OECD Studie

Schlechtes Image schreckt Fachkräfte ab

Die über Jahre betriebene Abschottungspolitik wird Deutschland jetzt zum Verhängnis. Das schlechte Image von Deutschland und seine restriktive Zuwanderungspolitik führen dazu, dass Fachkräfte wegbleiben. Das zeigt ein OECD Bericht.

Dienstag, 05.02.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Deutschland ist kein Einwanderungsland. Das war bis vor Kurzem noch offizielle Regierungspolitik – im In- und Ausland. Dass zahlreiche Zuwanderungsstatistiken das Gegenteil zeigten, spielte keine Rolle. Erst seitdem sich ein gewisser Fachkräftemangel bemerkbar macht, wird auch von offizieller Seite vom Einwanderungsland Deutschland gesprochen. Von einer Willkommenskultur ist mittlerweile sogar die Rede.

Viel zu spät, wie die am Montag vorgestellte OECD Studie „Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte: Deutschland“ zeigt. Die jahrelange Realitätsverweigerung hat vor allem im Ausland Spuren hinterlassen. Deutschland gilt nicht als Land, in dem Zuwanderer willkommen sind. Die jahrelange Abschottungspolitik ist – zumindest in Bezug auf Hochqualifizierte – mittlerweile überwunden, sie wirkt aber immer noch nach. Das deutsche Zuwanderungssystem werde „im In- und Ausland als restriktiv und schwer zugänglich wahrgenommen“. Aus OECD-Sicht sollte Deutschland einen Perspektivwechsel vornehmen.

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Imagewechsel notwendig
Die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), Prof. Christine Langenfeld fordert einen Imagewandel: „Deutschland muss sein altes Image des Nicht-Einwanderungslandes loswerden und ein klares Willkommenssignal an hoch qualifizierte Zuwanderer senden.“ Die SVR-Vorsitzende empfiehlt, in den deutschen Botschaften Migrationsbeauftragte einzusetzen.

Ähnliches fordert der migrationspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Memet Kılıç: „Bisher herrscht in Deutschland keine moderne Willkommens-, sondern eine ideologische Abschreckungskultur. Zu einem entsprechenden Klimawandel in der Gesellschaft gehören antirassistisches Engagement, vereinfachte Aufenthalts- und Einbürgerungskriterien sowie mehr politische Teilhabechancen für Eingewanderte“, so Kılıç. Er fordert ein „einfaches und unbürokratisches Punktesystem“.

Nur wenige kommen nach Deutschland
Denn im internationalen Vergleich nur wenige ausländische Fachkräfte auf Dauer nach Deutschland. Der OECD-Bericht beziffert die Zahl der Arbeitsmigranten aus Nicht-EU-Ländern auf etwa 25.000 pro Jahr. Das seien rund 0,02 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Andere Länder wie Australien, Dänemark, Kanada und Großbritannien verzeichneten fünf- bis zehnmal so viele beschäftigungsorientierte Zuwanderer.

Dabei gehört Deutschland nach den jüngsten Reformen des Zuwanderungsrechts laut Studie zu den OECD-Ländern mit den geringsten Beschränkungen für die Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte. Mit dazu beigetragen hat die Senkung der Mindesteinkommensschwellen für Hochqualifizierte mit der Einführung der „Blauen Karte“. Außerdem fiel für bestimmte Mangelberufe die Vorrangprüfung weg. Die Bilanz ist dennoch enttäuschend. Bisher seien 2500 „Blue Cards“ vergeben worden, teilte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen am mit.

Vermächtnis des Anwerbestopps
Ein weiterer Grund für den schleppenden Erfolg liegt im Inland. Hier haben sich die neuen Zuwanderungsregeln noch nicht herumgesprochen. Laut OECD ist die deutsche Zuwanderungspolitik für die hochqualifizierte Migration eine der offensten im OECD Raum: keine zahlenmäßige Begrenzung, zügige und kostengünstige Bearbeitung, geringe Ablehnungsquote.

