50 Jahre Koreaner in Deutschland

Eine lautlose und unsichtbare Minderheit feiert ihr Jubiläum

Heute jährt sich das 50-jährige Jubiläum des deutsch-koreanischen Anwerbeabkommens. Das Programm zur Beschäftigung koreanischer Bergarbeiter im Steinkohlenbergbau vom 16. Dezember 1963 legte den Grundstein für eine koreanische Migration nach Deutschland.

Von Montag, 16.12.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 09.05.2020, 0:57 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Das Interesse an diesem Jubiläum ist im Land meiner Eltern enorm. Bereits zwei prominente koreanische Fernsehsender (KBS und MBC) kamen nach Deutschland, um Dokumentarfilme über das Ereignis zu filmen, die zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurden. Selbst die einflussreichen Tageszeitungen wie Chosun oder JoongAng Ilbo berichteten. Das koreanische Nationalmuseum für Geschichte widmete eine Sektion für die ehemaligen Krankenschwester und Bergarbeiter, um diesen Teil ihrer Geschichte niemals zu vergessen.

Das Goethe Institut in Seoul organisierte ein Symposium mit dem Titel „Von der stillen Migration zur multikulturellen Gesellschaft“, zu der ich eingeladen wurde, einen Vortrag zu halten. Unter den Referenten war die koreanische Parlamentariern mit philippinischen Wurzeln Jasmine Lee und auch der ehemalige koreanische Bergarbeiter, Kwon Yi-chong, der nach seiner Tätigkeit Untertage Professor wurde und den Verein der nach Deutschland entsandten Bergleute und Krankenschwestern gründete.

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Die Medien in Deutschland scheint dieses historische Ereignis egal zu sein. Nur für einige wenige Radiosender, die ihr Programm zum 50-jährigen deutsch-türkischen Anwerbeabkommen vor zwei Jahren noch komplett anpassten, ist das Jubiläum der Koreaner wenn überhaupt nur eine kleine Nachricht wert. Stattdessen wird munter über die Hinrichtung des Onkels des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un berichtet. Es ist bedauerlich, dass die Medien mehr Interesse an Themen über Nordkorea zeigen als das Jubiläum der in Deutschland beheimateten Koreaner, dessen Migration nach Deutschland ein Teil der deutschen Geschichte ist. Der Besuch des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy vor 50 Jahren in Deutschland demonstrierte peinliche Hörigkeit und Katzbuckeln gegenüber Amerika. Kennedy wurde in den Medien hoch und runter gespielt. Der Medienhysterie um den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten konnte keiner entgehen.

Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer, die versprach dem Thema Integration mehr „Schubkraft zu verleihen“ glänzt mit Teilnahmslosigkeit. Aber damit demonstriert Böhmer ihr wirkliches Interesse an dem Thema, nämlich mit Desinteresse.

Was war besonders an der stillen und lautlosen Migration der Koreaner?
Die Besonderheit dieses Anwerbeabkommens und der folgenden „stillen“ Migration lag darin, dass die Anwerbepolitik der Bundesregierung sich eigentlich gezielt auf südeuropäische und damit kulturell nahe „Gastarbeiter“ aus dem Mittelmeerraum richtete. Die Bundesregierung scheute sich vor dem hohen finanziellen Aufwand der koreanischen Praktikanten, sowie der großen kulturellen Differenzen und lehnte demzufolge eine Entsendung ab, obwohl die Bundesregierung zwischen 1957 und 1965 rund 436 japanische Bergarbeiter beschäftigte. Es war schließlich der Druck der Bergbauindustrie, die händeringend nach Arbeitskräften suchte. So wurde aus der anfänglichen politischen Ablehnung eine wirtschaftliche Akzeptanz.

Das Programm zur vorübergehenden Beschäftigung koreanischer Bergarbeiter im westdeutschen Steinkohlenbergbau aus dem Jahr 1963 umfasst 21 Artikel, die die Anwerbung koreanischer Bergarbeiter streng reglementierte. Gleich in Artikel 1 wird das Ziel der Anwerbung erklärt, nämlich „die beruflichen Kenntnisse der koreanischen Bergarbeiter zu erweitern und zu vervollkommnen“. Diese Regelung kam den Koreanern im Jahr der Ölkrise (1973) und den Anwerbestopp von Migranten zu Gute. Denn die Anwerbung koreanischer Bergarbeiter wurde als „technische Entwicklungshilfe“ eingestuft.

Der damalige Arbeitsminister, Walter Arendt (SPD), selber Sohn eines Bergarbeiters, hielt an der weiteren Anwerbung von koreanischen Bergarbeitern mit der Begründung fest, dass er sie wegen der „entwicklungspolitischen Zielsetzung […] für vertretbar hält“.

