Porträt

„Die Migranten müssen aufhören zu jammern!“

Daud Ata (33) wuchs als Sohn pakistanischer Einwanderer in einer Hamburger Plattenbau-Großsiedlung im Stadtteil Osdorfer Born auf. Entgegen vieler Erwartungen erkämpft er sich den Aufstieg aus dem sozialen Brennpunkt, über das Gymnasium, das Studium bis in die Selbstständigkeit. Nach seinem eigenen Bildungserfolg unterstützte er auch andere Jugendliche aus dem Stadtteil mit seinem Projekt „BGK - Bildung gegen Kriminalität”. Heute als Geschäftsführer eines jungen aufstrebenden IT-Unternehmens in Hamburg schaut er auf eine ereignisreiche Karriere zurück.

Von Tahir Chaudhry Montag, 08.07.2013, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.08.2013, 12:08 Uhr Lesedauer: 8 Minuten  |  

Die Migranten müssen aufhören zu jammern!”, meint Daud. Er möchte schließlich, dass sie endlich aus ihrer Opferrolle hervortreten und nicht nur „ihren eigenen materiellen Fortschritt” anstreben, sondern ein Stück weit von dem etwas zurückgeben, was sie der Gesellschaft zu verdanken haben. Denn hätte die Mehrheitsgesellschaft den Neuankömmlingen „nicht die gleichen Möglichkeiten gegeben, die sie selbst hatten”, dann wären ihnen jegliche Entwicklungsmöglichkeiten verwehrt geblieben. Daud sieht es nämlich als seine persönliche Pflicht an, dass er aus seiner Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft seine Mitmenschen am Erfolg teilhaben lässt. Andernfalls mahnt er, würde „lediglich Neid und Hass geschürt”. Daher seien gerade Migrantenqouten der falsche Weg, um für mehr Akzeptanz zu werben. Stattdessen seien Migranten und ihre Folgegenerationen gefragt, mehr Berührungspunkte zu schaffen, „sich gesellschaftlich stärker zu involvieren und zu partizipieren”.

Die fehlenden Vorbilder
Daud Atas Vater kam vor knapp 40 Jahren aus finanziellen Gründen nach Deutschland. Er arbeitete erst Gastronomie und anschließend als Busfahrer und holte kurze Zeit später seine Frau nach. Mit zwei Brüdern und einer im Rollstuhl sitzenden Schwester wuchs Daud in einer Gegend auf, die als sozialer Brennpunkt gilt, in dem es immer wieder zu Gewalt und Straftaten kam. Wenn er über seine Vergangenheit spricht, dann versucht er seine Erfahrungen so nüchtern wie möglich zu schildern. Rückblickend relativiert er besonders die Gefahren seines Viertels. Es scheint, als wolle er nicht zu sehr über die negativen Erfahrungen sprechen, um die dort lebenden Menschen nicht als „verloren” abstempeln zu müssen. In einem bestimmenden Tonfall interveniert er prompt in das zu oft wiederholte Urteil über seinen Stadtteil, das zwischen Klischee und Realität umherschwingt: „In solchen Stadtteilen fehlt es ganz einfach an Vorbildern und an Motivation, überhaupt irgendetwas bewegen zu können”. In einem Stadtteil, in dem Jugendliche von Arbeitslosigkeit geplagt sind, sozial benachteiligt werden und mit familiären Problemen zu kämpfen haben, sei die Stimmung dementsprechend niedergeschlagen. Nur wenigen gelingt es, aus dieser Ohnmacht zu erwachen.

