Nach einem Schlaganfall

Therapie in Muttersprache

Viele der Schlaganfall-Betroffenen haben mit Sprachverlust zu kämpfen. Besonders schwierig ist die Situation bei Menschen, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben. Denn die Therapie muss in der Muttersprache erfolgen.

Donnerstag, 28.02.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 06.03.2013, 1:33 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Antonio Rodriguez kam 1970 als junger Mann nach Deutschland. Schnell erlernte er die deutsche Sprache, sprach sie fortan fließend neben seiner Muttersprache. Das änderte sich schlagartig im Juni 2005, als er im Alter von 53 Jahren unvermittelt einen schweren Schlaganfall erlitt. Die Folge waren eine halbseitige Lähmung und eine Aphasie. Diese hat sich bald zurückgebildet, jedoch nur in seiner Muttersprache. „In Deutsch spricht er bis heute kaum mehr als ja und nein,“ berichtet Ehefrau Ana.

Aphasie ist eine der häufigsten Folgen des Schlaganfalls. Rund ein Drittel der jährlich 270.000 Schlaganfall-Betroffenen hat mit Sprachverlust zu kämpfen. Besonders schwierig ist die Erkrankung für Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, so wie Antonio Rodriguez. „Ein ganz typisches Schicksal,“ meint Holger Grötzbach, Autor des Lehrbuchs „Aphasie – Wege aus dem Sprachdschungel“ und Leiter der Sprachtherapie in der Asklepios-Klinik Schaufling. „Die Fremdsprache ist störanfälliger als die Muttersprache“.

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Genesung vor Integration
Offensichtlich werden Sprachen nicht zwangsläufig in denselben Hirnarealen gespeichert. Dort, wo die Muttersprache „beheimatet“ ist, ließen sich in der Regel stärker ausgeprägte Synapsen nachweisen. Grötzbach sieht die entscheidende Ursache dafür in der emotionalen Bindung zur Sprache. „Die besteht in der Regel zur Muttersprache, weil sie mit der Biografie und vielen Erinnerungen verbunden ist.“

Schlaganfall-Betroffene mit Migrationshintergrund stellt dies vor besondere Herausforderungen. Droht durch körperliche und psychische Beeinträchtigungen ohnehin schon die Isolation, wird die Situation durch mangelnde Kommunikationsfähigkeit weiter verschärft. Beide Sprachen wieder voll zu erlernen, wird für die meisten eine Utopie bleiben.

Sprachtherapie konzentriert sich stets auf eine Sprache, um die Entwicklung einer „Mischsprache“ zu vermeiden. „Da bietet die Muttersprache das größere Rehabilitationspotenzial,“ erklärt Grötzbach. Der Integrationsgedanke muss in diesem Fall zurückstehen, um den Patienten nicht völlig zu isolieren. (fs) Gesellschaft Leitartikel

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  1. Dr. Zellerhoff, Rita sagt:

    Schon 1941 hat Roman Jakobson szum Sprachverlust bei Aphasie geforscht und in seinem Buch: Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze die Zusammenhänge dargestelt. Er fand die folgende Regelhaftigkeit: Was zuerst erworben wird, bleibt auch am längsten erhalten und umgekehrt.
    Wenn ein Mensch eine zweite Sprache fließend sprechen konnte, dann müsste es doch möglich sein, seine Kenntnisse wieder hervorzulocken. Die Gefahr, dass es zu Code-Switching kommt, erachte ich als nicht so gravierend, wie die Tatsache, dass er sich nicht mehr in der Umgebungssprache unterhalten kann.
    Rita Zellerhoff

  2. Mathis sagt:

    Vielleicht lässt sich die Zweitsprache dann erfolgreich wiederherstellen, nachdem der Patient seine Erstsprache wieder gefunden hat. Mir erscheint das jedenfalls naheliegend.

  3. Wendy sagt:

    Was dafür spricht hier lebene Kinder immer zuerst die deutsche Sprache lernen zu lassen (die Sprache IHRER Heimat!) und nicht die der Eltern.