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Landgericht Magdeburg

Nazis prügeln „Scheißtürken“ ins Koma – ohne rassistischen Hintergrund

Mit „Scheißtürke“ wurde Ali von neun bekannten Nazigrößen beschimpft und ins Koma geschlagen. Einen rassistischen Hintergrund erkannten aber weder Staatsanwaltschaft noch das Landgericht Magdeburg.

Montag, 05.05.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.06.2014, 18:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach getaner Arbeit sind Imbissbetreiber Ali (34) und seine Freundin Heike (27) 1 dabei, ihren Laden zu schließen. Es ist der 21. September 2013, kurz nach 21:00 Uhr in Bernburg, eine kleine Stadt in Sachsen-Anhalt. Als Heike vor dem Laden aufräumt, kommt eine Gruppe von neuen Männer im Alter zwischen 24 und 33 Jahren vorbei. Einer von ihnen hält die 27-jährige offensichtlich für eine Türkin und beschimpft sie unter anderem mit „Türkenschlampe“.

Ali schreitet ein und greift den Mann am Arm. „Fass mich nicht an, du Scheißvieh“, schreit dieser und wirft dem 34-jährigen eine Bierflasche ins Gesicht. Die acht anderen kommen hinzu, schlagen und treten den Imbissbetreiber in die Bewusstlosigkeit und hören auch danach nicht auf. Mit „Scheißtürke“ beschimpfen sie ihn dabei. Als die Männer von ihm ablassen und weiterziehen, zuckt Ali nur noch.

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Dem Tod knapp entkommen
Mit schwersten Kopfverletzungen wird der 34-Jährige im Krankenhaus notoperiert und liegt zwei Wochen im Koma. Nur die schnelle intensivmedizinische Behandlung und mehrere Operationen retteten sein Leben. Heike bekommt an diesem Abend ebenfalls Schläge ab. Auch ein Mann mit indischem Hintergrund, der ebenfalls zu Hilfe eilt, wird von den Männern niedergeschlagen und getreten.

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Heute noch ist Ali schwer gezeichnet von diesem Abend. Er leidet an Gedächtnisverlust und starken Kopfschmerzen. Auf einem Auge hat er seine Sehkraft verloren, seine Schläfe wird von Titanplatten zusammengehalten. Den Imbiss hat er aufgeben müssen. Er ist arbeitslos.

Täter allesamt bekannte Nazis
Die Täter sind allesamt bekannte Nazis, frühere Kameradschaftsmitglieder und tätowiert mit Hakenkreuzen und Wehrmachtssoldaten. Einer wurde 2006 sogar bundesweit bekannt, nachdem er einen 12-jährigen Deutschäthiopier wegen dessen Hautfarbe misshandelt hatte. Zusammen mit zwei anderen Nazis hatte er den Jungen mit einer Gaspistole bedroht, seinen Kopf auf eine Bank geschlagen, eine Zigarette auf einem Augenlid ausgedrückt und auf ihn uriniert. Auf Fragen musste der Junge mit „jawohl, mein Führer“ antworten.

Wegen des Angriffs vor dem Imbiss stand am vergangenen Freitag die Urteilsverkündung gegen die neun Nazis an. Fünf Angeklagte wurden freigesprochen. Ihnen konnte eine Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden. Gegen die vier anderen verhängte das Landgericht Magdeburg Freiheitsstrafen zwischen fünf und acht Jahren wegen versuchtem Totschlag. Hätte das Gericht einen rassistischen Hintergrund erkannt, wären die Täter wegen versuchten Mordes verurteilt worden.

Verharmlosung von Rassismus
Wegbereiter für Totschlagthese war die Staatsanwaltschaft. Mitte November 2013 erhob sie Anklage wegen versuchten Totschlags. Die Anwälte von Ali und Heike kritisierten daraufhin scharf, dass die rassistische Dimension der Tat nicht erkannt werde. Sie beantragten die Eröffnung des Verfahrens wegen versuchten Mordes aus rassistischen Beweggründen sowie die Übernahme des Falles durch die Bundesanwaltschaft – wie es der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages bei solchen Fällen empfohlen hatte. Dazu kam es aber nicht.

Der Anwalt kritisierte, dass die rassistische Dimension der Tat von der Staatsanwaltschaft verharmlost wird. „Weil unmittelbar vor dem Angriff zunächst die Freundin meines Mandanten beleidigt wurde, soll es schlicht ein unpolitischer Angriff von betrunkenen Männern gewesen sein. Dass rassistische Parolen den Angriff auf den Betreiber des Dönerimbiss begleiteten, wird von der Staatsanwaltschaft ausgeblendet“, erklärte der Jurist. Eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung gab die Hoffnung nicht auf: „Im Sinne der Betroffenen hoffen wir, dass wenigstens das Gericht nun alles unternimmt, um das Motiv für die Tat umfassend aufzuklären und zu würdigen.“ Auch dazu sollte es am vergangenen Freitag nicht kommen.

Kein Fall für die Statistik
Der Richter bemerkte in der Verhandlung, dass die Angeklagten „relativ eindeutig“ Nazis seien, folgte im Ergebnis aber der Staatsanwaltschaft. Alkohol habe eine Rolle gespielt und die Tat sei nicht geplant gewesen, sondern spontan. Zwar seien rassistische Sprüche gefallen und Ausländerfeindlichkeit habe ebenfalls eine Rolle gespielt, doch sei nicht „zweifelsfrei feststellbar“, dass „Ausländerhass“ das tragende Motiv gewesen war.

