NSU-Prozess

Kein Platz für türkische Medien

Nur 50 Plätze hat das Bayerische Oberlandesgericht Journalisten für einen der größten Strafprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte zur Verfügung gestellt. Darunter sind lokale Radiosender oder Fotoagenturen vertreten, aber kein einziges türkisches Medium.

Mittwoch, 27.03.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.04.2013, 23:57 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Am Montag veröffentlichte das Oberlandesgericht München die Liste der zum NSU-Strafprozess zugelassenen Medien und Journalisten. In dem in drei Wochen beginnenden Prozess haben 50 Medien und Journalisten einen festen Platz, darunter auch Medien wie der lokale Radiosender „Arabella“ oder eine Foto-Agentur namens „Mandoga“. Nach türkischen oder griechischen Medien sucht man vergebens.

Auf der Liste mit insgesamt 123 Akkreditierungen taucht das erste türkische Medium, die Cihan Nachrichtenagentur, auf Platz 62 auf, die türkische Tageszeitung „Hürriyet“ auf Platz 68. Kaum Aussichten auf Liveeindrücke werden auch Journalisten von Medien wie BBC, Al Jazeera oder die New York Times. Die einzigen ausländischen Medien mit reserviertem Platz sind zwei Tageszeitungen und ein Fernsehsender aus den Niederlanden. Aber auch deutsche Medien wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung oder die Tageszeitung müssen draußen bleiben.

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Losbude auf dem Jahrmarkt
Das stößt auf heftige Kritik. Als „größtmöglichen kommunikativen und politischen Unfall“ bezeichnete etwa die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalisten Union, Cornelia Haß, die Akkreditierungspraxis des Gerichts. „Es ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten, welches Bild die bayerische Justiz vermittelt, wenn sie das Akkreditierungsverfahren für einen Prozess, der in seinen Dimensionen ohne weiteres vergleichbar ist mit dem gegen den norwegischen Attentäter Anders Breivik oder die RAF-Prozesse in Stammheim, wie eine Losbude auf dem Jahrmarkt organisiert“, kritisierte Haß. So komme es nun zu der vollkommen inakzeptablen Situation, dass keine namhaften ausländischen Medien an dem Prozess teilnehmen und sich ein eigenes Bild von der Arbeit der deutschen Justiz machen könnten. Zuvor schon hatte auch der Deutsche Journalisten-Verband das Gericht aufgefordert, die Akkreditierungsbestimmungen „dringend zu überarbeiten“.

Ausschluss der türkischen Öffentlichkeit?
Davon unbeeindruckt hatte das Oberlandesgericht das Vergabeverfahren verteidigt. Die Akkreditierung sei strikt nach der zeitlichen Reihenfolge vergeben worden, in der die Anträge eingegangen seien. Das Vorgehen sei vorher bekannt gegeben worden, sodass sich alle Medien darauf hätten einstellen können.

Das überzeugt die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer des NSU-Terrors, Barbara John, nicht. Sie fordert das Gericht auf, zum NSU-Prozess auch türkische Journalisten zuzulassen. „Der Prozess wird nicht nur in der Türkei aufmerksam verfolgt“, sagte Barbara John der Mitteldeutschen Zeitung. „Auch viele Türkischstämmige in Deutschland lesen noch türkische Zeitungen oder schauen türkisches Fernsehen. Darum wäre es nicht nur wünschenswert, sondern wichtig, dass sie Zutritt haben“. Sie verstehe das Akkreditierungsverfahren nicht und gehe davon aus, dass man daran noch etwas ändern werde.

Beispiel Winnenden
Angesichts der Tragweite des NSU-Prozesses hofft auch Grünen-Chef Cem Özdemir auf ein „notwendiges Maß an Sensibilität und Flexibilität“ des Gerichts. „Dass es bei stark nachgefragten Prozessen auch anders geht, zeigte beispielsweise die Verhandlung um den Amoklauf von Winnenden. Dort wurde ein Verfahren angewandt, mit dem Plätze sowohl für Vertreter der örtlichen Medien als auch für ausländische Medien garantiert waren. Warum ist dies nicht auch in Bayern möglich“, möchte Özdemir wissen.