Download: Die deutsche Version der OECD-Studie: „Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte: Deutschland“ kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

Doch selbst Arbeitgeber, die Engpässe melden, greifen bislang selten auf internationale Personalbeschaffung zurück. Die Überzeugung ist weit verbreitet, dass eine Personalgewinnung im Ausland komplex und unzuverlässig ist. Yves Leterme, stellvertretender Generalsekretär der OECD: „Besonders betroffen sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die es nicht gewohnt sind, Arbeitskräfte aus dem Ausland einzustellen. Das Vermächtnis des allgemeinen Anwerbestopps ist, dass Arbeitsmigration auf Ausnahmen basiert. Diese Grundeinstellung muss sich ändern.“

Arbeitgeber fixiert auf Deutschkenntnisse
Ein weiteres Manko ist: Kleine- und mittelgroße Arbeitgeber legen viel Wert auf Deutschkenntnisse. Diese Anforderung können selbst internationale Studierende in Deutschland kaum erfüllen. Einer SVR-Untersuchung zufolge kann jeder Dritte allenfalls Grundkenntnisse nachweisen. Das reicht vielen Arbeitgebern nicht. Deshalb – so die Empfehlung der OECD – müssten verstärkt berufsspezifische Deutschkurse im Ausland und auch nach der Einstellung in Deutschland angeboten werden.

Ein weiteres Problem: Deutschland braucht nicht nur Hochqualifizierte, sondern auch Fachkräfte ohne Hochschulabschluss. Der SVR empfiehlt daher, für Bereiche, in denen Fachkräftemangel herrscht, auch Nicht-Akademikern eine Arbeitsaufnahme in Deutschland zu ermöglichen. Gesucht werden nach Angaben des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) etwa Fachkräfte in der Metall- und Elektroindustrie oder im Gesundheitswesen. Die OECD empfiehlt auch hier eine Absenkung der Einkommensgrenzen.

Nützlichkeitsrassismus
Dagegen wehrt sich Sevim Dağdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Sie befürchtet „Lohndumping“ und lehnt es ab, Menschen nach ihrer ökonomischen „Verwertbarkeit“ einzustufen. Das sei „Nützlichkeitsrassismus“. Dass die Fachkräfte trotzdem nicht kommen werden, habe „nicht zuletzt mit der Politik der Ausgrenzung und Diskriminierung und staatlichen Komplizenschaft mit Nazis zu tun. Diese hat sich über die Medien auch in andere Länder rumgesprochen.“ (bk) Leitartikel Studien Wirtschaft

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  1. Metscher sagt:

    Zitat: „Die OECD empfiehlt auch hier eine Absenkung der Einkommensgrenzen.“

    Und damit ist schon alles gesagt, was es zu diesem Thema zu wissen gibt.

    Die OECD ist eine neoliberale Lobbyorganisation, die auf die Interessen des Großkapitals fixiert ist. In diesem konkreten Fall geht es um Lohndumping.

    Vorschläge der OECD zielen immer darauf ab, den Sozialstaat abzubauen und das Lohnniveau zu senken. Weltweit.

  2. daweed sagt:

    gäbe es einen „Fachkräftemangel“, warum steigen dann nicht die Löhne?

  3. Kolcek sagt:

    Da das Migazin sich öfters wiederholt, wiederhole ich mich auch nochmal:
    Das was Frau Dagdelen als „Nützlichkeitsrassismus“ bezeichnet, nenne ich die Definition eines Einwanderungslandes. Warum sollte man Menschen einwandern lassen, die hier keine Beschäftigung finden?

    Ein Einwanderungsland bestimmt, wer ins Land einwandert, das hat man so von den Briten, Kanadier, USA, Neuseeland und Australier gelernt und bei denen scheint es zu klappen, bzw. da beschweren sich die Migranten nicht über „Nützlichkeitsrassismus“. Ganz im Gegenteil: Man kann gerade zu überall lesen, dass ausgerechnet diese Länder, als die beliebtesten Einwanderungsländer beschrieben werden und Deutschland sich an diesen ein Beispiel nehmen sollte!

    Wenn der Nutzen eines Menschen außen vor gelassen wird, dann spricht man von einer unkontrollierten Einwanderung und das kennt man aus den letzten Jahrzehnten. Und es hat sich nicht bewährt! Vor allem die Migranten selbst leiden unter einer unkontrollierten Einwanderung, das sollte mal ernsthaft vom Migazin und Frau Dagdelen berücksichtigt werden!

    Ich will auch noch hinzufügen, dass zu einer Willkommenskultur der aufnehmenden Gesellschaft auch eine Dankbarkeitskultur der zu aufnehmenden Gesellschaft erforderlich ist.

  4. aloo masala sagt:

    Facharbeitermangel ist vermutlich ein technischer Begriff für Mangel an jungen, gut ausgebildeten Billigkräften

  5. vulkanstum sagt:

    Wenn man wirklich dringend Fachkräfte braucht, dann reichen für den Anfang aber auch Englischkenntnisse. Aber anscheinend möchte man Fachkräfte, die perfekt Deutsch sprechen ,aber billiger als deutsche Fachkräfte sind.
    In der EU gibts massig arbeitslose Fachkräfte, die problemlos in Deutschland anfangen können zu arbeiten. Aber die sind anscheinend nicht billig genug.