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In der Grundschule fiel der eher zurückhaltende Daud nicht weiter auf. Doch nach der Einstufung in das Gymnasium wandelte er sich zu einer Person, die viele Klischees seines Stadtteils bestätigte. Gerade dort wurde als der einzige „Ausländer” unter den 30 Mitschülern stark wahrgenommen. „Zu Beginn herrschten Startschwierigkeiten“ und erst mit den Jahren wurde aus Daud ein fleißiger Schüler mit konkreten Zielen. Unkonkret wurde es bei der Bestimmung seiner eigenen Identität, da seine Mitschüler ihn „gerne in die Rolle des ewigen ‘Ausländers’ pressten”, obwohl er die deutsche Staatsbürgeschaft besaß. Aber wenn er dann zusammen mit seiner Familie, die Verwandten in Pakistan besuchte, wurde er hingegen als „Der Deutsche” etikettiert. Heute weiß er, dass ihm in dieser Hinsicht die elterliche Erziehung zugute kam. Die unbestimmte Identität wurde nicht als Problem angesehen. Denn seine Eltern legten nie Wert darauf, die Identität in irgendeiner Weise zu bestimmen oder einzuschränken. Dafür wiesen sie ihre Kinder an, in keinen Komplex zu verfallen und die Tugenden beider Kulturen bedenkenlos in sich aufzunehmen. Neben seiner Erziehung war für Daud der Sport ein wichtiger Faktor, der ihn von den düsteren Machenschaften seines Viertels fernhielt. „Meistens!“, ergänzt Daud schmunzelnd. Er verbrachte viel Zeit auf dem Basketballplatz und „lange Nächte vor dem Fernseher, um die NBA Liveübertragungen aus den USA mitzuverfolgen”.

Die Bildung als Schlüssel
In der Schulzeit fand Daud schnell heraus, dass er später in der Medienbranche arbeiten möchte, und engagierte sich nebenbei bei dem internationalen muslimischen Fernsehsender MTA. So kam es nicht von ungefähr, dass er sich nach seinem Abitur an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg für die Fachrichtung Medientechnik einschrieb und parallel dazu als Bildregisseur tätig war. Während seines Studiums sammelte Daud außerdem praktische Erfahrungen in der Sendeabwicklung bei Studio Hamburg und im Vertriebsmarketing bei der Spiegel-Gruppe.

Je weiter die Karriereleiter hinaufführte, fühlte sich Daud dazu verpflichtet, den Jugendlichen aus seinem Stadtteil einen Weg aus dem sozialen Abgrund in eine selbstbestimmte und integrierte Zukunft geben zu können. Die Jugendkrawallen im Jahre 2004, bei denen sich hunderte Jugendliche neben einem Bandenkrieg auch eine Schlacht mit der Polizei lieferten, brachte Daud zum Nachdenken. Daraufhin startete er 2005 zusammen mit seinem Kommilitonen Johannes Wolde-Mikael „BGK – Bildung gegen Kriminalität”, ein gemeinnütziges und soziales Nachhilfeprojekt im Stadtteil Osdorfer Born. Hier sollten Studenten aus dem Stadtteil den Schülern ab der 5. Klasse dreimal wöchentlich kostenlose Hausaufgabenhilfe und Mentoringunterstützung in den Abendstunden geben.

„BGK - Bildung gegen Kriminalität”, ein gemeinnütziges und soziales Nachhilfeprojekt im Stadtteil Osdorfer Born

„BGK – Bildung gegen Kriminalität”, ein gemeinnütziges und soziales Nachhilfeprojekt im Stadtteil Osdorfer Born

Zurückschauend ist es für Daud unfassbar, dass das Nachhilfe-Projekt trotz der großen Hürden und Hindernisse, die es nehmen musste, mittlerweile „als festes Element im Stadtteil” etabliert hat und personenunabhängig fortgeführt wird. Dass es nicht ganz einfach ist, „so unterschiedliche Menschen für einen gemeinsamen Zweck zusammenzubringen”, hat Daud lernen müssen. Heute erfüllt es ihn mit Stolz, wenn er sich an die Erfolgsgeschichten zurückerinnnert. „Es gab sehr viele Jugendliche, ohne Perspektive und Motivation, deren Eltern und Lehrer sie schon längst aufgeben hatten. Uns gelang es auf die Zukunftsängste der Schüler einzugehen, am geringen Selbstvertrauen und an der geringen Frustrationstoleranz zu arbeiten”. Jugendliche, die bis dahin orientierungslos herumirrten und Berufswünsche wie „Rapper oder Porscheverkäufer” verfolgten, nahmen ihr Leben selbst in die Hand und strebten voller Willensstärke konkrete und bodenständige Lebensziele an. So entwickelte sich BGK „von einer Nachhilfe für benachteiligte Jugendliche zu einer Karriereschmiede für Hamburg”. Aktuell Gesellschaft

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  1. mo sagt:

    Gerade solche wie die beschriebene Geschichte sind wichtig, um Migranten nicht auf bestimmte Rollen (wie die es Opfers) zu reduzieren. Dazu gehören dann auch „ganz normale“ Karrieren. Das Gejammer einiger Kommentatoren über diese Erfolgsstory kann ich nicht nachvollziehen.