Er erinnert daran, dass acht der Opfer türkischstämmig waren und einer griechischstämmig. Es sei selbstverständlich, dass in der Türkei und Griechenland ein besonderes Interesse am Prozess bestehe. „Und nicht nur dort. Weltweit hat das Versagen der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der NSU-Morde für Schlagzeilen gesorgt. Umso wichtiger ist es jetzt, internationale Transparenz herzustellen und deutlich zu machen: Deutschland klärt die Verbrechen detailliert auf, ausländische Medienvertreter sind willkommen. Sich nun allein auf die zeitliche Reihenfolge der Akkreditierungsanträge zu berufen, ist nur bürokratisch“, so der Grünen-Chef.

Verheerende Wirkung
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hingegen sieht die Politik in der Pflicht, sich für eine Lösung „dieses skandalösen Verhaltens des Gerichts einzusetzen“. Kolat: „Ich frage mich, was das Gericht eigentlich will? Will es die türkische Öffentlichkeit aus dem Prozess ausschließen? Ich habe mit türkischen Medienvertretern gesprochen. Sie haben mir zugesichert, dass sie sich rechtzeitig sogar am selben Tag der Akkreditierung beim Gericht gemeldet haben.“

Das bestätigten Redakteure türkischer Tageszeitungen auch dem MiGAZIN. Entsprechend berichteten sie am Tag nach Veröffentlichung der Akkreditierungsliste. Die türkische Tageszeitung Hürriyet etwa titelte „Türkische Presse nicht erwünscht“ und fügte hinzu, dass der Prozess jetzt schon „ungerecht“ sei. Migrationsforscher und Politikberater Prof. Klaus J. Bade sagte dem MiGAZIN: „Solche Schlagzeilen können eine verheerende Wirkung auf die deutsch-türkische Community haben. Denn sie können den – falschen – Eindruck wecken, daß hier irgendetwas verborgen werden sollte. Das ehemals tiefe Vertrauen der Menschen türkischer Herkunft in den deutschen Staat ist schwer erschüttert. Es sollte alles getan werden, um dieses Vertrauen wieder zu stärken. Die gegenwärtig laufende Diskussion bewirkt das Gegenteil.“

Journalist verzichtet aus Solidarität
Unterdessen lehnte das Bayerische Oberlandesgericht die Solidarisierungsaktion einiger Medien und Journalisten ab. Einzelne Redaktionen hatten sich bereit erklärt, ihre reservierten Plätze mit türkischen Medien zu teilen. Medienberichten zufolge sagte eine Gerichtssprecherin, dass ein solcher Tausch nicht möglich sei.

Der akkreditierte Journalist Alexander Sandvoss, Betreiber der Mandoga Media, verzichtete dennoch auf seinen Platz im Gerichtssaal. Auf seiner Facebook-Seite schreibt er: „In Solidarität mit anderen Medien verzichten wir gerne auf den zugeteilten Sitzplatz. […] Die Pressestelle der Justiz ist bereits informiert.“ Doch auch diesen Platz wird kein türkisches Medium bekommen. Laut Akkreditierungsliste des Bayerischen Oberlandesgerichts wird der „Nordbajerische Kurier“ nachrücken. (es) Leitartikel Politik

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  1. Pingback: Unerträglich - Der faktische Ausschluss türkischer Medien - Medien, Meinung, NSU, Rechtsterrorismus - MiGAZIN - Migration und Integration in Deutschland

  2. Soli sagt:

    Wenn das Akkreditierungsverfahren in Deutschland nach unserem Recht so zulässig ist – was soll dann der Vergleich mit Norwegen und Breivik? WIr können nicht das eine mit dem anderen vergleich! In den USa wäre das wahrschienlich auch live im Internet zu sehen gewesen – ist aber hier irrelevant.

    Das die Türkischen Medien ausgeschlossen sind ist insofern auhc nicht korrekt, diese können sich das Material von den Agenturen natürlich holen.

    Nach dem Neutralitätsprinzip darf kein Medium bevorzugt werden – so ist das nun mal!

  3. Robert sagt:

    Turken sind wie immer bei allem zu langsam und geben wie immer Anderen die Schuld fuer ihre Traegheit. Wer zuerst kommt mahlt zuerst, ist doch ganz einfach.Dieses Anspruchsdenken sollten Tuerken sich schleunigst abgewoehnen.

