sind, wahrzunehmen. So lange sie die sehr schwierigen Gefühle nicht wahrnehmen und artikulieren können, werden sie andere Perspektiven im Erinnerungsdiskurs als bedrohlich empfinden. Dabei könnten die eingewanderten Perspektiven eine Chance sein, über die verschiedenen Formen von Verunsicherung hinsichtlich der Geschichte dieses Landes ins Gespräch zu kommen. Gesellschaft Leitartikel

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  1. Marianne sagt:

    Da begebe ich mich jetzt gerne auf Ihr „traditionelles Niveau“, ganz wie gewünscht, und schließe mit „Ja Amen“.

  2. Marianne sagt:

    Aber eventuell können Sie ja noch einen Hinweis geben, ob der Nickname auch eine Frage des „traditionellen Niveaus“ ist, hier scheint’s ja vor Soehnen und Töchtern von Griechischprofessoren nur so zu wimmeln. Aramäisch studieren im Übrigen i.d.R. nur Leute, die ihren Lebensunterhalt bis zum Ableben nicht selbst verdienen müssen. Als Arbeitertochter habe ich lieber Wirtschaftswissenschaften studiert, mit herausragendem Ergebnis, übrigens. Und weil Papa keinen dicken Geldbeutel hatte, schied die Promotion aus rein finanziellen Gruenden aus. Von der Dachrinnenreparatur verstehe ich uebrigens als Arbeitertochter rein gar nichts, die Klischees, die Sie hier verbreiten, sind schon recht tumb, finden Sie nicht? Bei meinem Sprössling sieht es da schon anders aus, der kann problemlos promovieren und habilitieren, aber natürlich nicht in brotlosen Künsten, der wird lieber Professor der Mathematik, ganz ohne Tradition, rein nach den herausragenden Fähigkeiten. Über die übrigens eine ganze Menge von traditionellen Soehnen mit Berufsziel Sohn auf Lebenszeit nicht verfügen, die fallen schon im Bachelor durch -Abbrecherquote rund 80 %.Aber macht ja nichts, die studieren jetzt Aramäisch, hab ich gehört.

  3. Marianne sagt:

    Och, Herr Konservative Gegenstimme, die Schlafwandlerthesen des Herrn Clark, die bei Deutschen Geschichtsklitterern erwartungsgemäß auf Begeisterung stoßen, halten ja nun nach Ansicht zahlreicher Historiker, nach meiner auch, einer sachlichen Überprüfung in keiner Weise stand, und wie Ihnen, so „gebildet“ wie Sie sich hier geben, nicht entgangen sein dürfte, gibt es zu sämtlichen Thesen unzähliger Historiker Widerspruch aus der eigenen Zunft, eben, weil Historiker keine Profession ist, die nach wissenschaftlichen Standards arbeitet.
    „Widerlegt“ ich lach mich schlapp. Sie suchen sich lediglich die „Experten“ aus,ddie zu Ihrer reaktionären Ideologie passen, dem reaktionären Zeitgeist folgend. Von der mir empfohlenen Selbstkritik kann ich leider bei Ihnen nicht mal das geringste Spuerchen entdecken. SIE regen sich lediglich darüber auf, dass ich Geschichte nicht mit Ihrer reaktionären Brille beleuchte und sind zutiefst empört, dass ich Ihre einseitige Sichtweise nicht teile. Widerlegt, ich Krieg einen Lachanfall, haben Sie das aus dem TV?

