Europäische Union

Einbürgerungszahlen und Rechtslage im Vergleich

Die rechtlichen Voraussetzungen für Einbürgerungen und die praktische Handhabe sind in den EU-Staaten sehr unterschiedlich. Aktuelle Daten ermöglichen einen europaweiten Vergleich der jeweiligen Rechtsgrundlagen und Einbürgerungspraktiken.

Von Dita Vogel Donnerstag, 23.01.2014, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.01.2014, 8:51 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Staatsangehörigkeit bezeichnet das rechtliche Band zwischen dem Individuum und dem Staat, das ein Mensch bei seiner Geburt oder durch Einbürgerung erwirbt. Der Pass ist Symbol und Bestätigung dafür, dass jemand die Staatsangehörigkeit eines Landes hat und damit weitreichende Rechte und Pflichten zugesprochen bekommt. Bei politischen und öffentlichen Debatten geht es darüber hinaus regelmäßig auch um Zugehörigkeitsgefühle sowie um eine vermeintlich eingeschränkte nationalstaatliche Loyalität bei Doppelstaatsbürgern. Debatten um Rechtsänderungen werden daher meist kontrovers geführt, wie auch die Diskussion um die Optionspflicht und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei den derzeitigen Koalitionsvereinbarungen gezeigt hat.

Aufsehen und Kritik erregte Mitte November ein Gesetz Maltas, mit dem vom Ausland aus für 650.000 Euro die Staatsangehörigkeit des Inselstaates und damit auch der Zugang zur EU hätte erkauft werden können. Nach massiven Protesten der maltesischen Opposition wurde die Umsetzung der Neuregelung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Rund 30 Mio. Euro Mehreinnahmen waren für die Staatskasse veranschlagt worden. Dies hätte einer Einbürgerung von 46 Personen entsprochen. Quantitativ wäre die Regelung damit unbedeutend gewesen.

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783.100 Einbürgerungen
Legt man die jüngsten zugänglichen Einbürgerungszahlen auf EU-Ebene aus dem Jahr 2011 zugrunde, wurden insgesamt 783.100 Menschen in den EU-Mitgliedstaaten eingebürgert, 87 % davon aus Drittstaaten. Marokkaner, Türken, Ecuadorianer und Inder wurden am häufigsten eingebürgert.

Die Einbürgerungszahlen in der EU gingen 2011 erstmals seit 2008 zurück (knapp 4 %). Vor allem in Ländern mit hohen Einbürgerungszahlen wie Frankreich, Italien, Spanien und dem Vereinigten Königreich wurden weniger Einwanderer eingebürgert als zuvor. Deutschland war der einzige EU-Mitgliedstaat mit hohen Einbürgerungszahlen, wo auch 2011 ein Anstieg verzeichnet wurde (5 %). Ungarn war das Land mit den höchsten prozentualen Zuwächsen (plus 238 %), was vor allem auf eine Ende 2010 in Kraft getretene Vereinfachung der Einbürgerung von ungarischstämmigen Personen aus Nachbarstaaten zurückzuführen ist.

Deutschland deutlich unter EU-Durchschnitt
Mit nahezu zehn Einbürgerungen auf 100 ausländische Einwohner hat Ungarn im Jahr 2011 auch die höchste Einbürgerungsquote. Hohe Einbürgerungsquoten von über 5 % gibt es auch in Polen, Schweden, Malta und Portugal. Die geringsten Quoten von unter 1 % finden sich in den baltischen Staaten sowie in Österreich, Tschechien und der Slowakei. Deutschland liegt trotz prozentualer Zunahme der Einbürgerungen mit einer Quote von 1,5 Einbürgerungen auf 100 ausländische Einwohner deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 2,3 %.

Die Einbürgerungsmöglichkeiten hängen vom nationalen Staatsangehörigkeitsrecht ab. Die europäische Beobachtungsstelle EUDO belegt auf der Basis von 45 unterschiedlichen Regelungen, wie offen oder restriktiv Staaten den Zugang zu ihrer Staatsangehörigkeit gestalten.

Die Grafik zeigt, wie offen die europäischen Länder für reguläre, wohnortbasierte Einbürgerungen sind. Daneben sind die Einbürgerungsquoten abgebildet. Berücksichtigt wurden dabei u. a. die gesetzlichen Grundlagen für die erforderliche Aufenthaltsdauer, die Bedingungen für eine doppelte Staatsangehörigkeit, die Anforderungen an einen gesicherten Lebensunterhalt sowie an Sprach- und Landeskenntnisse (Stand 2011). © Deniz Keskin (www.denizkeskin.nl)

Die Grafik zeigt, wie offen die europäischen Länder für reguläre, wohnortbasierte Einbürgerungen sind. Daneben sind die Einbürgerungsquoten abgebildet. Berücksichtigt wurden dabei u. a. die gesetzlichen Grundlagen für die erforderliche Aufenthaltsdauer, die Bedingungen für eine doppelte Staatsangehörigkeit, die Anforderungen an einen gesicherten Lebensunterhalt sowie an Sprach- und Landeskenntnisse (Stand 2011). © Deniz Keskin (www.denizkeskin.nl)

Je offener, desto mehr Einbürgerungen
In Schweden und Portugal sowie in geringerem Maße auch im Vereinigten Königreich ist sichtbar, dass eine hohe Einbürgerungsquote meist mit großer Offenheit im regulären Einbürgerungsverfahren einhergeht. Länder mit relativ restriktiven Regelungen wie z. B. Dänemark, Österreich oder Litauen haben auch niedrige Einbürgerungsquoten.

Die Einbürgerungsquoten eines einzelnen Jahres werden allerdings durch zusätzliche rechtliche und strukturelle Faktoren beeinflusst, wie z. B. der belgische Fall zeigt. Obwohl Belgien bei der regulären Einbürgerung recht offen ist, hat es eine relativ niedrige Einbürgerungsquote. In Belgien leben viele ausländische Staatsangehörige, die kein Interesse an einer Einbürgerung haben, etwa die temporär bei der EU Angestellten in Brüssel. In vielen EU-Staaten gibt es zudem Sonderregelungen für die Einbürgerung bestimmter Gruppen, insbesondere für Familienangehörige und für Menschen, die aus ehemaligen Kolonien eingewandert sind oder zur gleichen ethnischen Gruppe gehören wie z. B. im Fall Ungarns.

Weitere Informationen zum Thema gibt es unter eudo-citizenship.eu und Eurostat.

Die Vererbung der Staatsangehörigkeit von den Eltern auf die Kinder (ius sanguinis) ist in allen Ländern der Hauptzugang zur Staatsangehörigkeit bei der Geburt. Die EU-Staaten unterscheiden sich allerdings deutlich bei der Zuweisung der Staatsangehörigkeit an auf dem Staatsterritorium geborene Kinder ausländischer Eltern (ius soli). Die EU-15-Mitgliedstaaten stellen hierbei deutlich weniger Bedingungen als die zuletzt aufgenommenen EU-12-Staaten, in denen zum Teil nur Findelkinder und Staatenlose von Ius-soli-Regelungen profitieren.

Für Deutschland wird zumindest beim Indikator für die unfreiwillige Ausbürgerung eine Aktualisierung nötig sein, wenn die Koalitionsvereinbarungen umgesetzt werden und die Optionspflicht wegfällt. Aktuell Politik

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