Online-Petition

„Verkrustete Strukturen und Benachteiligungen aufbrechen“

Ein Tag nach der Veröffentlichung der Online-Petition des Rats für Migration finden sich immer mehr Unterstützer einer Neugestaltung der Integrationspolitik. Farhad Dilmaghani, Vorsitzender von DeutschPlus e.V., gehört zu den Erstunterzeichnern. Im Interview mit dem MiGAZIN spricht er über seine Beweggründe und bestehende Herausforderungen einer künftigen Bundesregierung in der Migrations- und Integrationspolitik.

Von Mittwoch, 02.10.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 08.10.2013, 1:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im offenen Brief des Rats für Migration fordern sechzig Fachleute die künftige Bundesregierung auf, die Integrationspolitik aus dem Innenministerium herauszulösen. Sie sind auch Erstunterzeichner des offenen Briefs, den man auch online unterzeichnen kann. Warum unterstützen Sie diese Petition?

Farhad Dilmaghani: Für unseren Verein DeutschPlus ist es ein zentrales Anliegen, dass die nächste Bundesregierung eine Neuausrichtung in diesem Politikfeld vornimmt. Deutschland ist heute das drittgrößte Einwanderungsland der Welt. Gleichzeitig sind die Zuständigkeiten auf Bundesebene nicht so gestaltet, dass eine Integrations-, Partizipations- und Migrationspolitik aus einem Guss gemacht werden kann. Verschiedene Ministerien kümmern sich um das Thema gleichzeitig, aber keines ist in Gänze zuständig. Das führt zu suboptimalen Ergebnisses und Kompetenzstreitereien, die zum Stillstand führen. Verschiedene europäische Länder und auch Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg oder Berlin haben positive Erfahrungen damit gemacht, die Kompetenzen zu bündeln. Mit der Petition wird darauf aufmerksam gemacht, dass es an der Zeit ist – nach 50 Jahren Einwanderung – das wichtige Zukunftsthema „Integration und Migration“ auch auf Bundesebene effektiv zu gestalten.

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Farhad Dilmaghani gründete 2010 gemeinsam mit weiteren engagierten Köpfen die Initiative „Deutsch-Plus – Initiative für eine plurale Republik“ mit. Als ehemaliger Staatssekretär war er verantwortlich für die Bereiche Arbeit und Integration in der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen. Zuvor verantwortete er die Bereiche Kommunikation, Marketing und Regierungsbeziehungen an der privaten Wirtschaftshochschule „ESMT European School of Management and Technology“ und war Leiter des Issues Management bei der Allianz. Davor war er fünf Jahre im Bundeskanzleramt tätig u.a. als Referent für Gesundheitspolitik, Bildung und Forschung sowie als Referent für Planung und Grundsatzfragen. Kontakt: www.deutsch-plus.de.

Im offenen Brief wird auch vorgeschlagen den Integrations- und Migrationsbereich an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales anzugliedern. Wäre ein eigenständiges Integrationsministerium nicht die bessere Lösung?

Dilmaghani: Für beides, gibt es gute Argumente. In der Summe spricht jedoch mehr dafür, es im Bundesarbeitsministerium anzusiedeln, da gesellschaftliche Teilhabe und Anerkennung zuvorderst über Teilhabe am Arbeitsmarkt vermittelt wird. Und auch die Zuwanderung nach Deutschland konzentriert sich auf den Arbeitsmarkt.

Braucht Deutschland ein bundesweites Partizipations- und Integrationsgesetz?

Dilmaghani: Unbedingt. Das ist noch fast wichtiger als ein eigenes Ministerium, weil es eine verbindliche gesetzliche Grundlage liefert für eine nachhaltige interkulturelle Öffnung unserer Gesellschaft. Vielfalt war schon immer ein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland mit seinen verschiedenen Bundesländern. Aber in der allgemeinen Wahrnehmung bezog sich die Vielfalt eben viel weniger auf die Menschen, die neu nach Deutschland dazu gekommen sind. Das zeigt sich auch an den harten Debatten über das Staatsangehörigkeitsrecht, die seit vielen Jahrzehnten in Deutschland geführt werden. Von einem bundesweiten Partizipations- und Integrationsgesetz erhoffe ich mir, dass der Grundgedanke der Vielfalt mehr Geltung bekommt und damit auch mehr Chancengleichheit und Teilhabe ermöglicht wird. Das kann man nicht gesetzlich verordnen, aber die Geschichte der Gleichstellungpolitik im Frauenbereich zeigt, dass Regelungen und temporäre Förderung helfen, verkrustete Strukturen und Benachteiligungen aufzubrechen. Dazu gehört vor allen Dingen die interkulturelle Öffnung des öffentlichen Dienstes und seiner Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger und mehr Unterstützung für die Bundesländer und Kommunen. Denn diese haben die eigentlichen Integrationsaufgaben zu stemmen.

Glauben Sie, dass eine künftige Bundesregierung auf diese Forderungen aus dem offenen Brief eingehen wird?

Dilmaghani: Je mehr Menschen die Petition unterstützen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit. Aktuell Interview Politik

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  1. Hoffmann sagt:

    Petitionen sind Beruhigungspillen, die uns das Gefühl geben sollen, wir könnten was bewegen in der Politik, aber egal ob man nun unterschreibt oder nicht: es wird nichts passieren. Alle machen so weiter wie vorher.

    Es gab schon Petitionen mit viel ernsteren Themen und einer viel breiteren Unterstützung und die haben alle nichts gebracht. Nicht mal angesprochen wurde das Thema!

    Bin mir nicht ganz sicher, aber gabs überhaupt mal irgendeine offizielle Petition die irgendetwas bewirkt hat?

  2. Auch hier sei noch einmal die Frage gestellt, wer in Zukunft noch in Integrationskursen arbeiten soll? Davon ist in der Petition leider nichts zu lesen. Deshalb bringt die Petition denjenigen, die die wirkliche Integrationsarbeit machen, nichts. Hier der Beitrag einer früheren Lehrkraft, die den Ausstieg aus den Armutskursen des BAMF geschafft hat. Man kann nur hoffen, dass immer mehr Lehrkräfte den Ausstieg schaffen.

    „Ich bin 2010 aus dem DaF-Bereich ausgestiegen, weil ich damals während eines Integrationskurses eine Bronchitis bekam und eine Woche nicht arbeiten konnte. Da fiel bei mir der Groschen, dass ich es absolut nicht mehr einsehe, mich krumm und buckelig zu arbeiten, ohne im Krankheitsfall irgendwie abgesichert zu sein. Ich habe seitdem nicht mehr im DaF-Bereich gearbeitet und werde es auch nicht mehr tun, solange die Verhältnisse sich nicht bessern. Da ich davon ausgehe, dass sich die Verhältnisse sogar eher verschlechtern, werde ich gar nicht mehr in diesem Bereich arbeiten, auch wenn es mein Traumberuf war.“
    http://www.deutsch-als-fremdsprache.de/austausch/forum/read.php?9,90558