Kommission soll Impulse geben

Bündnis fordert Neuausrichtung der Integrationspolitik

Zahlreiche Spitzenpolitiker, Wissenschaftler und Unternehmer fordern eine Neuausrichtung der Integrationspolitik. Dafür soll der Bundestag eine Enquete-Kommission einsetzen, die neue Impulse und Ideen für eine moderne Integrationspolitik liefern soll.

Montag, 20.01.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.01.2014, 23:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Ein Bündnis aus zahlreichen Persönlichkeiten aus der Politik, Wissenschaft und Wirtschaft fordert den Bundestag auf, die Integrationspolitik neu auszurichten. Eine neue Enquete-Kommission soll Leitbilder für die vielfältige Einwanderungsgesellschaft und Konzepte für eine chancengleiche Teilhabe entwickeln. Initiiert wurde der am Sonntag veröffentlichte Aufruf von der Jungen Islam Konferenz (JIK).

„Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurden über 30 Enquete-Kommissionen zu zukunftsträchtigen und gesellschaftlich relevanten Themen eingerichtet. Keine dieser Kommissionen befasste sich bislang mit dem komplexen, aber allgegenwärtigen Wandel Deutschlands zu einer Einwanderungsgesellschaft“, heißt es in dem Aufruf.

___STEADY_PAYWALL___

Einwanderung zentrale Rolle
Nachdem Deutschland erst nach fast einem halben Jahrhundert in gesetzlichen und politischen Initiativen anerkannte, ein Einwanderungsland zu sein, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Integrationsgipfel 2013 den einseitigen Blick auf Integration als Bringschuld von Migranten für überholt erklärt. Sie forderte die Entwicklung einer gesellschaftlich geistigen Offenheit. Sieben Jahre zuvor hatte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auf der ersten Deutschen Islam Konferenz die über Jahrzehnte gewachsene Realität von Migration und Vielfalt anerkannt, indem er betonte, dass der Islam Teil der deutschen Gegenwart und Zukunft ist.

„Auch künftig wird Einwanderung nicht zuletzt aus demografischen Gründen eine zentrale Rolle für die soziale und wirtschaftliche Stabilität Deutschlands spielen. Deshalb muss Politik die Folgen, Ressourcen und Chancen von Migration gesellschaftspolitisch aktiver und ganzheitlicher als bisher begleiten“, heißt es in dem Aufruf weiter. Der Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt in allen Lebensbereichen berge Chancen und Herausforderungen für das demokratische Selbstverständnis und den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Parteiübergreifende Kommission gefordert
Die Unterzeichner machen auf den europaweiten Zuspruch zu rechtspopulistischen Parteien aufmerksam sowie auf die in der Mitte der Gesellschaft zunehmenden Ressentiments gegenüber Minderheiten. Das alles verdeutliche die Dringlichkeit einer politischen Debatte über die aktive Gestaltung gesellschaftlicher Vielfalt. „Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung einer parteiübergreifenden und durch externe Sachverständige aus verschiedenen Wissenschafts- und Praxisbereichen ergänzten Enquete-Kommission an der Zeit!“, so die Unterzeichner. Diese Enquete-Kommission soll sich der zentralen und zukunftsrelevanten Frage widmen, wie existierende Vielfalt in Deutschland gesellschafts-politisch begleitet werden kann, damit sie als Ausgangspunkt und nicht als Hindernis von Zusammenhalt, Anerkennung und Teilhabe verstanden wird.

Info: Die vollständige Liste der Unterzeichner des Aufrufs finden Sie auf www.junge-islamkonferenz.de.

Bemerkenswert ist, dass der Aufruf parteiübergreifend Zustimmung findet. Zu den Unterzeichner gehören unter anderem der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, der ehemaligen Vizepräsident des Bundestags Wolfgang Thierse (SPD), der CDU-Politiker Ruprecht Polenz oder der Berliner Landesvorsitzender der Linkspartei, Klaus Lederer. Weitere Unterzeichner sind der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, die Vorsitzende des Sachverständigenrates für Integration und Migration, Christine Langenfeld, der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, Jörg Dräger und die Intendantin des Berliner Gorki-Theaters, Shermin Langhoff.