  2. Marie sagt:

    Ne, Soli, das mache ich nicht selber – es geht hier nicht um die persönliche Geschichte, die kann man ja erzählen, sondern darum, sich über die zu erheben, die an diesem Bildungssystem scheitern und es aufgrund der schichtbedingten Benachteiligungen nicht schaffen, einen gymnasialen oder Akademikerabschluss oder anderen Abschluss zu erwerben. Ich habe niemanden aufgefordert, das angebliche „Jammern“ über das zutiefst ungerechte deutsche Bildungssystem einzustellen, nur weil es mir gelungen ist, die Hürden zu überwinden. Auch Kinder aus der sogenannten „unteren“ sozialen Schichten sollten dieselben Chancen haben und zwar auch dann, wenn sie nicht zu den Hochbegabten zählen. Und das haben sie in Deutschland nun mal nicht einmal im Ansatz. Nirgends entscheidet die soziale Herkunft mehr über den Bildungserfolg als hier in Deutschland.

  3. Marie sagt:

    „Gerade solche wie die beschriebene Geschichte sind wichtig, um Migranten nicht auf bestimmte Rollen (wie die es Opfers) zu reduzieren. Dazu gehören dann auch “ganz normale” Karrieren. Das Gejammer einiger Kommentatoren über diese Erfolgsstory kann ich nicht nachvollziehen.“
    Ich kann nicht nachvollziehen, dass Sie begründete Kritik, nur weil sie Ihnen nicht gefällt, als „Gejammer“ diffamieren. Einfach mal sachlich bleiben. Niemand hatte etwas gegen die Geschichte einzuwenden. Sich aus der eigenen „Erfolgsstory“ heraus über weniger „Erfolgreiche“ zu erheben, zeugt allerdings m.E. nicht gerade von menschlicher Größe – hierauf bezieht sich die Kritik und keineswegs auf die „wichtige“ Geschichte.

  4. mo sagt:

    @Marie
    Die Geschichte auf ein Zitat zu reduzieren, was Ihr Bild vom Opfer-Migranten erschüttert und daraus zu konstruieren, dass man jemandem „menschliche Größe“ abspricht – das ist die eigentliche Diffarmierung.

    Ata ignoriert keineswegs Probleme, noch erhebt er sich darüber:

    „In einem Stadtteil, in dem Jugendliche von Arbeitslosigkeit geplagt sind, sozial benachteiligt werden und mit familiären Problemen zu kämpfen haben, sei die Stimmung dementsprechend niedergeschlagen. Nur wenigen gelingt es, aus dieser Ohnmacht zu erwachen.“

    Doch Ata ist keiner, der es damit bewenden lässt, diese Probleme nur zu benennen:
    „Je weiter die Karriereleiter hinaufführte, fühlte sich Daud dazu verpflichtet, den Jugendlichen aus seinem Stadtteil einen Weg aus dem sozialen Abgrund in eine selbstbestimmte und integrierte Zukunft geben zu können. (…) Daraufhin startete er 2005 zusammen mit seinem Kommilitonen Johannes Wolde-Mikael „BGK – Bildung gegen Kriminalität”, ein gemeinnütziges und soziales Nachhilfeprojekt im Stadtteil Osdorfer Born. (…) Heute erfüllt es ihn mit Stolz, wenn er sich an die Erfolgsgeschichten zurückerinnnert. „Es gab sehr viele Jugendliche, ohne Perspektive und Motivation, deren Eltern und Lehrer sie schon längst aufgeben hatten. Uns gelang es auf die Zukunftsängste der Schüler einzugehen, am geringen Selbstvertrauen und an der geringen Frustrationstoleranz zu arbeiten”. Jugendliche, die bis dahin orientierungslos herumirrten und Berufswünsche wie „Rapper oder Porscheverkäufer” verfolgten, nahmen ihr Leben selbst in die Hand und strebten voller Willensstärke konkrete und bodenständige Lebensziele an. So entwickelte sich BGK „von einer Nachhilfe für benachteiligte Jugendliche zu einer Karriereschmiede für Hamburg”.“

    Hat sich Daud über weniger Erfolgreiche erhoben? Auf so einen Quatsch kann man wohl nur kommen, wenn man nur die Überschriften liest.

