Jammern auf hohem Niveau
Der „Flüchtlingsstrom“ ist kein Strom
Vermeintliche Einwanderungswellen in „unsere Sozialsysteme“ oder neue EU-Grenzschutz-Patrouillen-Netzwerke am Mittelmeer zieren in diesen Tagen die Meldungen über Flüchtlinge. Ein Blick auf die globalen und historischen Flüchtlingsbewegungen zeigt aber, auf welchem Niveau man sich beschwert.
Von Veit Bachmann Donnerstag, 05.12.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 14.01.2014, 22:37 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Im Zuge der Katastrophe vor der Küste Lampedusas bekunden Politiker jeglicher Coleur ihre Betroffenheit. Gleichzeitig ist von der Notwendigkeit der Bekämpfung von Schlepperbanden und der präventiven Eindämmung von „Flüchtlingsströmen“ die Rede. Doch schon der Begriff „Flüchtlingsströme“ ist unangemessen und fungiert als panikmachende Rechtfertigung restriktiver Grenzpolitiken. Die Anzahl der Menschen, die als Flüchtlinge die Grenzen des Schengenraums ohne gültige Papiere passieren, ist tatsächlich im Vergleich zu historischen sowie aktuellen globalen Migrationsbewegungen verschwindend gering.
Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) schätzt, dass zu Beginn des Jahres 2013 weltweit ca. 10,4 Millionen Menschen auf der Flucht waren. Dazu kommen weitere 4,8 Millionen Menschen in UN-Flüchtlingscamps im Nahen Osten. Den überwiegenden Großteil dieser Flüchtlinge nehmen Länder des globalen Südens auf. Alleine das größte Flüchtlingscamp der Welt im Nordosten Kenias, Dadaad, beherbergt über eine halbe Million Flüchtlinge, einige davon schon seit 20 Jahren.
Im Gegensatz dazu beziffert ebenfalls das UNHCR die Zahl der im ersten Halbjahr 2013 in Italien und Malta angekommenen „illegalen“ Flüchtlinge auf 8.400. Selbst die EU-Grenzschutzbehörde FRONTEX geht von lediglich ca. 15.000 in Italien und Malta angekommenen Flüchtlingen während des gesamten Jahres 2012 aus. Bezüglich der Einwanderung nach Europa gibt das Statistische Amt der EU an, dass während des Jahres 2011 1,7 Millionen Menschen von außerhalb der EU in die EU und weitere 1,3 Millionen von einem EU-Land in das andere zogen. Die ca. 15.000 in Italien und Malta angekommenen Flüchtlinge entsprechen somit ca. 0,9 % der gesamten Zuwanderung in die EU, 0,1 % der gesamten Flüchtlinge weltweit, und ca. 0,003 % der Gesamtbevölkerung der EU. Sowohl im globalen Vergleich von Flüchtlingsbewegungen als auch bezüglich der Einwanderung nach Europa, ist die Zahl von 15.000 in Italien und Malta Angekommenen somit verschwindend gering.
Migration ist seit jeher ein elementarer Bestandteil des globalen Systems und menschlicher Entwicklungsgeschichte. Im 19. Jahrhundert wanderten Millionen von Europäern nach Nord- und Südamerika aus. Selbst im Jahre 2012 sind alleine 30.000 deutsche Staatsbürger in die USA und 25.000 in die Schweiz abwandert. Im Zuge des Bürgerkriegs in Syrien sind akut ca. 2 Millionen Menschen auf der Flucht in den Nachbarländern.
Alleine in dem kleinen Land Libanon (in dem ca. 4 Millionen Menschen auf der Hälfte der Fläche des Bundeslandes Hessen leben) halten sich knapp 800.000 syrische Flüchtlinge auf. Deutschland hat erst kürzlich großspurig die Aufnahme von 5.000 syrischen Flüchtlingen angekündigt. Diese Zahl ist angesichts der Menschenrechts- und Menschenwürderhetorik Deutschlands und Europas nichts als blanker Hohn vor dem Elend von Millionen von Flüchtlingen weltweit.
Deutsche Flüchtlingspolitik war jedoch nicht immer so restriktiv. Zu Zeiten des Kalten Kriegs nahm die Bundesrepublik nur zu gerne (politische) Flüchtlinge auf, um ihre Anziehungskraft und Überlegenheit gegenüber dem „Klassenfeind“ zu demonstrieren. Auch im Jahr 1992 gewährte das frisch wiedervereinigte Deutschland noch 440.000 Flüchtlingen Asyl, im Jahr 2011 nur noch 45.000.