  4. Akademikerin sagt:

    „Aramäisch studieren im Übrigen i.d.R. nur Leute, die ihren Lebensunterhalt bis zum Ableben nicht selbst verdienen müssen.“
    Ja so sehen es auch die Politiker, mit verheerenden Folgen. Die Realität sieht anders aus.Kinder aus „reichen“ Verhältnissen studieren Volkswirtschaft, Maschinenbau, Jura oder Medizin. Die werden i.a.R. nicht „Wissenschaftler“ oder „geistige Kapazitäten“, weil sich das unter dem Strich nur selten rentiert. Ich bezweifle, dass Sie vom Sozialgefüge an unseren Universitäten viel verstehen. Sie belegen Ihre Behauptungen mit keiner einzigen Studie. Auch Ihre historischen Sichtweisen orientieren sich nicht an Forschungsdiskursen. Historiker arbeiten wissenschaftlich, weil sie sich an Quellen orientieren. Das setzt viele Fähigkeiten voraus: Philologische Kenntnisse, Griechisch- und Lateinkenntnisse, Englischkenntnisse, Französischkenntnisse, die Fähigkeit alte Schriften zu lesen, das setzt voraus, dass man liest, lies, liest., kritisch denkt und recherchiert. Vor allem aber muss der Historiker bereit sein, die Zeit, mit der er sich beschäftigt aus der damaligen Sicht wahrzunehmen, nicht aus der heutigen. Das Denken der Menschen im Jahr 300 v. Chr. kann man nun mal nicht mit Kategorien des Jahres 1968 erfassen. Lassen Sie bitte die Pauschalurteile!

    Geisteswissenschaften sind Wissenschaften, wie der Name ja schon sagt. Sie beschäftigen sich mit Dingen, die oft relativ sind und daher eine erhöhte geistige Tätigkeit voraussetzen …

  5. Marianne sagt:

    Historiker, meine Liebe, suchen sich die Quellen, die zu ihrer Meinung/Ideologie passen und beurteilen sie ihrer Ideologie entsprechend, jedenfalls die meisten. Deshalb streiten sie ja, trotz identischer Quellenlage. Ich verstehe eine Menge vom „Gefüge“, belegen SIE doch mal Ihre abenteuerlichen Aussagen mit Studien. Dass Historiker im weiteren Sinne Wissenschaftler sind, habe ich nicht bestritten, allerdings ist das eine Wissenschaft, bei der unterschiedliche Historiker trotz identischer Quellenlage zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Meine historischen Sichtweisen orientieren sich an Quellen und an der Analyse derselben und auch wenn ich die Diskurse verfolge, benötige ich keinen Historiker, der mir sagt, wie ich Quellen zu interpretieren habe und welche Meinung die richtige ist. Ganz im Sinne der Aufklärung denke ich eigenständig und ohne Führer, die mir vorplappert, was und in welche Richtung ich zu denken habe. Erhöhte geistige Tätigkeit, ich lach mich schlapp. Kenntnisse kann sich jeder aneignen, herausragende intellektuelle und analytische Fähigkeiten benötigt man da eher selten. Studieren Sie doch mal Mathematik, da können Sie Kenntnisse ansammeln und Quellen, ohne herausragende analytische Fähigkeiten, die man eben nicht lernen kann, werden Sie scheitern. Deshalb gibt es da auch viel höhere Abbrecherquoten. Deshalb fehlen an unseren Gymnasien i.d.R. auch keine Latein- oder Geschichtslehrer, sondern Physik- und Mathematiklehrer. Und nach allem, was man mittlerweile weiß, zeichnet sich ein erheblicher Teil der Promovierten einfach dadurch im Speziellen aus, dass die Spezies ganz besonders geschickt im Plagiieren ist. Das ist natürlich auch eine „Fähigkeit“, die zumindest eine gewisse Bauernschlaeue und kriminelle Energie voraussetzt. Die hat nicht jeder, da haben Sie völlig recht.

  6. Akademikerin sagt:

    1. Nein Marianne, so einfach ist es nicht. Denn erstens ist z.B. die Quellengrundlage bei Fritz Fischer viel schmaler als bei Clark, der halb Europa durchreist hat und zweitens gibt es durchaus „harte“ Fakten. So ist nicht jede Quelle bekannt, auch geht es darum festzustellen, wann wer wo war, gerade 1914 eine wichtige Frage. Das setzt voraus, dass man viele tausende Dokumente durchgesehen hat. Genau das, was sie den Historikern vorwerfen, tun Sie eben nicht. Denn Historiker arbeiten an Texten, mit denen sich Normalsterbliche normalerweise nie auseinandersetzen. Historiker sind auch kritischer als der Ottonormaldenkende. Der professionell arbeitende Historiker weiß genau, dass das persönliche Urteil ideologisch und zeitgebunden sein kann. Dieses Bewusstsein bewahrt ihn vor allzu simplen Fehleinschätzungen. Denn jedes Urteil ist immer bedingt durch Tradition und kulturelles Umfeld. Dass es andere Sichtweisen geben kann, ist ganz normal, viele Dinge haben unterschiedliche Seiten. Gerade besonders aufgeklärte Geisteswissenschaftler sind in der modernen Forschung widerlegt worden, weil sie die Zeitgebundenheit ihres eigenen Urteils nicht erkennen wollten. Der Historismus ist nun mal ein Kind der Aufklärung. Wollen Sie das abstreiten?