Ob Ali und Heike in die nächste Instanz gehen, ist unklar. Klar ist nur, dieser Fall wird in der Statistik für „politisch motivierte Kriminalität – rechts“ nicht auftauchen. (bk)

  1. alle Namen geändert
Leitartikel Recht
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  1. Matthias sagt:

    Also ich wollte diese Artikel eigentlich nicht kommentieren, da die Botschaft eindeutig genug ist. Man muss sich in Magdeburg wohl häufiger fragen wo der gesunde Menschenverstand hin ist und warum m.E. eindeutige Rechte Idioten mit Samthandschuhen angefasst werden.

    Aber wenn ich dann so einen Mist von Herrn AggroMigrant lese, kann ich nicht an mir halten. Mit solchen Äußerungen und dem Ansporn zur Selbstbewaffnung kann man sie nicht ernst nehmen.

    Sollten sie das ernst meinen, hoffe ich der deutsche Staat schützt die Allgemeinheit vor Ihnen.

  2. Hoppla sagt:

    Die deutschen Gerichte sind zu allen Straftätern zu lasch. Das hat nichts mit der Gesinnung zu tun! Jeder kann jeden halbtot prügeln und mit einer Minimalstrafe rechnen. Das passiert bei prügelnden Nazis genauso wie bei prügelnden Türken!

    Einfach mal das Buch von Kirsten Heisig lesen: Das Ende der Geduld: Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter. Dann weiß man, dass es die Juristen sind, die Ihren Job nicht machen!

  3. Lionel sagt:

    Die Täter erhielten hier Haftstrafen von 5 bis 8 Jahren wegen eines versuchten Tötungsdelikts.
    Nur zum Vergleich: Jonny K. wurde auf dem Berliner Alexanderplatz ebenfalls von einer Gruppe grundlos zusammengetreten, und kam zu Tode.
    Der Haupttäter wurde zu 4,5 Jahren Haft verurteilt.

  4. meisterallerklassen sagt:

    @matthias und arno

    von amazon bis pi , wird über all von bürgerkrieg und bewaffnung gesprochen , ich frage mich was für waffen da gemeint sind , und was für ein bürgerkrieg ?

    niemand kann aggromigrant sein recht auf legalen waffenbesitz und das führen dieser waffen im gesetzlichen rahmen verbieten oder absprechen !

    wenn er ein bedürfniss hat und nachweisen kann das er bedroht ist kann er das tun ,wenn er die nötigen genehmigungen bekommt .

    zumal es ja nicht immer schusswaffen sein müssen !!!

    viel schlimmer finde ich es das der deutsche staat mir nicht erlaubt schuss sichere kleidung oder westen zutragen ! also eine reine defensive

    @arno ,

    so sehr ich es hasse die phantome und bösen geister der geschichte zunennen , aber eine homogene gesellschaft wollte auch ein volksgenosse von ihnen schaffen im gleichschritt , wären alle homogen gewesen hätten die nicht dazugehörigen auch nicht sterben müssen !

    wahrscheinlich ist ja für jedes problem die anderen schuld .

  5. Ante sagt:

    Viel bedenklicher finde ich die politische Tendenz, daß sich Linke und Rechte scheinbar immer einiger darüber werden, daß das Übel die Ausländerquote ist und immer mehr Ausländer das Gefühl haben, sich sich ihrer Gastgeber erwehren zu müssen. Es gab auch schon in den 30ern Viele die von links nach rechts und in den Mitt40ern mit akuter Vergeßlichkeit wieder zurück gewechselt sind. Wehret den Anfängen! Die Idee der geschlossenen Gesellschaft ist absurd… so als ob es nie eine Völkerwanderung gegeben hätte und daher nicht geben soll.

  6. AggroMigrant sagt:

    Liest du die Bibel Arno? Also da gibt es eine Passage, die ich halbauswendig kann, die passt irgendwie zu diesem Anlass. Ich glaube Hesekiel (25:17):
    „Der Pfad der Gerechten ist auf beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Gesegnet sei der, der im Namen der Barmherzigkeit und des guten Willens die Schwachen durch das Tal der Dunkelheit geleitet. Denn er ist der wahre Hüter seines Bruders und der Retter der verlorenen Kinder.“
    Und da steht weiter:
    „Ich will große Rachetaten an denen vollführen, die da versuchen meine Brüder zu vergiften und zu vernichten, und mit Grimm werde ich sie strafen, daß sie erfahren sollen: Ich sei der Herr, wenn ich meine Rache an ihnen vollstreckt habe!“

  7. Pingback: Nazis prügeln “Scheißtürken” fast tot – Gericht erkennt keinen rassistischen Hintergrund | Bündnis Dortmund gegen Rechts

  8. Global Player sagt:

    @Aggro Migrant

    Wir alle kennen diesen Spruch, wir alle haben Pulp Fiction gesehen ;)
    Folgendes würde mich interessieren:
    – Wer sind denn die Gerechten? Wer sind die Schwachen? Wer sind Ihre Brüder? Und wer sind die bösen Männer in Ihrem Szenario?

  9. Bender sagt:

    Schön zitiert! Das steht so nicht in der Bibel, sondern ist aus Pulp Fiction (Kurz bevor heroisierte Mafiosi ein Massaker anrichten).
    Das ist nicht zielführend und spielt den biederen Gesellen, die die braune Gefahr verharmlosen wollen, in die Hände.
    Offenlegung der Statistiken, gründliche Recherche sowie eine offene und sachliche gesellschaftliche Diskussion können helfen. Wann ist die Politik dazu bereit?

  10. Merca sagt:

    @AggroMigrant
    Wir sind zwar offensichtlich nicht einer Meinung, aber Ihren Humor finde ich Klasse! Pulp Fiction!