    Warum aber solche Passagen überlesen:
    „Die unbestimmte Identität wurde nicht als Problem angesehen. Denn seine Eltern legten nie Wert darauf, die Identität in irgendeiner Weise zu bestimmen oder einzuschränken. Dafür wiesen sie ihre Kinder an, in keinen Komplex zu verfallen und die Tugenden beider Kulturen bedenkenlos in sich aufzunehmen.“

    Oder:

  5. Marie sagt:

    Wie kommen Sie darauf, ich hätte die von Ihnen zitierten Passagen überlesen? Diese Passagen habe ich keineswegs überlesen. Das ändert aber nichts daran, dass andere Passagen und vor allem die Überschrift aus meiner Sicht sehr wohl kritikwürdig sind. Die von Ihnen zitierten Passagen habe ich ja nicht kritisiert. Trotzdem finde ich es nicht in Ordnung, die Aufforderung in der Überschrift, das Jammern einzustellen. Nach meiner Meinung stellt das sehr wohl eine Selbsterhebung über andere, weniger Erfolgreiche dar. Die Passagen im Text belegen ja, dass es hier keineswegs nur darum gehen kann, andere aufzufordern, mit dem Jammern aufzuhören, und dass hier ganz woanders konkret anzusetzen ist, wenn die Bildungschancen benachteiligter Jugendlicher verbessert werden sollen. Auch widerspricht sich der Text selbst und sämtlichen Studien zur Bildungsgerechtigkeit, wenn davon die Rede ist: die Mehrheitsgesellschaft würde Neuankömmlingen dieselben Möglichkeiten geben, wie sie sie selbst hatten.“ Genau das ist nämlich nicht der Fall.

    Die Ausführungen anderer als Quatsch zu bezeichnen ist m.E. kein guter Diskussionsstil.

  6. deutscher staatsbuerger sagt:

    Ist bestimmt gut gemeint aber ich finde auch, dass dieser Titel nicht gerade gut gewählt ist. Besser wäre evtl. gewesen:

    „Gebt nicht auf“ oder
    „Du kannst es auch“.

    Aber das wirkliche Problem ist einfach zu komplex und geht auch nicht nur um Ausländer. Es ist einfach die Zeit gekommen für eine neue Reform des Bildungssystems hier in der Bundesrepublik Deutschland, ein freiheitlich demokratischer und sozialer Rechtssaat. Mann muss nicht immer alles todschlagen. Frau kann aber auch. (Ein Wortspiel, ist grad voll modern im Kommentarbereich) Eigentlich meine ich damit, wir brauchen mehr Frau im Bildungssystem. Aber bitte nicht die Sorte Frau wie Mann. Eine Frau, eine Mutter sondert das schwache Kind nicht aus. Sie kümmert sich nicht nur selber, sondern sorgt dafür, dass die stärkeren Kinder auch…ihr versteht was ich mein?! Na ja, soll ja kein Buch werden.

    Auf der anderen Seite kann ich aber auch den David verstehen. Dem Jammernden wird hier nicht geholfen. Ich denke mal, er will nicht, dass sie ihr ganzes Leben mit Jammern verschwenden oder nur verbringen.