    2. Mathematik ist eine exakte Wissenschaft. Aber jeder Mathematiker wird ihnen bestätigen, dass Mathematik nicht jedes Problem darstellen kann. Wo es „relativ“ zugeht, ist die Mathematik unbrauchbar. Bei der Bewältigung des Syrienkonflikts helfen Ihnen mathematische Kenntnisse nicht. Bei der Frage, was glücklich macht, auch nicht. In der Geschichtswissenschaft ist es ähnlich.

    3. Kenntnisse kann sich jeder aneignen, ja sicher, aber, ob er das auch tut, ob er überhaupt so erzogen ist? Die Fähigkeit zur persönlichen Analyse hilft Ihnen ohne „Bildung“ und Schliff“ gar nichts. Das ist wie mit einem Menschen, der ein begabter Sportler wäre, wenn er nicht stundenlang vor dem Fernseher sitzen würde. Ohne Bildung kann es auch keine Einsicht („Intelligenz“) in die Dinge geben.

    4. Im Übrigen will der Umgang mit Quellen gelernt sein. Falls Sie ganz genau wissen, wie sie eine Quelle zu interpretieren haben, ohne sie gesehen zu haben, haben Sie im Grunde keine Ahnung. Die Interpretation eines ägyptischen Totenbuchs bedarf eines ausgefeilten Spezialistentums, da kann nicht jeder herkommen und von sich behaupten, dass er alles verstehe. Aber wenn Sie der Ansicht sind, alles zu wissen und zu können bitteschön. Ohne Autorität lebt es sich besser.

    5. Wenn Sie davon überzeugt sind, dass Naturwissenschaftler Solideres zu bieten haben als Geisteswissenschaftler, dann empfehle ich Ihnen ein gewisses bahnbrechendes Werk einer führenden Politikerin über Zerfallsprozesse in Mülltonnen. Ein sehr erhebendes Thema, geistreich und überaus interessant! Mir ist auch nicht bekannt, dass unsere Profiplagiatoren jemals irgendeine Rolle im Wissenschaftsdiskurs gespielt hätten. Plagiieren setzt voraus, dass man nicht an der Quelle arbeitet. Plagiieren bedeutet Nichtnachdenken, Nachkauen. Das hat aber mit geistiger Arbeit nichts zu tun.

  7. Marianne sagt:

    Schön, dass Sie bestätigen, das die „Arbeiten“ unzähliger Faktoren mit wissenschaftlicher Arbeit nichts zu tun haben. Meine Worte. Der von Ihnen hochgelobte Clark ist ein Meister der Disziplin, das zum gewünschten Ergebnis Passende ueberzubetonen und das nicht Passende allenfalls am Rande zu erwähnen oder ganz wegzulassen. Das sage nicht nur ich, das sagen auch Historiker, aber Sie suchen sich eben den Historiker aus, der zu Ihrer Einstellung passt. Fuer jede Sichtweise finden Sie problemlos „Historiker“, die Sie als Kronzeugen fuer die angebliche Richtigkeit Ihrer Einstellung benennen können. Der Begriff widerlegt ist absolut lächerlich in diesem Bereich, denn die Historiker „widerlegen“ sich andauernd selbst und was heute angeblich widerlegt ist, wird in 20 Jahren als DIE angebliche Wahrheit verkauft, je, nachdem, welcher Zeitgeist gerade herrscht. Historiker betreiben nun mal keine exakte Wissenschaft, wo es möglich ist, mittels Beweisfuehrung etwas zu widerlegen, Sie verkaufen ihre eigene Interpretation der Quellen, deren Auswahl sie selbst bestimmen, als angebliche Wahrheit. Das ist nun mal keine exakte Wissenschaft. Punkt.
    Auch in der Frage, was angeblich glücklich macht, gehen die

