Bades Meinung

Historische Chance zu einem goldenen Handschlag vertan

Politisch haben Union und SPD eine historische Chance vertan, die gewaltige intergenerative Integrationsleistung der alten „Gastarbeiter“ mit der doppelten Staatsangehörigkeit zu belohnen - Prof. Klaus J. Bade kommentiert den Koalitionsvertrag.

Von Freitag, 29.11.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 02.12.2013, 23:31 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

Die Frage, ob die SPD ihrer kämpferischen Ansage treu geblieben ist, einen Koalitionsvertrag nur zu unterschreiben, wenn darin die doppelte Staatsangehörigkeit zugesichert werde, kann man bestenfalls mit einem klaren „Jein“ beantworten. Unter dem Stichwort „Integration und Zuwanderung gestalten“ sagt der Koalitionsvertrag: „Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert. Im Übrigen bleibt es beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht.“

Das aber heißt konkret: Bei Land Geborenen wird die Optionspflicht abgeschafft und die Mehrstaatigkeit akzeptiert, nicht aber bei der Einbürgerung. Der im Land geborene Enkel einer türkischen Familie kann also die doppelte Staatsangehörigkeit erhalten und behalten, nicht jedoch seine eingewanderten Eltern und nachgezogenen Großeltern. Das ist staatsangehörigkeitsrechtlich keine generelle Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit. Hier muss also ein zweiter Anlauf genommen werden.

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Und politisch wurde damit zugleich die historische Chance zu einem goldenen Handschlag vertan: Die gewaltige intergenerative Integrationsleistung der alten „Gastarbeiter“, die mit ihrer harten Arbeit für dieses Landes den sozialen Aufstieg ihrer Kinder und Enkel ermöglichten, hätte nun mit der doppelten Staatsangehörigkeit belohnt werden können. Und zwar unter erleichterten Bedingungen, also unter ohne schwierige Einbürgerungskurse im hohen Alter; denn die gab es damals nicht.

Stattdessen galt bis Anfang der 1990er Jahre im Einwanderungsland wider Willen das defensive Mantra: „Deutschland ist kein Einwanderungsland“. Und das war ein Bollwerk gegen die Herausbildung von Einwandererbewusstsein. Die Antwort hätte heute heißen können: Lasst uns einen Strich machen unter gemeinsame Fehleinschätzungen: unter Eure lange vorgehaltenen Rückkehrillusionen und unter unsere demonstrative Erkenntnisverweigerung.

Stattdessen faselt der Koalitionsvertrag im gleichen Kapitel noch immer im fremdenskeptischen Spalterdeutsch vom „Miteinander von Migranten und Einheimischen“. Das ist ein semantisches Brechmittel. Aktuell Meinung

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  1. Müller-Hofstede sagt:

    Brilliant, wie immer, besonders der letzte SATZ! Die homogenisierende Semantik des GEGENÜBER von ‚Migranten‘, ‚Muslimen‘ und ‚DEUTSCHEN‘ ist Lichtjahre entfernt von den Alltagsrealitäten der bunten Republik Deutschland. An dem Breitt müssen wir weiter bohren.

  2. Die SPD hat es jetzt schon geschafft, sämtlichen „Gastarbeitern“, die dieses Land seit den 60er Jahren mit aufgebaut haben, vor den Koffer zu treten. Die neu Geborenen dürfen beide Staatsbürgerschaften behalten, die alten müssen sich immer noch entscheiden, ob sie lieber Deutsche oder z.B. Türken sein wollen.
    Das ist der Kompromiss, den die SPD mit der eher „fremdenskeptischen“ Union geschlossen hat. Würde die SPD das an ihrem Koalitionspartner wenigstens kritisieren, dann könnte man noch eine Handschrift der SPD erkennen.

    Zitat:
    „Die SPD fordert, doppelte Staatsbürgerschaften generell zuzulassen und die umstrittene Optionspflicht abzuschaffen. Wer in Deutschland geboren ist und ausländische Eltern hat, bekommt demnach zwar die deutsche Staatsangehörigkeit, muss aber bis zum 23. Geburtstag zwischen dem deutschen Pass und dem seiner Eltern wählen. Dies betrifft überwiegend junge Menschen mit türkischen Wurzeln. Die Union lehnt eine Abschaffung dieser Regelung bislang ab.

    Özoguz rief CDU und CSU zum Einlenken auf. «Die Union muss mit der Zeit lernen, dass auch jemand, der Sergej oder Ayşe oder Mahmut heißt, Deutscher ist – ohne die Verbindungen zum Herkunftsland seiner Eltern kappen zu müssen.» Das Optionsmodell sei ein extrem integrationsfeindliches Signal und müsse verschwinden.“
    http://www.harzkurier.de/nachrichten/thema-des-tages/spd-bes

    Frau Özuguz hat völlig Recht, aber die SPD kann ihre (richtigen) Ideen nicht umsetzen, sondern bringt die türkische Gemeinde sogar noch gegen sich auf!

    „Kompromiss zum Doppelpass enttäuscht Türken“
    http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.koalitionsvertr

    Auch schön:
    „Stattdessen faselt der Koalitionsvertrag im gleichen Kapitel noch immer im fremdenskeptischen Spalterdeutsch vom „Miteinander von Migranten und Einheimischen“. Das ist ein semantisches Brechmittel.“
    http://www.migazin.de/2013/11/29/bades-meinung-historische-c

    Anders gesagt: die SPD setzt ihre Unterschrift unter fremdenskeptisches Spalterdeutsch. Die Stimmen der Ausländer wird sie damit nicht gewinnen.

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