  6. xxx sagt:

    Deutschlands Löhne sind voll unattraktiv. Ich überleg nachher auszuwandern in ein anderes Land, z.B. Dänemark. Die Reallohnentwicklung ist in DE unter aller Sau: plus 19% in Dänemark seit 2002, plus 30% in Norwege,n, plus 10% Frankreich, plus 21% Neuseeland, plus 8% Niederlande, plus 22% Australien.

    nirgends so starke Reallohnsenkung wie in DE: minus 0,8%. Wer gut informiert ist, geht nicht nach DE.

    es sei denn es ist Krise – und selbst in Spanien las ich in einer Zeitung, das angeworbene LKW-Fahrer aus spanien den Lohn zu niedrig finden.

    also Zufriedenheit sieht anders aus.

    hinzu kommt, dass DE in weiten Teilen einen Überschuss an Fachkräften hat — man blick nur mal in die Engpassanalyse der ARGE. In den meisten Berufen (90%) hat man mehr Arbeitslose als Stellen.

    hinzu kommt, dass 45% der Frauen in Minijobs geparkt werden.

    also ein guter Arbeitsmarkt sieht anders aus.

    und der Begriff Nützlichkeitsrassismus ist zumindest so zu bewerten: wenn Einwanderung sehr teuer wird, das Land aber immer weniger Geld zur Vfg. hat, weil es verschuldet ist. Dann ist in jedem Land das Interesse an Einwanderung nunmal gering.

    in Duisburg wurden jetzt 18,3 Mio veranschlagt für die Integration von 6200 Osteuropazuwanderern, viele davon ohne Ausbildung. Das ist nur der Erstbetrag — hinzu kommen lfd. Kosten. Duisburg ist aber nunmal Pleite und kann das finanziell nicht leisten.

    muss man auch verstehen, dass das problematisch ist. V.a. hat DE keinen Arbeitsmarkt der noch merh Ungelernte aufnehmen kann, denn diese Jobs gibts hier nicht mehr.

    die gab es in den 1960ern mal, als man noch viele Textilfabriken hatte und Kokereien – aber nicht heute

  7. xxx sagt:

    Abschottungspolitik ?? Wenn ich den Arbeitslohn absenke und sag, für IT Spezialisten zahlen wir nur noch 33000 , also weniger als ein Deutscher normalerweise dort verdient, dann soll das also eine Einladung sein???

    man denkt also, mit sinkenden Löhnen kommen Fachkräfte?? Aha.
    Das kann man sicher als Abschottungspolitik sehen. Viel schlimmer ist aber, dass das zeigt, das es in DE nur darum geht, die Migranten zu missbrauchen, um Löhne zu drücken.

    auch ist es unmoralisch anderen die mühsam ausgebildeten Fachkräfte zu klauen. Die anderen Länder geben auch Geld aus, um ihre Krankenschwestern auszubilden.

    DE soll mal lieber die bereits hier lebenden alle ausbilden, da hapert es nämlich. In Niedersachsen sind aktuell 18% ungelernt, die angeblich nicht „reif“ genug sein sollen.

    Da kann man gleich mit anfangen, anstatt immer neue von außen anzufordern. Oft sind das nämlich genau welche, die vor einigen Jahren erst hier angekommen sind. Warum arbeitet man nicht mit denen, die schon hier sind und bildet die erstmal aus.

    Dänemark und Frankreich haben hierfür übrigens Ausbildungsabgabe und bilden die dann schulisch direkt aus im Wunschberuf, anstatt nur auf die Gnade von irgendwelchen Firmen zu warten. Aber das ist in DE ja ein Tabu-Thema.

  8. Lothar Schmidt sagt:

    In einem quasi-sozialistischen Staat wie Deutschland werden nun mal die Schwachen bevorzugt, und die Starken, Erfolgreichen benachteiligt. Das führt logischerweise dazu, dass immer mehr Starke und Erfolgreiche auswandern (Akademikerflucht) und immer mehr Schwache und Strauchelnde von Außen hinzukommen bzw. hier gefördert, ja fast schon bevorzugt, werden. Ein ganz normaler Prozess. Dass solch ein Land dann nicht unbedingt attraktiv für ausländische Spezialisten ist, sollte klar sein. Da geht man in die USA, da gehört man dann in eine andere Liga. Hier ist man ja selbst als Informatikprofessor untere Mittelschicht.