  8. Marianne sagt:

    Ansichten der „wissenschaftlichen“ Studienersteller aber so was von weit auseinander. Das geflügelte Wort, traue keiner Erhebung, die Du nicht selbst gefälscht hast, ist hier die einzige konstante Wahrheit. Wir benötigen auch nicht Heerscharen von Experten, die ägyptische Totenbuecher interpretieren, die meisten dieser „Experten“, die bis kurz vor dem Ruhestand studieren, und sich dann um einige wenige Positionen auf dem Gebiet streiten, sind arbeitslos. Den richtigen Umgang mit Quellen kann man sich ganz ohne „Tradition“ aneignen, im Studium nämlich, jedenfalls dann, wenn man ein klein wenig in der Birne hat, und nicht dem Glauben unterliegt, Tradition wuerde Intellekt und korrekte Arbeisweise ersetzen. Eine Menge von Doktoren, deren Doktorarbeiten keinen Menschen interessieren, die nicht mal von den Prüfern richtig gelesen werden, weil die nicht bemerken, dass es sich um eine Aneinanderreihung von Plagiaten handelt, beherrschen ihn nicht in korrekter Weise. Ganz ohne generationenlange Tradition bin ich seit rund 15 Jahren ausschliesslich wissenschaftlich tätig, mein Umgang mit Quellen ist bestens, was ich leider von vielen Doktoren mit generationenuebergreifender Tradition, die mir während meiner Tätigkeit in großer Zahl begegnet sind, wobei es sich überwiegend um Historiker im Kettenpraktikum handelt, beim besten Willen nicht behaupten kann. Alte Schriften, zugegeben keine ägyptischen, kann ich problemlos entschlüsseln. Der aufgeblasene Duenkel diverser Doktoerchen ist lachhaft und Hochmut und akademischer Duenkel, der sich auf Traditionen beruft, kommt in der Regel vor dem Fall. Dem Fall in eine „Karriere“ als Dauerpraktikant oder in die Arbeitslosigkeit. Aber macht ja nix, der Papi wirds schon richten.

  9. Marianne sagt:

    Und um das abzuschließen, Frau Akademikerin, unter Historikern sind Clarks Thesen nun keineswegs unumstritten, auch wenn die deutsche Presse im Allgemeinen vor Begeisterung jubelt.

    Ich bin nicht der Meinung, dass man hier etwas revidieren muss, dass gar etwas „widerlegt“ sei. Der Historiker Volker Ullrich hat die Mängel der Beweiswürdigung und vor allem der einseitigen Überbewertung bzw. auffälligen Bagatellisierung, auch mit der Methode Unter-den-Tisch-fallen-lassen nicht passender Quellenl, die nicht zur Theorie des schlafwandlerischen Hineinschlitterns /alle sind im gleichen Masse schuld bzw. eigentlich ist keiner schuld, weil man ja schlafgewandelt hat, passt, m.E, hervorragend beschrieben. Und es gibt eine ganze Reihe von Historikern, die Clark deutlich widersprechen. Sind das etwa keine Akademiker bzw.keine richtigen Historiker? Wie gesagt, Sie werden für jede Ideologie und jede Interpretation der Geschichte den passenden Historiker finden, auf den Sie sich berufen können.
    Weshalb man v.a. in Deutschland von diesem Bestseller so überaus begeistert ist, ist die Entlastung von der Hauptverantwortung der Deutschen für den Ersten Weltkrieg, kein Wunder, dass das in Deutschland auf helle Begeisterung stößt.

    http://www.zeit.de/2013/38/sachbuch-christopher-clark-die-schlafwandler-europa-erster-weltkrieg

    http://www.zeit.de/2013/38/sachbuch-christopher-clark-die-schlafwandler-europa-erster-weltkrieg/seite-2

  10. Seraphim sagt:

    Die Arbeit eines Volkswirtschaftlers ist eine ganz andere, auch der Horizont. Das ist durchaus nicht negativ gemeint. Für sich zu behaupten, man wisse alles was ein Historiker weiß und man könne jede Quelle richtig interpretieren halte ich für problematisch. Viele kommen in ihrer universitären Laufbahn mit den Geisteswissenschaften vermutlich nur am Rande in Berührung. Vielleicht erklärt das manches Klischee.