Flüchtlingsschutz
Innenministerium zeigt nur die halbe Wahrheit
Jeden Monat bringt das Bundesinnenministerium eine Pressemitteilung zu neuen Asylanträgen und deren Ablehnungsquoten. Wie eine Anfrage der Linksfraktion nun zeigt, wird die Presse aber nur mit der halben Wahrheit beliefert. Was dem Ministerium nicht passt, bleibt unerwähnt.
Von Birol Kocaman Montag, 17.03.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 21.03.2014, 7:17 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Monat für Monat liefert das Bundesinnenministerium frische Daten aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über die Zahl der neuer Asylanträge. Es macht auf Entwicklungen aufmerksam, vergleicht und liefert Ablehnungsquoten für die Presse und Öffentlichkeit auf dem Silbertablett.
Diese Zahlen ziehen Politiker gerne hervor, wenn sie eine harte Gangart in der Asylpolitik oder Verschärfungen des Asylrechts fordern. Die Hauptrolle spielen hierbei vor allem die hohen Ablehnungsquoten. Diese sollen nahelegen, die meisten Asylbewerber seien gar nicht schutzbedürftig, sie kämen nur wegen der Sozialleistungen nach Deutschland.
Dass die tatsächlichen Anerkennungsquoten in Wirklichkeit weitaus höher liegen, kommt hingegen kaum zur Sprache. Und weil sich weder das BAMF noch die Bundesregierung die Mühe machen, diese von sich aus zu veröffentlichen, müssen ergänzende Informationen zur Asylstatistik erfragt werden, so wie es die Linksfraktion regelmäßig macht.
Zahlen, die sonst nicht zu finden sind
Abgefragt werden darin Faktoren, die in den monatlichen Pressemitteilungen des Bundesinnenministeriums nicht zu finden sind. Das sind beispielsweise formelle Ablehnungen, die ergehen, weil der Asylbewerber über ein anderes EU-Land nach Deutschland gekommen ist. In diesen Fällen wird der Schutzsuchende an das EU-Land zurückgeschickt, wo er erstmals EU-Boden betreten hat – Stichwort: Dublin. Und weil Deutschland nicht am Mittelmeer liegt, sondern mitten in Europa, Asylbewerber also in der Regel über ein anderes EU-Land nach Deutschland kommen, machen formelle Ablehnungen – obwohl sie keinerlei Aussagekraft über die Schutzbedürftigkeit der Flüchtlinge haben – einen Großteil der hiesigen Statistik aus.
Wie groß, zeigt eine nun vorliegende Antwort der Bundesregierung auf eine dieser Anfragen der Linksfraktion: Danach betrug im Gesamtjahr 2013 die bereinigte Gesamtschutzquote 39,3 Prozent. Lässt man die Länder des Westbalkans außen vor, kommt man sogar auf eine Quote von 55,5 Prozent. Die allgemeine Gesamtschutzquote hingegen, mit der die Presse regelmäßig versorgt wird, beträgt vergleichsweise deutliche niedrigere 24,9 Prozent.
Gerichtsentscheidungen
Wie gekonnt das Innenministerium mit Statistiken hantiert, zeigt ein weiteres Beispiel: Im Jahr 2013 erhielten 42 Asylsuchende aus Serbien und Mazedonien einen Schutzstatus. Erst auf Anfrage erfährt man von der Bundesregierung von 65 weiteren Anerkennungen durch die Verwaltungsgerichte, ein Plus von 155 Prozent.
Diese Zahlen sind von Bedeutung, weil das Bundesinnenministerium plant, diese Länder (auch) aufgrund der geringen Anerkennungsquoten zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären. Als sicher gelten Staaten, in denen weder politische Verfolgungen noch sonstige menschenunwürdige Bestrafungen stattfinden. Der Asylantrag eines Ausländers aus diesem Land, wird in der Regel abgelehnt. Das dürfte wohl auch das Ziel des Ministeriums sein – ungeachtet der Tatsache, dass diese Länder nicht sicherer geworden sind.
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr vom BAMF 20.128 Asylsuchende als schutzbedürftig eingestuft. Von Januar bis November 2013 erhielten weitere 3.709 zunächst abgelehnte Flüchtlinge erst Schutz durch eine Gerichtsentscheidung. Das spricht weder für die Qualität der Prüfungen beim BAMF noch für das Bundesinnenministerium als dessen Aufsichtsbehörde. Leitartikel Politik
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