Pro-aktive Islam- und Integrationspolitik
Dr. Naika Foroutan von der Berliner Humboldt-Universität begründet ihre Unterschrift mit einem Blick auf Kanada und USA. Diese Länder hätten schon „in den 1970er Jahren ein Leitbild für ihre heterogenen Gesellschaften formuliert. Das steht für Deutschland noch aus.“ Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion betont, dass es hierbei um „eine wesentliche Zukunftsfrage“ gehe. Ekrem Şenol, Gründer und Chefredakteur des MiGAZIN, weist darauf hin, dass die deutsche Integrationspolitik der Realität immer um Jahrzehnte hinterhergehinkt sei. „Eine Enquete-Kommission könnte zur Abwechslung dafür sorgen, vorauszugehen.“ Und der Direktor des Instituts für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück, Prof. Bülent Uçar, meint: „Deutschland braucht eine pro-aktive Islam- und Integrationspolitik, die Migranten und ihre Nachkommen nicht als bedauernswerte Generationen sieht und bevormundet, sondern ihnen echte Teilhabe ermöglicht.“ (eb) Aktuell Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Naja, warum nicht: Noch n’ne Kommission, noch’n Gipfel. Irgendwann wird es dann vielleicht auch mal was Innovatives geben. Viel Erfolg.

  2. Saadiya sagt:

    Kann mich meiner Vorrednerin nur anschließen. Derer Gremien gibts genug, nur müßten man mal sichtbar aktiv werden….Ansonsten wirkt es wie: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ ich einen Arbeitskreis!“

  3. Han Yen sagt:

    Das kann ja nichts werden, wenn sich deutsche Parteien, Wissenschaftler und Moslems zusammen setzen, um Integrationspolitik zu diskutieren. Ich nenne auch den Grund. in der BRD haben wir die Vorherrschaft des methodologischen Nationalismus, die Kontrollwissen über Migration schafft aus der Perspektive des Nationalstaats. Zudem haben wir es mit einem seltsamen Vorstoß eines merkwürdigen Verständnis von Multikulturalismus zu tun, der Religionspolitik mit Sicherheitspolitik verquickt. Dieses Gebräu aus merkwürdigen Leitdiskursen geht schief. In der EU geht es um wesentlich wichtigere Aufgaben, als mal wieder mit den Islamverbänden in den Diaslog zu treten. Dafür hat es schon Konferenzen und Arbeitskreise gehagelt.

    In der EU geht es um die richtige Institutionalisierung der Freiheiten für Kapital, Arbeit und Güter. Die Auseinandersetzung dreht sich vorwiegend um die EU Ausländer. Ohne eine Harmonisierung der Kontenführung der regionalen Verwaltungsbezirke und der Migrationsstatistiken ist eine faire Verteilung des Nutzens und der Lasten nicht zu erreichen. Gleiche soziale Rechte Kosten Steuergeld und das muss über die gesamte Einkommensungleichheitskurve der regionalen EU Bevölkerungen und die Firmen verteilt werden. Wir müssen also eigentlich über Ungleichheit entlang der Regionen, Berufsgruppen, Ethnien und Geschlechter in der Gesamt EU reden – und uns nicht wieder die Moslems herausgreifen. Wir kommen da nicht darum herum über die Neuausrichtung der progressiven Einkommenssteuer, Besteuerung von Familien und der Verbrauchssteuern zu reden, weil man damit den Business-Zyklus über Haushaltsinvestitionen und Konsum glätten kann. Die Lasten zwischen den Steuerbürger und der Körperschaftssteuer und Kapitalertragssteuer sind neu auszutarieren. Nur mit einer solchen Agenda helfen wir den EU Staaten und damit auch allen Bürgern und transnationalen Diasporas.