Sein Nachfolger, Herbert Ehrenberg (SPD) hingegen befürchtete, dass die Zulassung von weiteren koreanischen Bergarbeitern den Anwerbestopp aufweichen könnte und „sich andere Wirtschaftsbereiche, in denen ebenfalls personelle Engpässe auftreten, auf die Zulassung von Koreanern für den Bergbau berufen könnten mit der Folge, dass der Anwerbestopp in nicht vertretbarer Weise unterlaufen würde“.

Doch der mächtige Bergbaukonzern, die Ruhrkohle AG setzt sich mit seiner Forderung durch, weitere koreanische Bergarbeiter anzuwerben. Im zweiten Programm über die Beschäftigung koreanischer Bergarbeiter, vom 18. Februar 1970, wurde festgelegt, dass „bis zu 2.000“ neue Kumpel eingestellt werden können. Die Ruhrkohle AG begründete ihre Forderung damit, dass die koreanischen Bergarbeiter „ausschließlich für den Kohlenabbau in steilgelagerten Flözen eingesetzt werden. Wegen der dort noch überwiegend vorherrschenden Handarbeit und der geringen Flözmächtigkeiten sind besonders handwerkliche Befähigungen und eine erhöhte körperliche Wendigkeit unabdingbare Eignungsvoraussetzungen. Diese zur Sicherung des Betriebsablaufs und zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit unserer Schachtanlage Ewald unbedingt erforderlichen Arbeitskräfte sind leider vom heimischen Arbeitsmarkt nicht zu bekommen“. Im Oktober 1974 forderte der Gesamtverband des deutschen Steinkohlebergbaus, die „festgesetzte Zahl von 2.000 koreanischen Bergarbeitern“ vorübergehend „geringfügig“ zu überschreiten. Dieser Forderung kam die Bundesregierung nach.

Ein Jahr zuvor, im Januar 1973 wurde der koreanische Bergarbeiter Chung Kyung-sup grubenuntauglich. Chung wurde von seinem Arbeitgeber, der Bergbauverein EBV, fristlos gekündigt, mit der Begründung, dass die vereinbarte Tätigkeit, ausschließlich auf eine Beschäftigung Untertage beschränkt war. Erst das Engagement des SPD-Politikers Hermann Dürr erwirkte, dass koreanische Bergarbeiter, die innerhalb ihres dreijährigen Arbeitsvertrages „grubenuntauglich“ werden, eine Tätigkeit „Übertage“ annehmen dürfen.

Vier Jahre später, im Mai 1977, 14 Jahre nach Abschluss des ersten Anwerbeabkommens kam der Arbeitsminister auf die Idee, die Reintegration heimkehrender koreanischer Bergarbeiter zu hinterfragen. Die Zahlen liefert ihm der KODCO-Präsident Dr. Suh In-soo und die waren alles andere als erfreulich. Von den 3.920 zurückgekehrten koreanischen arbeiteten nur noch 260 Personen weiter im Bergbau. Die restlichen 3.660 hatten sich mit den DM-Ersparnissen in Korea selbstständig gemacht z.B. als Taxifahrer mit eigenem PKW oder als Inhaber eines Geschäftes.

Das Ziel, „technische Entwicklungshilfe“ und „berufliche Kenntnisse der koreanischen Bergarbeiter zu erweitern und zu vervollkommnen“, wurde damit gänzlich verfehlt. Gesellschaft Leitartikel

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  1. Franky sagt:

    Leider zu lautlos. Die Vietnamesen sollten ihre Stimme viel mehr erheben und Ansprüche stellen.

  2. Petra F sagt:

    Aber was hat der Autor denn erwartet? Das war doch abzusehen, dass bei den kleineren Gruppen keiner sich bemüht irgendetwas zu machen.

  3. Cengiz K sagt:

    …Die Vietnamesen sollten ihre Stimme viel mehr erheben und Ansprüche stellen….

    ?

  4. Tom Kinger sagt:

    …aber auch die Vietnamesen werden schon auf Grund ihrer Kultur ihre Stimme nicht erheben. Was erwartet der Autor Martin Hyun eigentlich von einer Integrationsbeauftragten wie Maria Böhmer??????

  5. dermigrant sagt:

    Martin Hyun zeigt in seinen beiträgen , wie integrations und akzeptanz probleme nicht nur türken betrifft, sondern auch menschen mit asiatischen wurzeln insbesondere menschen mit koreanischen wurzeln.

    er hat auch aufgezeigt das integration bis hin zu assimilation und völligen selbstaufgabe der eigenen identität nicht automatisch zum versprochen erfolg führt oder zu gesellschaftlichen akzeptanz geschweige denn wahrnehmung .

  6. Markus Hamm sagt:

    @dermigrant: Da gebe ich Dir Recht. Die Politik veranstaltet eigentlich nur reine Alibi-Veranstaltungen mit den MSOs und Migranten. Die machen das aber mit, weil sie sich geschmeichelt fühlen am gleichen Tisch mit der „Macht“ zu sitzen.

    Bei der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) habe ich entdeckt, dass unter der Rubrik „Deutsche Geschichte“ das „50 jährige Anwerbeabkommen“ integriert wurde – aber nur das der türkischen Minderheit in Deutschland. Die anderen „Italiener, Griechen, Spanier und KOREANER“ sind nicht mit einbezogen worden.

