Sozialbericht 2013
Migranten fast doppelt so häufig von Armut betroffen
Der Sozialbericht 2013 für Deutschland zeigt: Migranten sind fast doppelt so häufig von Armut betroffen als Personen ohne Migrationshintergrund. Es gibt aber auch einen Lichtblick. MiGAZIN hat sich den Sozialbericht 2013 näher angeschaut.
Mittwoch, 27.11.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 02.12.2013, 23:29 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Deutschland erlebt seit Jahren einen Beschäftigungsboom, nie zuvor gab es so viele Erwerbstätige. Trotzdem sind heute mehr Menschen von Armut bedroht und mehr Menschen dauerhaft arm. Frauen trifft Armut häufiger als Männer und Migranten häufiger als Menschen ohne Migrationshintergrund. Dieses Bild zeichnet der am Dienstag in Berlin vorgestellte „Datenreport 2013. Ein Sozialbericht für Deutschland“.
Statistiker und Sozialforscher haben darin Zahlen und Befunde zu wichtigen Lebensbereichen zusammengestellt. Der Datenreport wird herausgegeben vom Statistischen Bundesamt, der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) am DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung).
Mehr Armut trotz Beschäftigung
Deutschland hatte 2012 mit 41,5 Millionen so viele Erwerbstätige wie noch nie. Gleichzeitig war das Arbeitsvolumen niedriger als 1991. Die Zahl der Arbeitsstunden, die jeder Erwerbstätige durchschnittlich leistet, hat in den letzten 20 Jahren kontinuierlich abgenommen. Ein Grund: Immer mehr Menschen arbeiten gewollt oder unfreiwillig in Teilzeit. Zugenommen hat auch die atypische Beschäftigung: 2012 war gut jeder fünfte Kernerwerbstätige (22 %) atypisch beschäftigt – besonders betroffen sind Migranten, Frauen, junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren und Menschen ohne Berufsabschluss.
Trotz wachsender Beschäftigtenzahl sind heute mehr Menschen von Armut betroffen. 2011 lag die Armutsquote bei 13,2 % (2007: 15,2 %). Aufgeschlüsselt nach Migrationshintergrund ergibt sich ein deutliches Gefälle: Während 11,3 % der Menschen ohne Migrationshintergrund von Armut betroffen waren, war diese Quote bei Menschen mit Migrationshintergrund fast doppelt so hoch (21,5 %). Insgesamt sind türkischstämmige Personen mit einer Risikoquote von 33 % am stärksten von Armut betroffen, gefolgt von Personen aus Osteuropa (28 %) und aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens (26 %). Als arm galt 2011, wer weniger als 980 Euro im Monat zur Verfügung hatte.
Viele Ursachen für Armut
Die Ursachen für Armut sind vielfältig. Allen voran ist die Erwerbstätigkeit ausschlaggebend. Betrachtet man die Gesamtbevölkerung im erwerbsfähigen Alter, so ist festzustellen, dass die Hälfte der Personen ohne Migrationshintergrund Vollzeit erwerbstätig ist, während dies auf nur 42 % der Personen mit Migrationshintergrund zutrifft.
Hinzu kommt, dass Nettoarbeitseinkommen, das bei Personen mit Migrationshintergrund unterhalb des Durchschnitts der Erwerbstätigen ohne Migrationshintergrund lag. So verdienen Personen mit Migrationshintergrund im Jahr 2011 monatlich 200 Euro weniger. (Spät-)Aussiedler und Personen ohne Migrationshintergrund weisen mit 1.500 Euro den höchsten Einkommensbetrag auf.
Migranten holen auf
Ein vergleichender Blick zeigt aber auch, dass Migranten aufgeholt haben. Während das durchschnittliche Einkommen der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund von 1.640 Euro (2009) auf 1.630 Euro im Jahr 2011 leicht zurückgegangen ist, konnten Migranten im selben Vergleichszeitraum deutlich zulegen. Ihr durchschnittliches Einkommen stieg von 1.280 auf 1.350 Euro. Das Einkommen steigern konnten vor allem Türkeistämmige – allerdings auf einem niedrigen Niveau, von 1.040 auf 1.188 Euro. Die Einkommenssituation der osteuropäischen Migranten hingegen verschlechterte sich deutlich von 1.350 auf 1.231 Euro.
Download: Der Datenreport steht im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes kostenfrei als Download zur Verfügung. Die Buchausgabe ist bei der Bundeszentrale für politische Bildung gegen eine Bereitstellungspauschale erhältlich.
Ein Grund für das niedrige Erwerbseinkommen bei Migranten und deren Nachkommen liegt in deren beruflicher Platzierung. So sind sie häufiger als un- oder angelernte Arbeiter tätig, wobei dies insbesondere auf Personen aus der Türkei (39 %) und aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens (38 %) zutrifft. Aber auch (Spät-)Aussiedler und Personen osteuropäischer Herkunft sind zu einem Drittel als un- oder angelernte Arbeiter beschäftigt.
Ausländer werden ausgegrenzt
Insgesamt befinden sich Personen mit Migrationshintergrund im unteren Bereich der Berufshierarchie. „Gerade ab den mittleren Angestelltenpositionen und in den Beamtenberufen, aus denen ausländische Staatsbürger ausgegrenzt werden, sind sie deutlich unterrepräsentiert. (Spät-)Aussiedler sind die Einzigen, die es aufgrund ihres deutlich höheren Anteils an deutschen Staatsbürgern in Beamtenberufe in einem nennenswerten Umfang schaffen (5 %)“, heißt es im Datenreport.
In diesem Zusammenhang spielt auch die Erfahrung von Benachteiligung aufgrund der Herkunft eine zentrale Rolle. Im Jahr 2011 gaben 8 % der Personen mit Migrationshintergrund und darunter 10 % der Migrantennachkommen an, häufig Situationen erlebt zu haben, in denen sie aufgrund ihrer Herkunft abgewiesen beziehungsweise benachteiligt wurden. Dabei berichten Personen türkischer Herkunft am häufigsten von Benachteiligung (13 %), während dieses auf nur 2 % der (Spät-) Aussiedler und 6 % der Personen aus Südwesteuropa zutrifft. Diese sind die Herkunftsgruppen, die sich am wenigsten große Sorgen um die Ausländerfeindlichkeit machen, während dies auf 37 % der Personen türkischer Herkunft und darunter auf 40 % der jungen Menschen türkischer Herkunft zutrifft. (bk) Gesellschaft Leitartikel
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