Mindestens problematisch
Der Holocaust in Schulbüchern
Deutsche Schulbücher und Lehrpläne behandeln den Holocaust ausführlich, jedoch teils ungenau oder gar verzerrt. In anderen Ländern dieser Welt sieht es noch schlimmer aus. In Indien werden die „kompromisslosen nationalen Ideale“ der Nazis sogar gepriesen.
Donnerstag, 17.07.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 20.07.2014, 19:58 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
„Hitler hatte seine Absicht, die Juden zu vernichten, schon am 30. Januar 1939 zu erkennen gegeben“. Dieser Satz steht als Einleitung zum Kapitel „Völkermord“ im Schulbuch „Das waren Zeiten 4“. Eine problematische Aussage, kritisiert Schulbuchforscher Peter Carrier. Täterschaft und Verantwortung würden dadurch stark personalisiert, so als sei Adolf Hitler allein für die Massenverbrechen verantwortlich. Unzulässig sei auch die Formulierung, dass jemand in der Pogromnacht 1938 „sein Leben verlor“ im Schulbuch „Denkmal Geschichte 9/10“ – lässt sie doch offen, ob es sich dabei um ein Unglück oder aber um Mord gehandelt hat.
Schulbücher können Einstellungen bis ins späte Erwachsenenalter beeinflussen. Darum sind die Begriffe, mit denen Schulbücher die Verbrechen des Nationalsozialismus vermitteln, wichtig. Verharmlosung, Verfälschung oder Verschweigen können sich negativ auswirken. Die Studie des Braunschweiger Georg-Eckert-Instituts im Auftrag der Unesco „Zur Bedeutung des Holocaust in der schulischen Bildung. Eine globale Bestandsaufnahme von Schulbüchern und Lehrplänen“, für die Peter Carrier verantwortlich zeichnet, untersuchte den Umgang mit den Massenverbrechen der Nationalsozialisten in Schulbüchern und Lehrplänen von 125 Ländern.
Dabei ergab sich unter anderem, dass die Ermordung der europäischen Juden in Ländern des Nahen Ostens teils ganz ausgeblendet oder mit unscharfen Begriffen gekennzeichnet wird. Indische Schulbuchautoren, die rechtskonservativen Hindu-Parteien nahestehen, preisen laut Carrier die „kompromisslosen nationalen Ideale“ der Nazis und verschweigen den Holocaust. Deutsche Schulbücher und Lehrpläne behandeln den Holocaust ausführlich, jedoch teils ungenau.
Zu diesem Ergebnis kam auch der Geschichtsdidaktiker Thomas Sandkühler in seiner Schulbuch-Untersuchung von 2012. Und Forscher der Freien Universität Berlin hatten vor zwei Jahren herausgefunden, dass jeder vierte befragte Schüler in Deutschland dem Nationalsozialismus gegenüber neutral eingestellt war. Nur jeder Zweite hatte keinen Zweifel, dass das „Dritte Reich“ eine Diktatur war. Viele Jugendliche hatten Schwierigkeiten, Demokratie und Diktatur zu definieren, Schüler aus Nordrhein-Westfalen schnitten damals unter allen Bundesländern am schlechtesten ab.
Möglicherweise hat das auch mit der Qualität des Unterrichts zu tun. Was die Wissensvermittlung in Schulbüchern angeht, empfiehlt Eckhardt Fuchs, stellvertretender Direktor des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung, dass neben die Schulbucherzählungen vermehrt Quellen, Zitate und Zeugenaussagen treten sollten. Aktuell Feuilleton
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Der Rassist Churchill, der Indien brutal unterdrückte und ausbeutete, wird in Europa gepriesen. Nach ihm wird sogar eine Zigarre benannt. Was wird in europäischen Schulen eigentlich beigebracht?
Deutsche Geschichtsbücher für den Schulunterricht sind mittlerweile auf einen derart engen Zeitraum zusammengepresst, dass man den Geschichtsunterricht gleich durch Fernsehsendungen ersetzen könnte. Eine Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte erscheint mir ziemlich widersinnig, wenn Vorgänge, die das 18., 19. und sogar das 20. Jahrhundert betreffen, völlig unbekannt sind. Antike und Mittelalter sind ja eh beinahe aus dem Lehrplan gestrichen, wie will man sich dann eigentlich seriös an ein vielschichtiges Thema wie den „Nationalismus“ wagen, der sich ja nicht allein auf „Nazis“ beschränken lässt, sondern eine wesentliche Antriebsfeder für die moderne Demokratie war?
@aloo masala
“ Was wird in europäischen Schulen eigentlich beigebracht?“
Soll das ein Witz sein, diese Kritik auf Europa zu begrenzen? Jede Nation dieser Erde verehrt ehemalige und aktuelle unehrenhafte Führer. Selbst die Bibel und der Koran machen das, also was soll diese Kritik? In der Türkei sind Brücken nach äusserst zwielichtigen historischen Personen benannt worden! Welches Fazit ziehen Sie daraus?
Außerdem erzählt ja wohl keiner den Kindern, dass man Chrurchill heutzutage, wegen seiner unterdrückerichen Indienpolitik bewundern sollte, sondern wegen der Freiheit von der auch Sie gerade profitieren!
Wenn ich zwischen den Zeilen ihres Kommentars lese, dann wird mir relativ schnell klar, dass Sie glauben die Europäer wären rassistischer oder fremdenfeindlicher als andere und Sie nur noch nach Bestätigung für Ihre Theorie suchen und alles unter den Tisch fallen lassen, was in dieses Schema nicht hinein passt.
@James K
Ich kritisiere nicht Europa. Ich kritisiere die Darstellung von Indien in diesem Artikel.
Der grundlegende Fehler liegt schon darin rein kognitiv vermitteln zu wollen was nur durch tiefe Einfühlung nachvollzogen werden kann.
Kein Wunder, dass die Schüler der Sache in relativer kognitiver „Gleichgültigkeit“ gegenüberstehen. Wer überwiegend mit nackten Zahlen konfrontiert wird kann auch nur mathematisch kalt nachvollziehen.
Die meisten Schulen versagen auf ganzer Linie, wenn es um die empathische und empathiefördernde Vermittlung des „deutschen Grauens“ geht.
Josef Özcan (Diplom Psychologe)
http://www.koelnerappell.de