    Hier der Link: http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/anwerbeabkommen/

    Das reflektiert ganz gut das Interesse der Regierung zum Thema Integration. Es ist bilateral und exklusiv nur zwischen den Türken und der deutschen Bevölkerung. Die anderen scheinen lästig zu sein……….

  7. Han Yen sagt:

    Die Koreanische Minderheit hat nur etwa 33 000 Köpfe in der BRD. Es kann sicherlich gesagt werden, dass es aussichtslos ist die Verbesserung der Lebenssituation auf parlamentarischen Weg zu erreichen.

    Ich denke, was die Koreanische Minderheit mittelfristig machen sollte ist sich innerhalb der BRD mit anderen „konfuzianischen“ Minderheiten zu einer permanenten Lobby Organisation zu vereinigen. Diese Variante funktioniert als pan-ethnisches Bündnis leidlich gut, wie man es am Beispiel der Asian and Pacific Americans erkennen kann. Die Bündnisgrundlage ist dabei die erlittende Rassifizierung zu „Asiaten“ und die resultierende Internalisierung von rassistischen Stereotypen. Eine Alternative wäre eine Bündnispolitik über die Diaspora Kirchen, was sehr viel Sinn macht, da man dann über den Kommunikationskanal Christentum mit den beiden Konfessionen in der BRD und den etwa 30% christlichen Bevölkerungsanteil in Korea Druck aufbauen kann. Allerdings ist das alles reine karitative Politik.

    Langfristig führt kein Weg daran vorbei die Minderheitenpolitik zu transnationalisieren und zu regionalisieren. Die Internationalisirung der Minderheitenpolitik ist mit dem Petitionsverfahren und dem Europäischen Nationalitäten Kongress beim ersten Mal gescheitert. Ziel des Europäischen Nationalitäten Kongress war eine Friedensorganisation der Völker dem Völkerbund der Staaten als Bewacher bei zu gesellen. Der Erste Weltkrieg sperrte viele Minderheiten in den Völkerkerker der Nationalstaaten. Die Minderheitenfrage hatte daher immer eine innenpolitische und außenpolitische Seite – insbesondere bei den Grenzminderheiten. Die Absicht der Europäischen Minderheiten war es sich gegenseitig zu unterstützen gegenüber den egoistischen Nationalismen, und aus eigener Kraft seine Probleme zu lösen. Die Entwicklung vom individuellen Minderheitenrechten zu Gruppenrechten verdankt man vor allem dem Kompensationsgedanken gegenüber dem verweigerten Recht auf Selbstbestimmung der Nationen. Die Förderalistische Union Europäischer Volksgruppen hat in der UNO nur konsultativen Beobachterstatus erreichen können. Die UNO hält sich sehr zurück in Diskriminierungsfragen. Die Vorteile der Internationalisierung sind eine breitere politische Basis von etwa 7 Mio. Menschen in der globalen koreanischen Diaspora.

    Die koreanische Diaspora lebt in den wichtigsten Unterzeichnerstaaten der Transpazifischen Partnerschaft – dem umstrittenden Freihandelsabkommen im Pacific. 4/5 leben in drei Staaten China, USA und Japan. Ich halte es für machbar, dass die Koreanische Diaspora in ein ähnliches Verhältnis eintritt wie die Irish American und Scottish American mit Irland und Schottland bei GlobalIrish oder GlobalScots. Diese Kontaktbörsen dienen dazu Kapital und Geschäftskontakte für Irland und Schottland zu erschließen. Vorstellbar wäre es, dass Korea und die BRD einen Wohlfahrtsfonds einrichtet mit Zolleinnahmen und anderen Steuereinnahmen aus einem reibungsloseren Handelsverkehr. Korea besitzt keine Finanzmetropole und braucht optimalen Handel und Smart Investments.

    Besser wäre es natürlich mit anderen „konfuzianischen“ Diasporas gemeinsam an die Exekutiven und Legislativen der Handelsblöcke heran zu treten.

  8. plan B sagt:

    Die koreanischen Bergleute kamen in einer Zeit hierher, als in Südkorea eine antikommunistische Militärdiktatur herrschte. In Korea war damals -ähnlich wie hier- Wirtschaftswachstum oberstes Ziel. Der Koreakrieg hatte dem Land stark zugesetzt. Man wollte wiederaufbauen, gesellschaftlich aufsteigen und zu gewissem Wohlstand kommen. Mit diesem Herzen kamen die Eltern der 2. Generation damals hierher, arbeiteten damit es den Kindern besser ginge, erzogen die kinder zu Fleiß, Bildung und Streben nach Erfolg. Die meisten der 2. Generation sind heute beruflich erfolgreich. Die wenigsten aber sind hier politisch aktiv. Ich wünsche mir, dass mehr Isae (2. Gen.) die Politik dieses Landes mitgestalten.