Mindestlohn unter Migranten

Eine gutgemeinte schlechte Sache

Nachdem die Reformierung des Staatsangehörigkeitsrechts in den Koalitionsverhandlungen gescheitert ist, drängt sich der Gedanke auf, den Koalitionsvertrag den Migranten durch den gesetzlichen Mindestlohn schmackhaft zu machen. Doch was bringt dieser den Millionen von Migranten in Deutschland?

Von Freitag, 13.12.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 01.05.2016, 13:29 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Zugegeben: Die SPD hat in den Koalitionsverhandlungen eine Schwarzwälder Kirschtorte versprochen und letztendlich nur Schokodrops geliefert – zumindest, wenn man die Regelung zur doppelten Staatsbürgerschaft im Koalitionsvertrag betrachtet. Hier bewegt sich die Integrationspolitik zwischen kleinen Reformen und großem Stillstand.

Zwar wurde die lästige Optionspflicht abgeschafft, doch die doppelte Staatsbürgerschaft bleibt weiterhin für viele Menschen, die im Ausland geboren sind – zumeist türkischer Herkunft – unerreichbar.

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Mindestlohn von 8,50 Euro: Kein Instrument zur Bekämpfung von Armut
Bei der Regelung des gesetzlichen Mindestlohns sieht es dagegen ein bisschen anders aus: Zwar kommt alles, wie versprochen, nur halt nicht sofort: Erst 2015 beziehungsweise 2017 soll der Mindestlohn flächendeckend gelten. Hinzu kommt, dass er nicht den Effekt haben wird, den er haben soll: Denn die hohe Armutsquote und das Problem der über 1,3 Millionen Aufstockern werden wohl weiterhin bestehen.

Das Argument, dass eine Aufwertung der Löhne einer Aufwertung der Lebenssituation von Migranten gleichkäme, ist also falsch. Die etwa doppelt so hohe Armutsquote von Menschen mit Migrationshintergrund (21,5 %) im Vergleich zu Nicht-Migranten (11,3 %) wird im Falle eines gesetzlichen Mindestlohns nicht wesentlich reduziert. Als arm galt 2011, wer als Single weniger als 980 Euro im Monat zur Verfügung hatte. Zwar würden von einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro 17 Prozent aller Beschäftigten profitieren, doch das würde sich weder großzügig im mittleren Haushaltseinkommen von Migranten (2011, 1280 Euro) noch bei Menschen ohne Migrationshintergrund (2011, 1640 Euro) niederschlagen. Das liegt daran, dass die Mehreinnahmen von den Steuer- und Transfersystemen wieder aufgefressen würden.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass Migranten durchschnittlich in größeren Haushalten (2,5 Personen) als Menschen ohne Migrationshintergrund (1,9 Personen) leben. Sollten vor diesem Hintergrund Arbeitgeber konsumnaher Dienste wegen des Mindestlohns auf die Idee kommen, die gestiegenen Lohnkosten auf ihre Waren umzulegen, wären Migranten stärker hiervon betroffen. Denn durch die durchschnittlich größeren Haushalte hätten sie am ehesten mit steigenden Preisen zu kämpfen.

Keine Reduzierung der Aufstocker
Ein wesentlicher Effekt auf die Anzahl von Aufstockern mit und ohne Migrationshintergrund ist nicht zu erwarten. Denn die durch den Mindestlohn verursachte Lohnanhebung würde auf die Sozialleistungen angerechnet und in den meisten Fällen wieder verpuffen. Viele der Aufstocker sind zudem unterbeschäftigt – die meisten arbeiten unter 22 Stunden pro Woche. Ein Mindestlohn würde also für sie wenig bringen. Die meisten Aufstocker, die Vollzeit arbeiten, erhalten indes nur deshalb Hartz-IV, weil sie größere Haushalte zu versorgen haben – ihr durchschnittlicher Bruttostundenlohn (8,66 Euro) lag 2011 sogar über dem Mindestlohn von 8,50 Euro.

Schließlich lohnt sich ein kurzer Blick auf die gesamte Lohnentwicklung der vergangenen Jahre: Zwischen 2000 und 2012 sind die um den Anstieg der Verbraucherpreise bereinigten Bruttostundenlöhne hierzulande um 2,8 Prozent gestiegen, gleichzeitig nahm jedoch die Stundenproduktivität um das dreifache Tempo zu. Irgendetwas läuft also schief in Deutschland. Erst ein höherer Mindestlohn und eine faire Kopplung des Bruttostundenlohns an die Produktivität wird eine gerechtere Gesellschaft hervorbringen. Bis dahin bleibt der Mindestlohn von 8,50 Euro eine gutgemeinte schlechte Sache – vor allem für Migranten. Aktuell Meinung

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  1. Soli sagt:

    Man sollte Bedenken – die Arbeitgeber sind nicht für die Familienplanung ihrer Mitarbeiter verantwortlich. Wenn jemand meint er müsse 4 oder mehr Knder in die Welt bringen ist das im Sinne des demographischen Wandels und im Hinblick auf die Freude die Kinder bringen allgemein sicher zu begrüßen, dann sollte man aber auhc in der Lage sein diese zu ernähren.

    Vom Transfersystem profitieren im übrigen alle Menschen hier – auch die Migranten. Nebenbei – das Geld für die Integrationsdienste muss ja auch irgendwo herkommen. Mehr Geld in die Transfersysteme sorgt dafür, dass die dort liegenden Dienste besser finanziert werden (könnten).

    Das Aufstocker (oder allgemein Menschen die weniger als den Mindeslohn bekommen) vom Mindestlohn nichts haben ist insofern auch nicht korrekt – sie profitieren insofern von höheren Rentenbeiträgen.

    Eines der Hauptargumente gegen den Mindeslohn war übrigens – wenn er erst mal da ist streiten sich die Parteien zukünftig nur noch darum wer den höchsten Satz hat. Es fängt schon an…..

  2. Ledig und arbeitslos sagt:

    @Soli Man sollte auch bedenken, dass der Staat die Interessen der Arbeitnehmer wahren sollte und nicht der oberen 5%. Schließlich geht der große Teil der Bevölkerung einer nichtselbstständigen Tätigkeit nach und ist kein Arbeitgeber. Wenn ein Arbeitgeber meint, er könne kostenlos produzieren und moderne Sklaverrei betreiben, dann sollte er auch sich nicht wundern, wenn die Arbeitnehmer einem Mindestlohn verlangen und das unabhängig ihres Familienstatuses und der Anzahl ihrer Kinder. Denn der Mindestlohn wird nicht nur von kinderreichen Familien gefordert, sondern von allen die mit ihrem Einkommen nicht über die Runde kommen. Ein Multimillionär, der vier Kinder hat, wird auch nicht unbedingt auf einen Mindestlohn angewiesen sein.