Insbesondere während der Balkankriege der 1990er Jahre bot Deutschland vielen Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien Schutz. Deutschland wurde somit zum zentralen Bezugspunkt für viele Menschen des Balkans, wovon sowohl die deutsche Wirtschaft, als auch die Verbreitung der deutschen Sprache und Kultur enorm profitierten. Ein Großteil der ehemaligen Flüchtlinge ist entweder zurückgekehrt oder hat in Deutschland Arbeit gefunden und zahlt somit Steuer und Sozialversicherung.
Die Rhetorik von „Flüchtlingsströmen“ ist also nicht nur unangemessen, sondern schürt zusätzlich – unnötige sowie unbegründete – Ängste in der Bevölkerung. Ein weiteres Problem sowohl in politischer als auch medialer Berichterstattung ist die Bezeichnung „illegale Flüchtlinge“. Kein Mensch ist per se illegal. Es sind unsere restriktiven Gesetze die den Aufenthalt von Menschen bestimmter Nationalitäten in Europa illegalisieren. Die im Grundgesetz verankerten Werte der Gleichheit und Würde aller Menschen werden in der deutschen und europäischen Migrationspolitik äußerst selektiv angewandt.
Übersetzung: Dieser Text wurde von Translate for Justice ins Englische übersetzt und kann hier gelesen werden.
Während viele von uns die glückliche Fügung, als deutscher Staatsbürger geboren zu sein, nutzen um in anderen Ländern temporär oder permanent sesshaft zu werden, verwehren wir die gleichen Rechte Menschen aus anderen Ländern – ganz besonders aus Ländern die ihren Bürgern keine Sicherheit oder Perspektive bieten können.
Wenn im Jahr 2012 ca. 30.000 Deutsche in die USA ziehen, tun sie das sicherlich nicht aus Angst um Ihr Leben oder Überleben. Die 15.000 in Italien und Malta ankommenden Flüchtlinge jedoch nehmen die Strapazen einer oft jahrelangen und lebensgefährlichen Reise auf sich um sich und ihren Familien das Leben oder menschenwürdige Überleben zu ermöglichen. Diese Menschen sind weder illegal, noch bedrohen sie uns oder kommen nach Europa um sich an unseren Sozialsystemen zu bereichern, sie kommen aus Not und um zu arbeiten. Sie werden daher auch nicht in den südlichen Ländern der EU bleiben, sondern sich in die Länder bewegen in denen Arbeit möglich ist.
Migration von Arbeitswilligen lässt sich seit Jahrhunderten beobachten und hat immer zum Vorteil sowohl des aufnehmenden Landes als auch der Arbeitsmigranten gereicht, sei es die Massenmigration in die boomenden USA im 19. und 20. Jahrhundert, die Gastarbeiter in der Bundesrepublik der 1960er Jahre, die illegalisierte Arbeitsmigration in die Gemüseindustrie Südspaniens oder Kaliforniens, oder die Öffnung des europäischen Arbeitsmarkts in den 2000er Jahren.
Es ist somit weder rational noch moralisch zu rechtfertigen dass unsere Gesetze notleidende Menschen aus den schlimmsten Krisengebieten der Welt illegalisieren. Es ist noch weniger zu rechtfertigen, dass Deutschland und die EU diese Menschen mit einer hochgerüsteten Armee europäischer Grenzschützer bekämpfen – unter immensem Kostenaufwand und unter willentlicher Inkaufnahme des Todes Unschuldiger. Eine liberalere und humanere Migrationspolitik (so wie wir sie auch für uns beanspruchen), und eine Verteilung der Flüchtlinge auf die komplette EU, würde dem moralischen Anspruch Europa zumindest in Teilen gerecht, und hätte gleichzeitig den Effekt den menschenverachtenden Schlepperbanden ohne den Einsatz jeglichen Militärs das Handwerk zu legen. Aktuell Meinung
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Ich zitiere hier mal den Deutschen Bundesaußenminister Friedrichs von gestern Abend in der ARD-Tagesschau zu Deutschlands Rolle in der Europäischen Flüchtlingspolitik: :
„… so dass wir momentan diejenigen sind, die Beispiel gebend vorausgehen.“
Soviel Zynismus hätte ich diesem Dummschwätzer gar nicht zugetraut.
In diesem Sinne
Sachma Barkam,
war friedrichs nicht noch vor ner Woche der Innenminister ;)?
Guido W. müsste doch bis zur Neuvergebung der Außenminister sein.
Ansonsten ist seine Aussage natürlich ein Witz und zeigt uns mal wieder das man auf dem Rücken der Flüchtlinge gut Stimmung machen kann.
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