  4. u. h. sagt:

    Liebe Freunde!

    Daß Ihr Artikel heute so oder ähnlich ausfallen würde, das hatte ich erwartet. Zuerst ein ganz kurzer Kommentar dazu: Richter sind dumm. Das ist aus meinem Munde keine Beleidigung, über 25 Jahre meines Lebens war ich selbst Richter und weiß, was ich sage. Sehen Sie sich das Sinnbild er Justitia an. Sie hat verbundene Augen, sie darf nichts sehen, was sie unrichtig beeinflussen könnte, sie soll sich allein auf den Parteivortrag verlassen und daraus ihre Meinung bilden. Ganz wichtig die Grundaufgabe des Richters, in zwei Sprachen, die zweite deutsch: Audiatur et altera pars, und Eenes Mannes Rede ist keenes Mannes Rede, man muß sie hören alle beede.

    Der Richter am Oberlandesgericht hat das zu beachten, aber sonst auch noch, sein Urteil revisionssicher zu machen, das heßit, er möchte, daß sein Urteil, wenn es angefochten wird, einer Überprüfung standhält. Das könnte für seinen Berufsstolz abträglich sein – ich weiß heute noch, was ich empfunden habe, als zum erstenmal eins meiner Urteile vom Bundesfinanzhof aufgehoben wurde – ich habe meinen Umgang mit den Beteiligten komplett umgestellt. Ob die Verteilung der Zuhörerplätze revisibel ist, weiß ich allerdings nicht.

    Für den Richter ist die gefühlte Prozeßlage doch so: Vor vielen, vielen Jahren erfolgten mehrere Morde an verschiedenen Stellen im Abstand von jeweils etwa einem Jahr, Jetzt sind da noch ein paar Restbestände abzuarbeiten, was soll die ganze Aufregung, ist doch uninteressant.

    Wenn die Richter einmal etwas unter der Auugenbinde des Justitia hervorgeblinzelt hätten, dann hätten sie in eine ganz andere Welt geblickt: Da sind Leute, die sich aufregen, die zum Teil wie typische Türken aussehen, Türken sind – oder sind sie nicht vielmehr typisch deutsch mit türkischen Wurzel?. Für sie sind diese Morde nicht Jahre her, sie sind – gefühlt, und das ist viel wichtiger als alle Realität – alle gestern ermordett, sie haben sie als Menschen persönlich betroffen, Diese Morde haben unsere Familie selbst getroffen, uns als Menschen, als Mitbürger, die zufällig türkischer Herkunft sind. Sie sollten uns und unsere Ehre mit uns ermorden – und dann sollen wir nicht einmal persönlich, vertreten durch unsere Presse, am Verfahren als Zuhörer teilnehmen dürfen! Wir fühlen uns beleidigt! Was soll all euer liebes Gerede uns gegenüber, das sind doch leere Schmeicheleien! Bringt uns die Achtung entgegen, die uns als vollwertige Menschen gebührt! Und ob ihr gleich hochgestellte Richter seid, deren Beruf wir ja achten, aber das ist eine grobe Verachtung unserer demokratischen Rechte. Wir wollen nicht mehr als minderwertig abgetan werden, sondern als vollwertige Mitglieder einer demokratischen Gemeinschaft, als M i t bürger! Das gewährt uns Rechte, und die müßt ihr beachten und sie uns gewähren.

    Ja, die dummen Richter haben die Menschen nicht gesehen, nur die Akten, nur die abstrakten Fälle. Ich möchte ehrlich sein mir gegenüber und den Leseern hier und all den Türken, die ich kennengelernt habe, seien sie typisch deutsch geworden oder nicht: Als ich selbst Richter war, zum Glück kein Strafrichter, habe ich auch nur den Fall gesehen und nicht den Menschen. Heute tut mir das leid. Ich selbst wünsche Ihnen und mir, daß meine Kollegen in München Ihre Gefühle verstehen, achten und beachten.

    u. h.

  5. Soli sagt:

    @ u.h. – Gefühle haben bei Prozessen nichts zu suchen. Ich glaube kaum, dass es die Richter, Staatsanwälte und sonstigen beteiligten nicht auch menschlich bewegt – allerdings haben diese Regungne im Gerichtssaal nichts verloren.