  7. Ata sagt:

    LIebe Marie,
    ich kann deinen Punkt verstehen. Im nach hinein finde ich den Titel auch provokant, würde ihn aber nicht als falsch sehen. Natürlich können wir die Schuld einiger Bildungsprobleme nicht auf die Migranten selbst schieben. Ich habe im Interview nur versucht die negative Sicht auf Systemprobleme abzuwenden und Kräfte in Richtung der eigenen Bildung zu bündeln. Letztendlich sind Faktoren wie Perspektivenlosigkeit, Frustration, mangelnde Bezugspersonen in der Bildung und das verhärten von Lernpessimismus einige Grundzüge, womit wir z.B. bei BGK mit Migranten- und auch vielen deutschen Jugendlichen zu kämpfen haben. Wenn die Energie auf die eigene Bildung gesetzt wird, Vorbilder mit ähnlichem Hintergrund/Erfahrungen fungieren und aktiv motivieren, dann lassen sich die negativen Faktoren schnell verdrängen. Ähnlich wie bei einem Kind, dass beim Laufen öfters hinfällt aber jemanden hat, der ihn unterstützt und immer wieder positive Hoffnungsimpulse gibt.
    Dass es einer Bildungsreform bedarf, ist keine Frage. Aber um aus der Situation das Beste zu machen, finde ich, müssen wir die aktuellen Möglichkeiten nutzen, die das System uns anbietet – wenn wir jetzt anfangen wieder lautstark zu kritisieren, dann helfen wir dabei den Pessimusmus bei denjenigen zu verhärten, für die wir uns vermeintlich einsetzen.

  8. Songül sagt:

    Sehr sympathisch.

  9. Marie sagt:

    Genau darum geht es doch, Herr Ata – nicht jedes Kind, das Laufen lernt, hat jemanden, der es unterstützt. Und nicht jeder Schüler, der mit Perspektivlosigkeit, Frustration und mangelnder Chancengerechtigkeit zu kämpfen hat, und der bereits beim Laufenlernen keine Unterstützung fand, hat eine Vorbild-Bezugsperson, die das ausgleicht. Wie soll denn einer, der in seinem Leben Perspektivlosigkeit, Chancenungerechtigkeit, Frustration ohne Ende schon seit frühester Kindheit erlebt, die „Energie“ auf die eigene Bildung setzen? Ein frustrierter Mensch, der keinerlei Perspektiven hat, hat keine Energie, die er in irgend etwas setzen könnte. Und so viele „Vorbilder“ mit ähnlichem Hintergrund, die es geschafft haben, trotz dieses zutiefst ungerechten Bildungssystems ihren Weg zu machen und dann noch zusätzlich als Vorbild für benachteiligte Schüler zu fungieren, gibt es nun mal nicht. Es führt kein Weg daran vorbei, dieses zutiefst ungerechte Bildungssystem zu reformieren und diejenigen, die das thematisieren und das einfordern, das sind keine wehleidigen Jammerer – das ist die Aufgabe des Staates, Chancengerechtigkeit zu schaffen und private Initiativen können das ergänzen, aber keinesfalls ersetzen. Das Einfordern von staatlicher Bildungsgerechtigkeit ist kein Jammern, sondern absolut notwendig. In diesem Lande werden die ungleichen Startbedingungen von Kindern aus bildungsferneren/ärmeren Schichten nicht nur nicht kompensiert, sondern diese Kinder werden selbst dann, wenn sie trotz der ungleichen Startbedingungen exakt dieselben Leistungen bringen, ausgesondert – und nein, das kann private Initiative nicht einmal ansatzweise wettmachen. Ich wünschte mir, es würden noch viel mehr Menschen „jammern“ und gleiche Bildungschancen einfordern – unzählige Millionen von benachteiligten Kindern haben keinen privaten Förderer, der die Missstände auszugleichen versucht. Ich finde den Titel nicht provokant, sondern eindeutig falsch – wir brauchen viel mehr Menschen, die die Ungerechtigkeit dieses Bildungssystems thematisieren und private Initiativen sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und beileibe nicht geeignet, die Benachteiligung von Millionen von Kindern auszugleichen.

  10. Hansi sagt:

    Vielen Dank, Herr Ata! Ich finde es toll, dass es Meschen wie Sie gibt.
    Dieser Artikel hat mich sehr inspiriert und mir Mut gemacht. Ich wünsche mir sehr für Deutschland, dass in Zukunft mehr Bürger ihresgleichen am Fortschritt des Landes teilhaben!