  6. Cherry sagt:

    @ Robert – An erster Stelle für dich zur Info: Mahlt wird ohne h geschrieben. Frage mich, was ein Teenager hier sucht?! ;) Und an zweiter Stelle: Wie schön heißt es auf gut Deutsch: Lesen sollte man können!!

  7. u. h. sagt:

    @ Soli – einverstanden. Es geht darum, daß eine Entscheidung des Gerichts Gefühle verletzt hat – und in diesem Falle darum, ob die Entscheidung auch so hätte getroffen werden können, daß das nicht der Fall gewesen wäre. Es ist nicht zu erkennen, daß diese Gefühle überhaupt erkannt worden sind und dann, warum sie nicht berücksichtigt werden konnten. Das führt dann zu der Äußerung der Medien, die Entscheidung sei wie in einem normalen Verwaltungsakt getroffen worden – es wäre viel Gehirnschmalz gespart worden, wäre vom Gericht einmal darauf hingewiesen worden, daß die berechtigten Interessen türkischer Medien in Betracht gezogen wurden und aus welchen Gründen sie nicht berücksichtigt werden konnten.

    Mir ging es darum, warum das Gericht gar nicht in der Lage war, dies als eventuelles Problem zu erkennen, und den Leser dazu zu bringen, die Entscheidung zu verstehen – Verständnis von dem zu erwarten, dessen Gefühle verletzt worden, war nie von mir beabsichtigt. Wer emotional so stark betroffen ist, argumentiert auch emotional, und darauf auch einzugehen, wäre nicht falsch gewesen.

    u. h.

  8. malenki lizard sagt:

    @cherry

    Malen: mit Farbe pinseln und streichen
    Mahlen: Korn zu Mehl verarbeiten

    Jetzt raten Sie mal, woher das Sprichwort kommt bzw. was es bedeuten könnte? Wer zuerst kommt, darf zuerst anstreichen ODER wer zuerst kommt, darf zuerst sein Korn zu Mehl vearbeiten?

    Zum Thema: ich verstehe diesen Unsinn auch nicht. Hier sollte eine Lösung gefunden werden.

  9. u. h. sagt:

    @ Gueln und Robert

    Die Menschen sind Brüder, miteinander verwoben,
    von einem Stoff aus der Schöpfung gehoben.
    Wird ein Glied vom Leben mit Schmerz versehen,
    die anderen Glieder vor Leid vergehen.
    Du, der du kein Mitleid mit anderen kennt,
    bist nicht wert, daß man dich einen Menschen nennt. (Saadi)

    Es ist eine Gefahr für den Richter, daß er nur seine Akten sieht und sie erledigen will, nicht den Menschen dahinter. Da hatte ich als Richter viel zu lernen. Ich freue mich, daß ich jetzt in der Lage bin, in die Seele des andern zu sehen, durch die Haut hindurch.

    Und noch eins: Mein Llieblingsspruch lautet: „Alle Verallgemeinerungen sind falsch.“ Versuchen wir alle, das Gesagte nicht immer wörtlich zu nehmen.

    u. h.

  10. vulkanstum sagt:

    Rechtswidriges Vergabeverfahren!
    Folgender Beitrag des Juraprofessors Stefan Hertwig im Kölner Stadtanzeiger zeigt sehr klar auf, warum das Vergabeverfahren rechtswidrig war:
    http://www.ksta.de/politi
    Die Art und Weise wie das bayrische Gericht das Windhundverfahren durchführte, bevorzugte eindeutig regionale Medien mit guten Kontakten zum Gericht, die einen Informationsvorsprung hatten. Selbst sehr gut organisierte internationale Nachrichtenagenturen wie AP und AFP hatten da das Nachsehen.
    Fair wäre das Verfahren gewesen, wenn alle Interessenten mit zeitlichen Vorlauf – z.B. einen Tag vorher – darüber informiert worden wären, zu welchem Zeitpunkt das Windhundrennen beginnt und wenn alle gleichermaßen rechtzeitig vorher informiert gewesen worden, dass das Windhundverfahren verwendet wird und nicht das Losverfahren oder Anderes.